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Stimme-Leser ziehen ihre Bilanz zum 9-Euro-Ticket

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Unsere Redaktion hat mehreren Leserinnen und Lesern das 9-Euro-Ticket finanziert. Die meisten waren damit viel unterwegs - die anderen trauern kaum um das Ende des günstigen Fahrscheins. Wir haben die 9-Euro-Ticket-Fahrer zum vierten Mal nach ihren Erfahrungen befragt.

Die Stimme-Redaktion hat mehreren Leserinnen und Lesern das 9-Euro-Ticket finanziert. Zeit für eine Bilanz.
Die Stimme-Redaktion hat mehreren Leserinnen und Lesern das 9-Euro-Ticket finanziert. Zeit für eine Bilanz.  Foto: Ralf Seidel

Am Mittwoch endet das ÖPNV-Sommermärchen in Deutschland. Drei Monate lang konnten die Deutschen Bus und Bahn für neun Euro nutzen. Insgesamt 52 Millionen Mal wurde der günstige Fahrschein verkauft, erklärte zum Abschluss der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Einerseits seien 1,8 Millionen Tonnen CO2 eingespart worden, andererseits wäre nur jede zehnte Fahrt mit dem Auto gefahren worden, wenn es das Ticket nicht gegeben hätte.

Mehrere Leserinnen und Leser unserer Zeitung waren drei Monate lang mit dem Neun-Euro-Ticket unterwegs. Sie erlebten volle Züge, ausgefallene Fahrten, lange Wartezeiten aber auch günstige Kurztrips, Besuche bei der Oma und freundliche Lokführer. Hier berichten sie zum vierten und letzten Mal, was sie vom 9-Euro-Ticket halten und wie es ihrer Meinung nach weitergehen soll.


Alyssa Ayers (25), Heilbronn

"Ich bin total froh, dass ich das Ticket hatte. Und ich finde es sehr schade, dass es das nur noch bis Ende des Monats gibt", sagt Alyssa Ayers. Die Studentin war in der Regel innerhalb von Stuttgart oder auf der Strecke zwischen Heilbronn und Stuttgart unterwegs. "Ich hatte auch echt gar keine Probleme mit der Bahn, das hat super funktioniert", berichtet Ayers. "Klar, am Wochenende ist es schon etwas voller und es sind viele Familien unterwegs." Generell sei die Zeit mit dem 9-Euro-Ticket entspannt gewesen. "Man musste nicht darauf achten, welches Ticket gerade gilt."

Während ihrer Praxisphase pendelt die 25-Jährige gerade täglich nach Stuttgart-Feuerbach. Ab September braucht sie deshalb wieder ein reguläres Monatsticket. "Dafür werde ich auf jeden Fall mehr Geld zahlen. Das Ticket wird mich 72 Euro kosten."

Alyssa Ayers wünscht sich einen Nachfolger für das 9-Euro-Ticket, in welcher Form auch immer. Wichtig ist der Studentin, dass man dieses Abo dann monatlich bezahlen kann und nicht auf einen Schlag eine hohe Geldsumme fällig ist. Außerdem hofft sie auf ein Pauschalticket, das in ganz Baden-Württemberg gültig ist. "Wenn ich von Heilbronn nach Stuttgart fahre, bräuchte ich sonst ja eigentlich zwei Monatstickets", sagt Ayers.


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Stimme-Leser ziehen Fazit nach zwei Wochen 9-Euro-Ticket


 

Stephanie Flödl (34), Bad Friedrichshall

Für Stephanie Flödl war das 9-Euro-Ticket "eine echte Erleichterung, vor allem für die, die weniger Geld haben. Ich fand das wirklich angenehm." Gemeinsam mit ihrer Tochter Emma war sie in den Sommerferien immer wieder spontan unterwegs, im Freibad oder auf Spielplätzen. "Wir haben auch die Uroma öfter besucht", erzählt Flödl.

