"Dann gehen die Lichter aus" - Modehändler Palm mit heftiger Kritik am Zustand der Innenstadt
Wolfgang und Axel Palm schließen ihr Modehaus – und bekräftigen ihre Kritik am Zustand des Heilbronner Zentrums mit deutlichen Worten. Die Stadtverwaltung habe angesichts der Abwärtsspirale der Innenstadt zu lange zugeschaut.

Für den gesamten Heilbronner Innenstadthandel war es eine Hiobsbotschaft zum Jahresende. Das Modehaus Palm, das auf 220 Jahre Firmengeschichte zurückblickt, ist am Ende. Das Geschäft mit seinen 2500 Quadratmetern Fläche und dem Fokus auf hochwertiger Bekleidung schließt am 30. Juni für immer. Die 37 Mitarbeiter müssen sich einen neuen Job suchen. Einen Tag nach der Ankündigung äußern sich Geschäftsführer Axel Palm und sein Vater, Seniorchef Wolfgang Palm, ausführlich zu ihren Beweggründen. Das sagen sie...
...zur Geschäftsentwicklung in jüngster Zeit.
"Wir haben die Dinge im Griff", betont Wolfgang Palm. Die Geschäftsaufgabe erfolge planmäßig, es seien keine Bankkredite nötig, um den Betrieb aufrecht zu halten. Die Entwicklung sei freilich dramatisch. Dieses Jahr rechnet das Modehaus mit einem Verlust von 400.000 Euro, im Jahr zuvor war es eine Viertelmillion. Die Umsätze seien in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent eingebrochen. Investitionen im Umfang von 2,1 Millionen Euro in das Familienunternehmen hätten nicht die Wende gebracht.
..zum Hauptgrund für das Aus.
Zu "60 bis 70 Prozent" hat die Konkurrenz durch den Onlinehandel laut Wolfgang Palm das Schicksal des Traditionshauses besiegelt. Die Modebranche sei in einem rasanten Wandel, die großen Outletcenter machten dem Innenstadthandel ebenfalls zu schaffen. Große Marken machten in ihren eigenen Outlets sechsmal so viel Umsatz wie in City-Geschäften, die sie beliefern, geben die Unternehmer einen Einblick.
..über die Reaktionen auf die Ankündigung, das Geschäft zu schließen.
Normalerweise ernteten Geschäftsleute, die sich zurückziehen, einen Shitstorm im Internet, meint Wolfgang Palm. "Diesmal gab es den Shitstorm für die Stadt und den OB. Zu Recht."
... über den Zustand der Heilbronner Innenstadt.
"Die Stadt ist nicht intakt", erneuert Wolfgang Palm seine Kritik, die er schon in der Pressemitteilung zur Schließung formuliert hatte. Ein Mix von vielfältigem Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistung müsse das Ziel sein. Davon sei Heilbronn meilenweit entfernt, andere Städte wie Aalen, Nagold oder Würzburg entwickelten sich wesentlich besser. Viele Kunden fühlten sich unwohl, Mitarbeiter trauten sich nicht allein zum Parkhaus, so Palm. "Sie haben Angst." Das Bild sei auch geprägt von "gewerbsmäßiger Bettelei", organisiert von Gruppen aus Rumänien, moniert der Seniorchef: "Das sind arme Menschen, aber sie prägen das Image der Stadt." Die Musikverordnung, die den Auftritt von Musikern in der Fußgängerzone regelt, müssten Händler selbst durchsetzen.
...über die Versäumnisse, die sich die Stadt aus ihrer Sicht leistet.
Der kommunale Ordnungsdienst hat seit kurzer Zeit einen Standort mitten in der Stadt. "Die Beamten sind sehr nett, aber sie greifen nicht ein", beobachtet Palm. Agnes Christner nennt er "eine Fehlbesetzung als Ordnungsbürgermeisterin". Sein Sohn Axel kritisiert, die Stadt habe die Abwärtsspirale der City viel zu lange mit angeschaut, statt frühzeitig einzugreifen. "Man kennt solche Modelle aus anderen Städten, etwa mit Innenstadtfonds", fordert er, dass die Kommune wenn möglich zentrale Gebäude kauft und selbst bestimmt, welche Geschäfte sich dort ansiedeln.
... zum Ausblick für die Zukunft der City.
Die Pläne für die Neugestaltung des Wollhaus-Zentrums gelten als großes Zukunftsversprechen. "Ich glaube nicht, dass das kommt", wird Wolfgang Palm deutlich. Die Turbulenzen um die Signa-Gruppe, zu der die Filialen von Galeria Kaufhof gehören, hätten den Markt verändert. "Banken finanzieren keine innerstädtischen Immobilien", glaubt Palm, der auch erwartet, dass der Heilbronner Kaufhof schließen muss. "Dann gehen die Lichter aus."
.. zu eigenen unternehmerischen Fehlern.
In sozialen Medien bekommen die Palms überwiegend wohlwollende Kommentare, Kritik gibt es aber auch an der Hochpreisstrategie mit exklusiver Mode. "Das kann man so nicht stehen lassen", kontert Axel Palm. Markenmode koste im eigenen Modehaus nicht mehr als anderswo. Im mittleren Preissegment um Kunden zu kämpfen sei keine Option, da gebe es viel Konkurrenz abseits der City, etwa den Modepark Röther. "In keiner Stadt gibt es so viel zentrenrelevanten Handel an der Peripherie", kritisiert Wolfgang Palm.
..zu den Plänen mit der Immobilie.
Das Haus in Bestlage gehört den Unternehmern. "Es gibt keinen Plan B", aber erste Überlegungen, sagt Axel Palm. Der Seniorchef schließt aus, dass Modehandel im selben Umfang von einem anderen Unternehmer als Pächter erfolgreich gestaltet werden kann. Die Etage im Erdgeschoss verpachten, "oben alles rausreißen und Büros oder Wohnungen rein" – das ist aus seiner Sicht die wahrscheinlichste Option. "Es kann aber auch sein, dass wir verkaufen müssen."
... zu den Aussichten für das Personal.
Das Modehaus Palm beschäftigt 37 Mitarbeiter. Sie haben die Kündigung erhalten. "Wir sind sicher, dass sie alle eine Beschäftigung finden", ist Wolfgang Palm überzeugt. Sein Ziel: Jeder Beschäftigte soll eine Prämie von bis zu drei Monatsgehältern bekommen.