Architekt der Moschee spricht von Provinzposse
Der Architekt der gekippten Heilbronner Moschee, Matthias Müller, sieht alle baurechtliche Vorgaben für ein "architektonisches Meisterstück" erfüllt. Er übt harte Kritik an Räten und Rathausspitze, spricht von Diskriminierung und nennt das Ganze eine Provinzposse.

Deutsche Presseagentur, "Spiegel", "Welt", "Süddeutsche Zeitung", SWR: Heilbronn sorgt dieser Tage bundesweit für Schlagzeilen. Nicht etwa wie 2019 durch die Buga fast nur für positive, sondern überwiegend für negative: Weil der Gemeinderat den von langer Hand geplanten Bebauungsplan für einen Moschee-Neubau an der Weinsberger Straße 7 gekippt hat. Eine heftige Debatte ist entbrannt.
Zuletzt stellte der ehemalige Hochbauamtschef Dirk Vogel die Rechtmäßigkeit des Ratsbeschlusses in Frage und riet dem Bauherrn, dem türkisch-islamischen Verein Ditib Heilbronn, dagegen zu klagen. OB Harry Mergel wollte sich konkret dazu gegenüber der Stimme nicht äußern. Nun meldet sich der bitter enttäuschte Architekt zu Wort: Matthias Müller, der in Heilbronn wohnt und ein renommiertes Büro unterhält.
Bekenntnis zur bunten Gesellschaft
Der international aktive Planer meint, "Bedenkenträger und Verhinderer im konservativen Lager der Stadträte" bewirkten in der sonst so prosperierenden Stadt einen gesellschaftlichen Rückschritt. Seiner Meinung nach sei ein "irreparabler Schaden gegenüber einem Teil unserer Mitbürger" entstanden, der lange nachwirken dürfte. Die Folgen seien unabsehbar, bisherige Integrationsbemühungen umsonst.
In Heilbronn habe man zwar die Nachkriegsdepression "einigermaßen überwunden, aber die tiefen Wurzeln zur Diskriminierung sind immer noch bedauerlicherweise vorhanden". Die Konservativen in Heilbronn "müssen endlich ein Bekenntnis zu unserer bunten Gesellschaft liefern", so Müller, der lange Chef der Regionalgruppe des Bundes Deutscher Architekten (BDA) war und im Landesvorstand saß.
Moschee-Gestaltung als Meisterstück
Der Moschee-Entwurf des Österreichers Bernardo Bader, den Müller verfeinert hat, sei ein "ausgereiftes, städtebaulich wichtiges architektonisches Meisterstück". Damit schien eine zukunftsorientierte Lösung gefunden, um die Ecke Paulinenstraße und Weinsberger Straße aufzuwerten. Heilbronn habe an vielen Stellen Bedarf, städtebauliche und architektonisch hochwertige "Reparaturen" zu leisten, insofern sei das Moscheeprojekt ein Glücksfall gewesen.
Die Stadt habe dem Projekt 2013 inhaltlich zugestimmt, so seien aufwendige, kostenintensive Planungen vorangetrieben worden. Nicht nur von Ditib, früh seien auch städtische Ämter beschäftigt und beteiligt worden. Letztlich habe Ditib alle geforderten Gutachten geliefert, um zu einer baurechtlichen Zustimmung zu gelangen. Der Vorhaben- und Erschließungsplan, der Finanzierungsnachweis und ein sehr harter Durchführungsvertrag seien schon unterschrieben.
Nun mute alles wie "kostenintensive Beschäftigungstherapie" an, um zu verhindern, dass das Projekt "aufs Tablett der Öffentlichkeit gebracht wird". Der Rathausspitze sei die Sensibilität der Sache zwar bewusst, leider habe sie aber "nie so richtig Farbe bekannt". Das sei sehr bedauerlich.
"Gutmütigkeit der Muslime ausgenutzt"
Heute hat Müller den Eindruck, dass die Gutmütigkeit und Offenheit der Ditib-Gemeinde "schändlich missbraucht" wurde. Deren Vorsitzender Erdinc Altuntas habe immer wieder Kontakt zu den Fraktionen gefunden, die Hand gereicht, um offen über das Projekt zu sprechen. Es sei sogar signalisiert worden, dass für das Bauamt alle notwendigen baurechtlichen Nachweise geliefert seien und keine Bedenken mehr vorlägen.
Die vom OB versprochene Suche nach einem Alternativ-Standort hat für Müller keinen Sinn, denn die Ditib-Mitglieder seien in der Weinsberger Straße tief verortet, hätten ihren Platz gefunden. Müllers Fazit: "Eine Provinzposse, die ihresgleichen sucht. Da nutzt auch kein Städtebaupreis, um diese Untat auszugleichen."
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Stimme.de
Kommentare
am 01.05.2021 15:39 Uhr
Sehr geehrter Herr Haseneder,
wie alle in Deutschland lebenden Menschen haben auch Muslime ein Recht auf die Ausübung ihrer Religion in unserem Land. Nur weil in der Türkei unter Erdogan extreme Strömungen gefördert werden und es Menschenrechtsverletzungen gibt, sollten wir nicht unsere muslemischen Mitbürger in Sippenhaft nehmen und bestrafen. Die Moschee, gerade an diesem zur Zeit nicht gerade städtebaulichen Glanzstück, wäre eine Bereicherung der städtischen Architektur, ein Zeichen des Integrationswillens und würde dem hohen Anteil an Muslimen in unserer Gesellschaft angemessen sein. Wer sich mit dem Islam beschäftigt würde Muslime niemals generell als Extremisten bezeichnen. Juden, Moslems und Christen haben einen gemeinsamen religiösen Ursprung. Alle Strömungen die daraus hervorgegangen sind ist reine Auslegungssache.
Außerdem halte ich es für beschämend den Bauprozess über Jahre zu begleiten um dann im letzten Moment eine Kehrtwende hinzulegen.
Dass es innerhalb der Mauern dieses Gotteshauses so zugeht, wie es unsere Verfassung vorgibt ist Sache des Innenministeriums. Das dürfte kein Problem sein es werden ja schließlich auch sogenannte Querdenker und eine demokratisch gewählte Partei vom Verfassungsschutz beobachtet.
Jürgen Mosthaf
Rainer Haseneder am 30.04.2021 14:10 Uhr
Ein interessanter Artikel.
Mich würde interessieren, wer den Bau finanziert, und ob nicht auch Mittel des türkischen Staates fließen sollen.
Es besteht wohl eine Interessengemeinschaft zwischen dem türkischen Staat und dem Ditib.
Ich empfehle der Öffentlichkeit und insbesondere den Liebhabern einer bunten Gesellschaft mit einem großen Anteil türkischstämmiger Moslems die Lektüre eines Artikels der Neuen Zürcher Zeitung, siehe Link unten:
„Rund 2,8 Millionen türkischstämmige Menschen leben in Deutschland. Dass Erdogans islamistische Regierung diese etwa durch den Moscheeverein Ditib zu beeinflussen versucht, ist vielen Deutschen bewusst. Weniger bekannt sind hingegen die Aktivitäten türkischer Rechtsextremisten in Deutschland.“
PS
https://www.nzz.ch/international/deutschland/ein-instrument-erdogans-tuerkische-rechtsextreme-in-deutschland-ld.1613536