Klima-Aktivisten kleben sich erstmals in Heilbronn auf die Straße
Mitglieder der umstrittenen „Letzten Generation“ haben am Montagmorgen zwei Stunden lang den Verkehr in der Neckarsulmer Straße in Heilbronn blockiert. Autofahrer auf der Gegenspur beschimpfen sie im Vorbeifahren. Die Polizei ermittelt gegen die Aktivisten wegen Nötigung.
Gegen 8 Uhr am Morgen geht es los. Drei Männer und zwei Frauen setzen sich in einer Reihe in Heilbronn beim Sülmertor auf die Neckarsulmer Straße. Die beiden Männer, die am Rand sitzen, kleben ihre Hand auf dem Asphalt fest. Der Verkehr stadteinwärts Richtung K3 steht still.
Ein Notruf sei bei der Polizei eingegangen, sagt Daniel Fessler, Sprecher des Heilbronner Polizeipräsidiums, vor Ort. Die Straße sei daraufhin weiträumig abgesperrt worden. Stadtauswärts fließt der Verkehr. Eine Rettungsgasse habe nicht gebildet werden müssen. Stadteinwärts kommt es zeitweiser zu erheblichen Behinderungen.
Wütende Autofahrer schimpfen lautstark
Daniel Eckert (22) aus Karlsruhe ist nach eigenen Angaben seit einem Jahr aktiv bei der „Letzten Generation“ dabei. Er habe Straßen etwa in Berlin und Mannheim blockiert. „Ich will nicht untätig sein angesichts der Klimakatastrophe“, begründet er die Sitzblockade. Vereinzelte Zurufe erboster Passanten und Autofahrer nimmt er zur Kenntnis. „Wir stören Menschen in ihrem Alltag. Wir zeigen auf, was Menschen nicht so wahrhaben wollen.“
Gisela Schultz (66) aus Heilbronn ist eigenen Angaben zufolge das erste Mal bei einer solchen Klebe-Aktion der „Letzten Generation“ dabei. Im „Sozialen Zentrum Käthe“ habe sie einen Vortrag angehört. Sie habe sich gesagt, „diese Leute gehören unterstützt“. Zuvor habe sie bei Aktionen und Proteste der Umweltschutzbewegung „Fridays for Future“ mitgemacht.
Für ihre Aktion ernten die Klima-Aktivisten vereinzelt lautstarke Kommentare von vorbeifahrenden Autofahrern. Sie werden mit Schimpfworten bedacht. Einer ruft: „Damit rettet ihr nicht das Klima.“ Eine Passantin schreit erbost über die Straße: „Und wer zahlt, wenn andere jetzt zu spät zur Arbeit kommen?“
"Letzte Generation" hält vermehrt Vorträge in Heilbronn
Die „Letzte Generation“ und ihre Aktionen sind in den zurückliegenden Monaten wiederholt in die Schlagzeilen geraten. Straßenblockaden wie jetzt in Heilbronn führten in anderen Städten, insbesondere in Berlin, zu heftigen Debatten. Minister forderten, die Proteste einzuschränken. Bayern setzt auf den landeseigenen Präventivgewahrsam. Er ermöglicht es, Klimaaktivisten ohne Gerichtsprozess für bis zu zwei Monate ins Gefängnis zu sperren. Die "Letzte Generation" hatte angekündigt, ihre Proteste auszuweiten. In Heilbronn gibt es nun vermehrt Vorträge von Aktivisten in Gastro-Betrieben. Dort erläutern sie ihr Vorgehen und sie versuchen, Mitstreiter anzuwerben.
Anti-Konfliktteam der Polizei sucht das Gespräch
Am Morgen in der Neckarsulmer Straße setzt die Polizei das Anti-Konfliktteam ein. Zwei Beamte versuchen, die Aktivisten dazu zu bewegen, die Straße freiwillig zu räumen. Welchen Sinn es mache, die Blockade aufrechtzuerhalten? Medien wie die Heilbronner Stimme und der „SWR“ berichteten ja bereits. Das Ziel der Aufmerksamkeit sei damit erreicht. Ihren Protest könnten sie auf dem Bürgersteig fortsetzen. Die Polizei kündigt an, die Straße unter Zwang zu räumen.
Bevor sie weggetragen werden, stehen die beiden Frauen auf und lassen sich von der Polizei abführen. Ein Mann lässt sich widerstandslos von Polizisten wegtragen. Die Berufsfeuerwehr Heilbronn ist mit zwei Einsatzkräften vor Ort, sie haben handelsübliches Lösungsmittel zum Verdünnen im Gepäck. Ein Polizeibeamter verteilt die Flüssigkeit an den Händen der festgeklebten Aktivisten. Es dauert wenige Minuten, dann sind die Hände frei.
Die Neckarsulmer Straße wird stadteinwärts für den Verkehr freigegeben.
Polizei ermittelt wegen Nötigung
Die Aktivisten werden zum Polizeirevier gebracht. Dort werden ihre Personalien aufgenommen. Nach Angaben von Polizeisprecher Fessler erwartet sie eine Anzeige wegen Nötigung. Der Straftatbestand des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr steht ihm zufolge nicht im Raum. Wohl aber sei gegen das Versammlungsrecht verstoßen worden. Die Aktion der Letzten Generation“ sei geplant gewesen und hätte bei der Versammlungsbehörde der Stadt Heilbronn angemeldet werden müssen. Die Einsatzkosten sollen den Aktivisten in Rechnung gestellt werden.
Ob es weitere Aktion in Heilbronn und Umgebung zu erwarten sind, ist offen. Die Polizei sei immer auf sämtliche Einsätze wie Proteste oder ein Demonstrationsgeschehen vorbereitet, sagt Fessler.
Feuerwehr äußert sich in den sozialen Netzwerken
Die Heilbronner Berufsfeuerwehr wird etwa gegen 9 Uhr zu einem Unfall mit einem Toten und einem Schwerverletzten auf der A81 zwischen Möckmühl und Neuenstadt gerufen. Ihr Weg zum Einsatz führt über die Neckarsulmer Straße. Glücklicherweise sei die Fahrbahn stadtauswärts nicht blockiert gewesen, schreibt die Feuerwehr auf ihrem Instagram-Account. Wäre es auch in ihre Fahrtrichtung stadtauswärts zu Behinderungen gekommen, hätten sich die Feuerwehrfahrzeuge möglicherweise festgefahren oder sie hätten die Unfallstelle nur über Umwege erreicht.