Klimaaktivisten geben nicht nach, erneut blockieren sie eine Straße in Heilbronn
Mitglieder der „Letzten Generation“ setzen sich am Freitagmittag, 17. März, in Heilbronn auf die Straße und lösen damit viel Ärger und Unverständnis bei Autofahrern und Passanten aus. Die Lage droht zu eskalieren.

Aufgeheizte Stimmung und tumultartige Szenen beim Wollhaus auf der Wilhelmstraße vor dem Amtsgericht. Passanten versuchen, Aktivisten der „Letzten Generation“ von der Straße zu zerren. Wüste Beschimpfungen, Gebrüll - die Situation droht aus dem Ruder zu laufen. „Geh arbeiten.“ „Haben die nichts zu tun?“ Das sind noch die milderen Kommentare von Menschen, die dem Protest als Schaulustige beiwohnen. Handykameras werden in die Höhe gehalten, Fotos gemacht. Passanten reißen den Aktivisten ihre Banner aus den Händen.
Die erste Polizeistreife lässt die Leute gewähren. Als weitere Streifen vor Ort eintreffen, beruhigt sich die Lage. Der Verkehr wird über die Wollhausstraße umgeleitet.
Mit zum Teil wütenden und aggressiven Reaktionen von Autofahrern rechnet die Gruppierung, sagt Raul Semmler, Pressesprecher der „Letzten Generation“ in Baden-Württemberg bereits im Vorfeld. In einigen Fällen sei es schon vorgekommen, dass Passanten oder Autofahrer Aktivisten, wie vergangene Woche in Mannheim geschehen, von der Straße zerrten. Das sei eine Ausnahme. „Hier im Südwesten sind die Menschen besonnen“, meint Semmler. „Wir gehen davon aus, dass es so bleibt.“ Er irrt sich. Einige Passanten lassen ihrer Wut über die Straßenblockade freien Lauf.
Emotionaler Streit auf der Straße
"Krass, was für eine Wut einem entgegenschlägt", sagt Daniel Eckert, der 22-jährige Klimaaktivist beteiligt sich zum wiederholten Mal an einer Sitzblockade. Er habe dafür Verständnis, der Protest unterbreche den Alltag der Menschen. Es sei seine etwa 40. Klebe-Aktion. Er habe gelernt, mit solchen Reaktionen umzugehen, "zu deeskalieren".
Moritz Riedacher (26) aus Stuttgart sitzt auf der Straße und nennt die Forderungen der "Letzten Generation": Tempolimit von 100 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen, ein 9-Euro-Ticket, einen Gesellschaftsrat. "Wir fordern den Bürgermeister von Heilbronn auf, sich hinter unsere Forderungen zu stellen." Die Aktivisten würden so lange in Heilbronn protestieren, bis der Oberbürgermeister einen Brief an die Bundesregierung sende.
Ihre Wut schreit beispielsweise Passantin Semira Sandra Cepe (29) aus Heilbronn frei heraus. Sie wohne in der Nähe, erklärt sie auf Stimme-Nachfrage. Beim ersten Protest der Gruppierung in der Neckarsulmer Straße sei sie mit ihrer pflegebedürftigen Mutter auf dem Weg ins Krankenhaus gewesen und behindert worden. "Da hört der Spaß auf." Ein 29 Jahre alter Mann aus Heilbronn, der seinen Namen nicht nennen möchte, bleibt gelassen. Er meint, das jeder das Recht habe zu demonstrieren.
OB trifft sich mit Aktivisten
Vor Ort macht sich Heilbronns Rathaussprecherin Suse Bucher-Pinell ein Bild von der Lage. Oberbürgermeister Harry Mergel (SPD) werde sich kommenden Freitag mit einigen Mitgliedern der "Letzten Generation" zu einem Gespräch treffen, sagt sie. Damit setzt der OB um, was er im Vorfeld angekündigt hatte: Er sei gesprächsbereit. Gleichteitigt hatte er betont, er lasse sich aber nicht erpressen.
Berufung gegen Urteil eingelegt
Es handelt sich in Heilbronn um die dritte Straßenblockade in sechs Wochen. „Das ist eine Reaktion auf die ersten Verurteilungen“, begründet Pressesprecher Semmler die wiederholte Aktion vor Ort. Das Heilbronner Amtsgericht verurteilte zwei Aktivisten vor fast zwei Wochen in einem beschleunigten Verfahren wegen Nötigung zu drei und zwei Monaten Haft ohne Bewährung. Drei weitere erhielten eine Geldstrafe. Sie legten Anfang Februar den Verkehr in der Neckarsulmer Straße für zwei Stunden lahm.
Das Urteil des Amtsgerichts vom 6. März gegen Klimaaktivisten ist noch nicht rechtskräftig. „Es wurde Berufung eingelegt“, teilt Michael Reißer, Pressesprecher des Gerichts, auf Anfrage mit. Gegen drei der damals verurteilten Mitglieder habe die Staatsanwaltschaft nun erneut den Antrag auf ein beschleunigtes Verfahren gestellt. Tatvorwurf: wieder Nötigung. Wie berichtet, blockierten unmittelbar nach dem Urteilsspruch einige von ihnen wie schon beim ersten Mal die Neckarsulmer Straße.
Trotz Gerichtsverhandlung und Richterspruch machen die Kima-Kleber unvermindert weiter. Die beiden zu Gefängnis verurteilten Mitglieder befinden sich so lange auf freiem Fuß, bis das Urteil gegen sie rechtskräftig wird. Bei einer Nötigung stellt die Wiederholungsgefahr keinen Haftgrund dar, erklärt Amtsrichter Reißer.
Polizei löst Hände vom Asphalt
Die Polizei fordert die Aktivisten mehrmals auf, die Straße zu räumen und den Protest auf dem Bürgersteig fortzusetzen. Dem kommen die fünf Mitglieder der "Letzten Generation" zunächst nicht zunächst. Bei zwei von ihnen löst die Polizei die festgeklebten Hände vom Asphalt, einer lässt sich wegtragen, zwei räumen selbstständig die Straße. Die Protest-Teilnehmer werden von der Polizei mit ins Revier genommen, dort werden die Personalien festgehalten. Die Aktivisten von diesem Freitag erwartet wie in den früheren Fällen eine Anzeige wegen Nötigung.