Mit dem Wegfall des 9-Euro-Tickets wird die 34-Jährige seltener unterwegs sein. "Dann plant man den Einkauf und fährt nicht einfach spontan los." Die Fahrten mit Bus und Bahn würden dann preislich "wieder ein Loch in die Brieftasche reißen", erzählt Flödl. Denn für jede Fahrt zum Arzt oder in die Stadt seien zwischen fünf und zehn Euro für ein Tagesticket fällig. "Neun Euro im Monat waren da echt optimal."

Zwischen 30 und 40 Euro würde die Alleinerziehende in Zukunft für ein Monatsticket ausgeben. Auch ein 69-Euro-Ticket sei machbar, findet Flödl, wenn man es nur für einen Monat, wie etwa in den Sommerferien, kaufen kann. "100 Euro sind allerdings zu viel. Das kann ich mir nicht leisten."

Das Argument, dass das Geld für das 9-Euro-Ticket lieber in den Ausbau der Infrastruktur hätte fließen sollen, findet Flödl "ein bisschen blöd". Eine neue Busspur bringe ihr nichts. "Das 9-Euro-Ticket hat mir dafür sehr viel gebracht."


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Was Stimme-Leser nach zwei Monaten vom 9-Euro-Ticket halten


 

Bernd Veith (63), Eberstadt

Seit Juni war Bernd Veith nahezu jedes Wochenende mit Bus und Bahn und dem 9-Euro-Ticket unterwegs. Dabei hat der 63-Jährige aus Eberstadt immer wieder übervolle Züge, Verspätungen und Ausfälle erlebt. Wie etwa bei einem Besuch im Mannheimer Freilichttheater: Wegen Baustellen wäre die einzige Verbindung auf der Rückfahrt mit einem Umstieg in Sinsheim gewesen - mit nur vier Minuten Zeit. "Deshalb haben wir über eine Stunde in Mannheim auf den letzten Regionalexpress nach Neckarsulm gewartet, weil das die sichere Variante war." Auch bei einem Ausflug nach Köln wenig später verpasst Veith den Anschluss in Mannheim und muss wieder eine Stunde dort warten. "Da war ich erst nach 23 Uhr wieder in Neckarsulm. Das war nicht so lustig."

Im September hat der Eberstädter einen Urlaub in Hamburg geplant. "Da wäre es natürlich genial gewesen, wenn es eine Anschlussvariante gegeben hätte. Jetzt müssen wir uns wahrscheinlich mit einem Wochenticket behelfen."

Der 63-Jährige hofft, dass ein Nachfolge-Ticket eingeführt wird. "Sich einfach in jeden Zug setzen, so muss das funktionieren." Am ehesten kann sich Veith ein 365-Euro-Ticket vorstellen. "Da könnte ich voll mit leben." Dennoch brauche es mehr Geld für Infrastruktur, etwa für den Ausbau der Frankenbahn. "Das ist eine einzige Katastrophe."


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Familie Dörzbach, Bad Rappenau

Die drei Monate mit dem 9-Euro-Ticket waren für Familie Dörzbach eine ernüchternde Erfahrung. "Das war eine Niederlage auf ganzer Linie. Wir haben es leider fast nicht genutzt." Nur einmal ist die Familie von Bad Rappenau-Treschklingen nach Stuttgart und zurück gefahren, allerdings mit vielen Umstiegen. "Ansonsten haben wir es überhaupt nicht genutzt. Ich bin selbst sehr enttäuscht darüber." Mit dem Wegfall des 9-Euro-Tickets ändere sich somit gar nichts für die Familie, sagt Nina Dörzbach. Ihr Schülerticket bekommen die beiden Söhne Hannes und Anton umsonst.

Eigentlich hatten die Dörzbachs darauf spekuliert, den Nahverkehr und das Ticket zumindest im Schwarzwald-Urlaub zu nutzen. Daraus wurde jedoch nichts, weil dort keine Busse oder Bahnen fuhren, berichtet Nina Dörzbach. "Das war leider ein Trugschluss. Also mussten wir die Höhenmeter mit dem Fahrrad überwinden."

