Verurteilte Klimaaktivisten blockieren nach dem Heilbronner Richterspruch erneut die Neckarsulmer Straße
Das Heilbronner Amtsgericht spricht Haftstrafen gegen Aktivisten der "Letzten Generation" aus. Drei der fünf Verurteilten machen mit ihren Aktionen sofort weiter.
Vor einem Monat haben fünf Aktivisten der so sogenannten "Letzten Generation" mit einer Sitzblockade auf der Neckarsulmer Straße den Verkehr in Heilbronn in Richtung Stadtmitte blockiert. Am Montag (06.03.23) sind die drei Männer und zwei Frauen dafür vom Amtsgericht Heilbronn im beschleunigten Verfahren wegen Nötigung verurteilt worden. Drei der Beschuldigten erhielten Geldstrafen. Die beiden Männer, die sich auf der Straße festgeklebten, wurden zu drei und zwei Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Rund zwei Stunden nach dem Urteil haben drei der fünf Verurteilten erneut in der Neckarsulmer Straße auf Höhe des Autohauses von der Weppen den Verkehr blockiert.
Angeklagte zeigen sich unbeeindruckt
Bereits während der Verhandlung machten die Angeklagten immer wieder deutlich, dass sie sich vom Urteil des Gerichts unbeeindruckt zeigen werden. Sie würden weiter für die Ziele der "Letzten Generation" kämpfen. Damit meinten sie, dass sie sich auch nach einer Verurteilung weiter auf der Straße festkleben und den Verkehr blockieren würden. Sie sähen sich moralisch im Recht. Mit ihren Aktionen würden sie um "das Überleben der Menschheit" kämpfen. "Es ist mir egal, ob ich bestraft werde. Ich werde mich nicht abhalten lassen", sagte eine der Angeklagten.
Richterin wägt Grundrechte gegeneinander ab
In ihrem Urteilsspruch ging es für die Richterin am Ende darum, Grundrechte gegeneinander abzuwägen. Auf der einen Seite stehe die Versammlungsfreiheit, auf der anderen die Berufsfreiheit und das Recht auf freie Fortbewegung. Spätestens die Fahrzeuge in der zweiten Reihe eines Staus hätten keine Ausweichmöglichkeiten mehr und würden an der Weiterfahrt gehindert. Das Fernziel der Gruppe - der Klimaschutz - sei ein schützenswertes Gut, so die Richterin. Dennoch könne man nicht die eigenen Ziele dem Gesetz überordnen. Am 6. Februar hat die Blockade dazu geführt, dass ein Heilbronner Urologe zu spät in seine Praxis kam, deswegen Notfälle abweisen musste und vereinbarte Termine nicht einhalten konnte, wie der Arzt als Zeuge aussagte.
Haftstrafen gegen zwei der fünf Beschuldigten
Hätten sich die Angeklagten geläutert gezeigt, wäre das Urteil milder ausgefallen, so die Richterin. Gegen zwei der fünf Beschuldigten seien Haftstrafen ohne Bewährung deshalb die angemessene Strafe. Immerhin liefen gegen sie bereits mehrere Gerichtsverfahren wegen Blockaden. Zudem hätten bisherige Urteile keine Wirkung gezeigt. Wie er mit Geldstrafen umgehe, wollte die Richterin von einem angeklagten Studenten wissen. "Die kommen auf den großen Stapel", antwortete der 22-Jährige.
Rechtsanwalt spricht von politisch motiviertem Urteil
Für ihn sei nicht das Urteil des Amtsgerichts Heilbronn maßgebend, sondern "das Urteil der Geschichte", sagte der Student nach dem Richterspruch. Jannik Rienhoff, Rechtsanwalt einer der Verurteilten, sprach nach der Verhandlung von einem politisch motivierten Urteil. In schnellen Verfahren sollten harte Urteile gegen die "Letzte Generation" gefällt werden. Der Tatbestand der Nötigung komme nicht in Frage, so Rienhoff. Eine Versammlung könne nie eine Nötigung sein. Die trete ein, wenn gegen die Auflösung der Versammlung Widerstand geleistet würde. Und das sei hier nicht der Fall gewesen.
Neue Blockade dauert 90 Minuten
Einige Autofahrer reagierten genervt, als die Klimakleber am Montag direkt nach dem Urteil erneut auf der Straße saßen. "Ihr macht das richtig super, ich geb' für euch doppelt Gas", schimpft einer aus seinem Wagen und tritt aufs Gaspedal. Nach 90 Minuten ist die Blockade zu Ende - die verbliebenen zwei Aktivisten wurden in ein Polizeiauto getragen. Unklar war noch, ob sie die Nacht in Gewahrsam verbringen müssen.
Haftstrafe ohne Bewährung
Gefängnisstrafen von bis zu zwei Jahren kann das Gericht zur Bewährung aussetzen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass Haftstrafen bis zu zwei Jahren automatisch ausgesetzt werden. Um auch bei niedrigen Gefängnisstrafen nicht hinter Gitter zu müssen, muss das Gericht überzeugt sein, dass der Verurteilte mindestens während seiner Bewährungszeit keine neuen Straftaten begeht. Dafür ist entsprechend eine positive Kriminalprognose notwendig.