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Heilbronn kippt Moschee: Muslime prüfen rechtliche Schritte

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Mit knapper Mehrheit kippt der Heilbronner Gemeinderat einen von langer Hand vorbereiteten Bebauungsplan für eine neue Moschee. Der Bauherr ist bitter enttäuscht, spricht von einem Schlag ins Gesicht aller Muslime. Und er prüft rechtliche Schritte.

Pläne für die neue Moschee in Heilbronn gibt es schon zuhauf. Foto: Planung Müller Architekten Heilbronn (Basis Entwurf Bernado Bader, Dornbirn)
Pläne für die neue Moschee in Heilbronn gibt es schon zuhauf. Foto: Planung Müller Architekten Heilbronn (Basis Entwurf Bernado Bader, Dornbirn)

"Das ist ein Schlag ins Gesicht muslimischer Mitbürger, ein falsches Signal. Sieht so Wertschätzung aus?" Der Vorsitzende der Türkisch-islamischen Union Ditib, Erdinc Altuntas, ist tief enttäuscht, "in Leib und Seele erschüttert". Vom Balkon des Theodor-Heuss-Saals der Harmonie hat er am Montagabend verfolgt, wie der Heilbronner Gemeinderat nach harter Debatte den Bebauungsplan für einen Moschee-Neubau an der Weinsberger Straße 7/1 gekippt hat.

Zehn Jahre habe er das auf über zehn Millionen Euro bezifferte Projekt in enger Abstimmung mit dem Rathaus entwickelt. Und nun dies.

Schon eine Million Euro in den Sand gesetzt

Allein für Planungen und Gutachten habe Ditib schon eine Million Euro ausgegeben. "Alles aus Spenden und Beiträgen" der 550 hiesigen Mitglieder, "kein Cent vom Verband oder Staat". Gleichzeitig weist Altuntas, der in Heilbronn geboren ist, den Vorwurf zurück, "ein verlängerter Arm" des türkischen Präsidenten Erdogan zu sein. "Die Türkei zahlt allein die Imame, weil es hier in Deutschland nicht genügend qualifizierte gibt." Im Übrigen habe er in 28 Jahren an verantwortlicher Stelle in der Ditib-Moschee "noch keinen Imam erlebt, der bei uns Politik gemacht hat". Leider seien die Heilbronner Muslime nun "Opfer der politischen Großwetterlage" geworden, dabei wollte man mit dem Kulturzentrum nicht nur einen städtebaulichen Missstand beseitigen, sondern Muslimen eine Anlaufstelle bieten und "Integrationsarbeit leisten, die allen zugute kommt".


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"Doch so leicht lasse ich mich nicht unterkriegen", betont Altuntas, der nun rechtliche Schritte gegen den Beschluss prüft: Schließlich habe die Stadt Ditib ausdrücklich ermuntert, in dieser Dimension und Qualität zu bauen, über Jahre hinweg konstruktiv begleitet und schließlich im Juli 2020 gar einen Durchführungsvertrag unterschrieben. Die von Stadträten genannten Ablehnungsgründe nennt Altuntas "im Kern doch nur vorgeschoben".

Kritik an AfD-Tönen

AfD pur lieferte in der Ratssitzung Michael Seher. Er sprach von einer "fundamentalen Geschichte mit Konfliktpotenzial", wegen des Verkehrs und "der Gefahr einer Parallelgesellschaft". Am K3 sei "unsere Landessprache kaum noch zu hören". "Die Gefahren der Zuwanderung" würden "nur von Corona verdeckt". Und: "Was passiert, wenn im Sommer dort eine leicht bekleidete Frau vorbeiläuft?" Kurzum: Die "Großmoschee", so Seher, gefährde den gesellschaftlichen Frieden.

OB Harry Mergel und andere Stadträte kritisierten den AfD-ler scharf. "Bitte klären sie diese Dinge im politischen Bereich oder besser im interreligiösen Dialog. Aber instrumentalisieren sie den Bebauungsplan nicht. Hier geht es ums Baurecht", betonte der OB.


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Contra- und Pro-Stimmen

So hätte der Innenhof der Moschee aussehen können. Foto: Planung Müller Architekten Heilbronn (Basis Entwurf Bernado Bader, Dornbirn)
So hätte der Innenhof der Moschee aussehen können. Foto: Planung Müller Architekten Heilbronn (Basis Entwurf Bernado Bader, Dornbirn)

Dem schloss sich Albrecht Merkt (CDU) an, der auch für die FWV sprach. wobei sich Malte Höch (FWV) trotzdem zu Wort meldete. Beide beklagten die Dimension des Neubaus und machten sich vor allem "Sorgen" um Verkehr, Zufahrt, Staus, Schadstoffe, Parkplatzmangel, Fußgängersicherheit. Wenn Kirchen ähnlich wenige Stellplätze hätten, liege das daran, dass dort die meisten Besucher zu Fuß kämen, zur Moschee aber auch viele von auswärts. Ähnlich sah es Gottfried Friz (FDP), der zwar die Architektur lobte, sich aber wegen möglicher Konflikte, "die die Idee der Integration durchkreuzten", einen anderen Standort wünschte.

All diese Bedenken würden doch im Zuge eines Bebauungsplanverfahrens aufgearbeitet, betonte dagegen Susanne Bay (Grüne). Sie gab zu bedenken, dass in der Nähe Gebäude in „ganz anderer Dimension“ stünden und die Moschee letztlich das ganze Viertel aufwerte. Kontraproduktiv sei es, Muslime „an den Rand der Stadt abzuschieben“. Die Ditib-Frage müsse auf anderer Ebene geklärt werden. „Da muss der Rechtsstaat genau hinschauen.“ Der Verein sei „fest in Heilbronn verankert“ und verdiene mehr als „vereinigte Hüttenwerke“, so Erhard Mayer (SPD), was das Rathaus ja durch seine jahrelange Begleitung erkannt habe – ganz im Sinne vieler anderer Integrationsmaßnahmen. Mit kritischen Blick auf Erdogan betonte Mayer: „Sollen wir wegen dem unsere Werte verraten: Religionsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit?“

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