Gastronomie nach der Mehrwertsteuer-Erhöhung – "Die Gefahr ist schon groß"
Anfang des Jahres wurde die Mehrwertsteuer für Essen in Restaurants von sieben auf 19 Prozent angehoben. Gastronomen warnten vor diesem Schritt. Denn sie haben nicht nur mit dieser Erhöhung zu kämpfen.

Seit Januar 2024 gilt die Erhöhung der Mehrwertsteuer von sieben auf 19 Prozent auf Speisen in Restaurants. Der "Deutsche Hotel- und Gaststättenverband" (Dehoga) prognostizierte in einer Mitteilung im November 2023, dass die Anhebung der Mehrwertsteuer auf die ursprünglichen "weitreichende Folgen für die gesamte Tourismuswirtschaft im Land haben".
Auch Daniel Ohl, Geschäftsführer Kommunikation des Landesverbandes Baden-Württemberg, sprach von "Diskriminierung des Essens im Restaurant". Er plädierte im Gespräch mit der Heilbronner Stimme, einheitliche sieben Prozent Mehrwertsteuer auf alle Arten von Speisen – ob im Restaurant auf dem Porzellanteller, in einem Pappkarton oder aus dem Supermarktregal.
Nachhaltigkeit, Vielfalt, Fairness: Aus diesen Gründen fordert Dehoga einheitliche sieben Prozent Mehrwertsteuer für Speisen in Gastronomie
Diese Forderung hat die Dehoga noch heute. Nach den coronabedingten Verlustjahren sei die Zahl gastronomischer Betriebe um rund 16 Prozent gesunken. Nun belaste nicht nur die Inflation, sondern auch die erhöhte Mehrwertsteuer die Gastronomie. Auf der Internetseite des Verbands werden sieben Gründe aufgelistet, warum einheitliche Steuern eingeführt werden sollten.
Durch sieben Prozent Mehrwertsteuer sollen faire Preise gewährleistet werden und sich künftig auch Normalverdiener und Familien Restaurantbesuchen leisten können. Fair soll zudem auch der Wettbewerb ablaufen, schließlich trete die Gastronomie mit Supermärkten in Konkurrenz, bei denen nur sieben Prozent Mehrwertsteuer anfallen. Außerdem verweist die Dehoga auf Nachhaltigkeit, die bei niedrig besteuertem Take-away-Essen durch die Verpackung nicht gegeben sei. Im Vergleich mit anderen EU-Ländern entstehe der deutschen Gastronomie ein Nachteil. Deshalb wünscht sich die Dehoga mehr Wertschätzung.
Auch faire Löhne und bezahlbare Schulverpflegung leiden laut dem Verband unter der erhöhten Mehrwertsteuer. Um in der Gastronomie ein möglichst facettenreiches Angeboten und damit die Vielfalt zu erhalten, sei die steuerliche Anpassung nötig. Viele gastronomische Betriebe seien finanziell stark eingeschränkt durch die Mehrwertsteuer von 19 Prozent und müssten deshalb schließen. Das Fazit der Dehoga: "Sterben die Restaurants und Cafés, sterben auch die Innenstädte. Schließt das Gasthaus im Dorf, verschwindet auch ein Stück Heimat und Kultur."
"Qualität zahlt sich aus" – Hotel in Bad Wimpfen bemerkt an Kundenzahl keinen Unterschied seit Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie
Wie ergeht es den Gastronomen in der Region Heilbronn-Hohenlohe nun rund einen Monat nach der Erhöhung? "Qualität zahlt sich aus. Die Menschen sind bereit dafür einen vernünftigen Preis zu bezahlen", ist Knut-Philip Möller überzeugt. Die Qualität müsse dann aber auch stimmen. Der Geschäftsführer vom Hotel Neues Tor in Bad Wimpfen hat seit der Mehrwertsteuererhöhung keinen Rückgang seiner Kunden zu verzeichnen. Und das, obwohl er die Preise um zwölf Prozent angehoben hat.
Dafür habe er aber auch auf Transparenz gesetzt und bereits Ende November einen Brief für die Gäste formuliert. "Ich versuche aufzuklären und mehr Verständnis für unsere Branche zu bekommen", beschreibt Möller seine Intention.
Erhöhung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie: So setzen sich die Preise für Speisen zusammen
"Es geht nicht nur darum, dass die Lebensmittelpreise so stark gestiegen sind." In Wahrheit sei es besonders Personal, das den Großteil des vom Kunden gezahlten "Gesamtpakets" benötige. "Das Teuerste sind die Menschen", so Möller. Schließlich arbeite man in der Gastronomie zu Zeiten, in denen andere frei haben, und die Arbeit kann auch nicht nach Hause verlegt werden. Ähnlich wie in Pflegeberufen könne keine Maschine die Menschen in der Gastronomie ersetzen. "Es muss in der Öffentlichkeit stärker hervorkommen, dass Menschenhände Arbeit mehr wert ist als Fabrikessen."
Durch den Kontakt zu anderen Gastronomen wisse Möller von Restaurants, die mit rückläufigen Kundenzahlen zu kämpfen haben. "Wobei man darüber nur hinter vorgehaltener Hand spricht." Schließlich wolle niemand zugeben, dass das eigene Geschäft nicht mehr gut laufe. Zu erkennen sei es aber an den vielen Schließungen. Auch dem Hotel Neues Tor werde immer wieder ein Gebäude zur Übernahme angeboten.
Restaurants und Gaststätten könnten wegen erhöhter Mehrwertsteuer schließen: "Gefahr ist groß"
Und das alles nur wegen der erhöhten Mehrwertsteuer? "Momentan ist es ein riesiger Berg an Themen", sagt Möller und zählt auf: fehlende Fachkräfte, hohe Energiekosten und steigender Wettbewerb in der Region Heilbronn wegen neuen günstigen Hotels. Bereits als die Erhöhung der Mehrwertsteuer im vergangenen Jahr bekannt wurde, warnten Gastronomen, dass sie unter diesen Umständen ihre Gaststätten schließen müssten. Das bestätigt nun auch Geschäftsführer Möller: "Die Gefahr ist schon groß." So hängen die Betreiber des Heilbronner Restaurants "Ins Spätzle", Marcel Hoyer und Luca Högerle, die Schürze an den Nagel und suchen sich einen sicheren Beruf.
Auch in der Pizzeria Adria in Lauffen hat sich laut Inhaber Sead Bojaxhiu am Zulauf nichts geändert. Allerdings hat er aus Angst vor ausbleibender Kundschaft die Preise nicht erhöht. Mit der Folge, dass sich die Steuerzahlungen für Bojaxhiu verdoppelt haben, während genauso viele Gäste bei ihm essen. "Besser ich bezahle mehr Steuern, als keine Kunden mehr zu haben."
Pizzabäcker aus Lauffen zieht drastische Konsequenz wegen Mehrwertsteuer-Erhöhung
Wie gleicht er das aus? Mitarbeiter reduzieren, gibt der Pizzabäcker zu. Drei Vollzeitkräfte habe er entlassen. Damit gebe es "mehr Arbeit und genauso viel Geld". Für viele Gastronomen sei das nicht lange haltbar. Auch Bojaxhiu sagt voraus, dass einige Restaurants und Gaststätten auf lange Sicht aufgeben werden. Denn auch die Gäste seien sparsamer geworden: "Manche gehen vielleicht noch einmal im Monat essen."
Dank seiner Stammkunden könne sich die Pizzeria noch halten. Lauffen sei nicht groß, habe wenig Laufkundschaft – die Situation sei in Heilbronn sicher eine andere, so Bojaxhiu.




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