Reaktionen auf höhere Mehrwertsteuer in der Gastronomie: "... dann muss ich zumachen"
Die Mehrwertsteuer auf Speisen steigt ab Januar 2024 wieder auf 19 Prozent. Wirte aus der Region wollen die Erhöhung an die Gäste weitergeben.

Rainer Fallmann betreibt das historische Gasthaus Falken in Neudenau. Er hat bei sich Protestplakate aufgehängt, damit die sieben Prozent Mehrwertsteuer bleibt. Nun kommt es ab 2024 anders. "Wenn ich mich aufrege, wird es auch nicht anders." Doch klar ist: Die Erhöhung kommt seiner Ansicht nach zu Unzeiten, die zwölf Prozentpunkte schlagt er auf den Essenpreis darauf. "Ich kann nichts anderes machen." Bei einem Schnitzel, sagt Rainer Fallmann, mache das zwei Euro zusätzlich aus.
Das werde dazu führen, dass weniger Gäste kommen. "Die Älteren bleiben aus", befürchtet er. "Das gibt einen Einschlag." Nur die Jüngeren würden weiterhin kommen, sagt der Falkenwirt, wie er von Neudenauern bezeichnet wird. Die Folge für sein Gasthaus sind noch offen. "Wenn sie ausbleiben, muss ich zumachen." Mit den Gedanken trägt er sich derzeit häufig, auch weil es schwerer werde, Personal zu finden. Dass der Gesetzgeber den Mehrwertsteuersatz während Corona gesenkt hat, sei richtig gewesen. "Das hat schon etwas gebracht."
Neue Preise ab Januar: Damit befasst sich Bad Rappenauer Chefin in den Weihnachtsferien
Susanne Häffner von der gleichnamigen Bad Rappenauer Brauerei, zu der auch ein Hotel samt Restaurant gehört, hatte mit der Erhöhung gerechnet. Es habe sich abgezeichnet. "Es wird Preiserhöhungen geben", kündigt sie an. Nach den Betriebsferien im Januar gelten wie jedes Jahr neue Preise, und dafür kündigt sie ein höheres Plus an als in den Vorjahren - wegen der Erhöhung beim Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie.
In welchem Umfang die Speisen teurer werden, kann sie gerade nicht abschätzen. Damit befasse sie sich erst zwischen den Jahren - "mein Weihnachtsgeschenk", wie sie die für sie unliebsame Arbeit bezeichnet. Häffner-Bräu beliefert mit Bier auch andere Restaurants. Ob dort Kunden ausbleiben, der Bierabsatz zurückgeht: Das kann sie derzeit nicht abschätzen. Susanne Häffner wundert sich, weshalb bei Imbissbuden beim Essen zum Mitnehmen und den Restaurants wieder unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gelten werden: Essen werde überall zubereitet. "Das macht keinen Unterschied." Laut Dehoga-Branchenverband wird frisch zubereitetes Essen in Restaurants ab Januar wieder mit 19 Prozent besteuert, während auf Essen zum Mitnehmen, im Supermarkt oder bei der Essenslieferung sieben Prozent erhoben werden.
Pizzeria im Kraichgau: Sollte sie zumachen müssen, beantragen die Pächter Bürgergeld
Seit 25 Jahren ist die Pizzeria Lindenhof im Gemminger Stadtteil Stebbach in Familienbesitz. "Überhaupt nicht glücklich" ist Gastronom Francesco Luca nun über die bevorstehende Anhebung des Steuersatzes. "Damit habe ich nicht gerechnet." Er gibt eine Rechnung: Bliebe der Umsatz gleich, stiegen die Ausgaben bei ihm um jährlich 15.000 Euro. Aufgrund dieser Entwicklung werden im neuen Jahr Gäste tiefer in die Tasche greifen müssen. "Ich muss die Preise anheben", bittet er um Verständnis. Die Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie ist während Corona gesunken. "Das hat uns geholfen", sagt er. Ob die Kunden die neuen Preise annehmen, kann er nicht abschätzen. Stammkunden einer Pizzeria, sagt er, seien Normalverdiener. Familien mit Kindern kämen, "die haben es doch ohnehin schon schwer", erzählt er. Er überlegt, mehr Außer-Haus-Speisen anzubieten - dort gelte weiterhin der ermäßigte Satz. Und wenn das alles nichts bringt, er schließen müsse - "dann beantragen wir Bürgergeld, anstatt zu produzieren", sagt er sarkastisch.