Überhaupt bleibt das Fahrrad das Mittel der Wahl für die Familie. Das 9-Euro-Ticket sei "für den Alltag und auf dem platten Land" nicht geeignet, sagt Nina Dörzbach. "Freunde in Stuttgart haben sich das natürlich gekauft. Dort hat das Sinn gemacht." Ein Anschlussticket befürwortet Dörzbach dennoch. "Die Verkehrswende ist wichtig." Vor allem aber brauche es mehr Infrastruktur.


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Elisa Czerny und Jord Janssen (26, 22), Leingarten

Ohne Auto leben, das hat bei Elisa Czerny und Jord Janseen schon vor dem 9-Euro-Ticket gut funktioniert. In Zukunft werden die beiden wieder mit dem normalen Monatsticket pendeln. "Dadurch geht die Flexibilität und Spontanität etwas verloren, da das nur zwischen Heilbronn und Leingarten gilt", sagt Czerny. "Alles andere kostet dann wieder extra." Für das reguläre Ticket zahlen die beiden etwas über 100 Euro im Monat.

Kürzlich waren die beiden in Wien und fuhren bis Würzburg mit dem 9-Euro-Ticket. Auf dem Rückweg fiel jedoch eine Bahn aus, so dass die beiden erst mit einer Stunde Verspätung zu Hause ankamen. Zudem hätten sich wegen anderer Ausfälle sehr viele Menschen in den Zug nach Heilbronn gequetscht. "Keine schöne Erfahrung", sagt Czerny.

Ein 365-Euro-Ticket wäre für die 26-Jährige ein Schritt in die richtige Richtung. Generell brauche es ein besseres Zusammenspiel verschiedener Mobilitätsformen, einen Ausbau des Nahverkehrs und des Radnetzes sowie günstige Tickets. Denn weitere Preiserhöhungen im Nahverkehr sorgen bei den beiden Pendlern für Unmut. "Bei steigenden Preisen macht man sich hin und wieder dann doch Gedanken über alternative Möglichkeiten, die einfach mehr Flexibilität liefern und seltener ausfallen", sagt Elisa Czerny.


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Marco Gegner (28), Weinsberg

Für Marco Gegner war mit dem 9-Euro-Ticket die Frage verbunden, ob der Nahverkehr das E-Auto schlagen kann. Seinen Arbeitsweg von Weinsberg nach Heilbronn hat er in den vergangenen drei Monaten daher meist mit der Stadtbahn zurückgelegt. Sein Fazit ist jedoch eindeutig: "Das E-Auto hat ganz klar gewonnen." Beim Bahnfahren gehe einfach zu viel Zeit verloren, findet der 28-Jährige, außerdem biete das Auto mehr Flexibilität. "Dass das Ticket nur neun Euro gekostet hat, ist natürlich schon ein Vorteil. Mir persönlich ist die Zeit aber wichtiger, als der Preis."

Verschlimmert hat sich die Situation noch durch den Ersatzverkehr auf der Strecke. Wegen der Bauarbeiten fuhren Ersatzbusse, die für die Strecke zwischen Weinsberg und Heilbronn nicht 15 Minuten sondern zwischen 20 und 25 Minuten benötigten. "Während der Baustellenzeit habe ich daher öfter das E-Auto genommen, um nicht noch mehr Zeit auf der Strecke zu verlieren."

Künftig will Marco Gegner kein Abo-Ticket für Bus und Bahn kaufen, vor allem nicht, wenn die Preise weiter steigen. "Das käme nur dann in Betracht, wenn die Deutsche Bahn an der Zuverlässigkeit und am Service deutlich arbeitet." Das sei wichtiger, als ein günstiges Ticket anzubieten, findet Gegner.

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