Beim Nordbahnhöfle in Bad Friedrichshall setzt Inhaber Frank Dignaß auf eine Mischkalkulation. Denn: In dem Betrieb ist der Außer-Haus-Verzehr sehr hoch, wo weiterhin der ermäßigte Mehrwertsteuersatz gilt. Je nach Verhalten der Gäste könne das dann dazu führen, dass die Preise nicht angehoben werden müssten. Schon jetzt zeige sich: "Das Abholen ist mehr geworden." Frank Dignaß führt das darauf zurück, dass die Menschen sparen müssten - und das täten sie eben, in dem sie weniger auswärts äßen. Die Hoffnung hat er nicht aufgegeben, dass die Anhebung doch noch gestoppt wird. Nur: Im Bundeshaushalt fehlten nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 60 Milliarden Euro.
In Ingelfingen schüttelt Gastronom den Kopf
Michael Nicklas, Betreiber des gleichnamigen Traditionsrestaurants in Ingelfingen, kann nur den Kopf schütteln. „Zwölf Prozent, das schluckt kaum einer“, ist er sich sicher. Keiner könne mehr sparen, deshalb würden die Preise von den meisten Kollegen an die Kunden weitergegeben. Denn nach Corona traf die Betriebe die Energiekrise hart. „Viele haben Stromverträge über mehrere Jahre abgeschlossen und zahlen jetzt hohe Summen.“ Er selbst zahle das Vierfache im Vergleich zu früher. Und nun die Erhöhung. Das beachte die Politik nicht. Im vergangenen Jahr hat er deshalb bereits rund zehn Prozent draufschlagen müssen. Und nun zwölf Prozentpunkte? Das wären über zwei Euro mehr für den Klassiker Rostbraten. „Ich bin über 40 Jahre Gastronom, aber zehn Prozent habe ich vorher noch nie verteuern müssen.“
Wie geht es weiter? In Ingelfingen habe man nach harten Monaten der Personalsuche fünf Azubis und etwa drei Köche eingestellt. Was wird, wenn die Gäste ausbleiben? Profitieren werden dann Imbisse, vermutet Nicklas. Künftig werde es wohl nur noch eine bestimmte Schicht geben, die es sich leisten könne, essen zu gehen. Sorge machen dem Gastronomen die Auswirkungen darüber hinaus. Viele seiner Kollegen fühlten sich von der Politik im Stich gelassen und würden unter Umständen anders wählen, „auch wenn ich das für mich persönlich ablehne“.
Die Entscheidung überrascht nicht
Für Walter Blattau, Chef des Gasthofs Zur Post in Kloster Schöntal, kommt die Entscheidung nicht sehr überraschend: „Vor wenigen Wochen meinte unser Steuerberater schon, dass er davon ausgeht, dass die Erhöhung kommt.“ Er habe auch empfohlen, den Preis weiterzugeben. "Zwölf Prozentpunkte mehr können wir als Gastronomen ja nicht einfach leisten“, so Blattau, der den Gasthof in fünfter Generation leitet. Sein Gasthaus im kleinen aber „kulturell und historisch guten Standort“ profitiere von Tagungen, Festspielen und Fahrradfahrern. „Ich habe keine Angst, dass wir schließen müssen. Aber der eine oder andere wird nach der Preiserhöhung seltener Essen gehen.“

