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Gekippte Ditib-Moschee: Ist der Ratsbeschluss rechtswidrig?

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Der vom Heilbronner Gemeinderat gekippte Moschee-Neubau sorgt weiter für Aufsehen: OB Harry Mergel will auf die Muslime zugehen. Der ehemalige Chef des städtischen Hochbauamts motiviert die Muslime indes zur Klage. Er sagt: Der Ratsbeschluss ist rechtswidrig.

Modell der gekippten Moschee nach Plänen von Müller Architekten Heilbronn auf der Basis des Entwurfs von Bernado Bader (Dornbirn).
Foto: Stadt Heilbronn
Modell der gekippten Moschee nach Plänen von Müller Architekten Heilbronn auf der Basis des Entwurfs von Bernado Bader (Dornbirn). Foto: Stadt Heilbronn  Foto: Planung Müller Architekten Heilbronn (Basis Entwurf Bernado Bade

Nachdem der Heilbronner Gemeinderat den Bebauungsplan für eine neue Moschee an der Weinsberger Straße mit 22:17 Stimmen gekippt hat, sucht Oberbürgermeister Harry Mergel nun das Gespräch mit dem Bauherrn, dem türkisch-muslimischen Verein Ditib.

Derweil meldet sich der ehemalige Chef des Hochbauamts und Vize der Architektenkammer, Dirk Vogel, zu Wort. Er sagt, der Ratsbeschluss sei rechtlich nicht haltbar. Für eine Stellungnahme der Stadt war es am Mittwochabend zu spät. Möglicherweise folgt sie am heutigen Donnerstag im Gemeinderat.

Noch bevor Vogel am Abend seinen Offenen Brief ans Rathaus und an andere Adressen verschickte, hatte Mergel unabhängig davon auf Stimme-Anfrage erklärt: Für Demokraten gelte es, die Ratsentscheidung zunächst zur Kenntnis zu nehmen und zu akzeptieren. Seine Aufgabe sieht der OB darin, dafür zu sorgen, dass der Gesprächsfaden zwischen den Beteiligten - Stadt, Gemeinderat, Ditib-Gemeinde und Bürgerschaft - "nicht abreißt" und "dass wir nach einem gemeinsamen Weg suchen".


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Im Hinblick auf den Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft laute sein Auftrag "zusammenführen und nicht spalten". Dass dies ein harter und möglicherweise langer Weg sei, dürfte allen klar sein. Eine Alternative dazu gebe es für ihn nicht. Auf die Stadt warten laut OB nun zwei Aufgaben: Erstens müsse die "städtebaulich absolut unbefriedigende Situation am derzeitigen Standort des Kulturzentrums" beseitigt werden. Zweitens gelte es, so Mergel, "eine adäquate und zukunftsfähige Heimat für die Gemeinde zu finden".

Mergels Stellungnahme liest sich wie eine Reaktion auf die Aussage von Ditib-Vorstand Erdinc Altuntas, der bereits "rechtliche Schritte" angekündigt hat. Sie liest sich aber auch wie eine vorweggenommene Reaktion auf Dirk Vogels Offenen Brief. Als Architekt, Wettbewerbsbetreuer und Berater von Ditib beim Architektenwettbewerb von 2013/14 zeigt er sich "fassungslos" über die Ablehnung des Bebauungsplanes. Der Gemeinderat begebe sich damit "auf gefährliches Eis".

Alle in der Sitzung vorgetragenen Argumente seien nicht stichhaltig und würden einer rechtlichen Prüfung nicht standhalten, meint der Experte. "Das müssten eigentlich erfahrene Gemeinderatsmitglieder wissen." Es sei zu vermuten, "dass andere Gründe die Mehrheit bewogen haben, den Antrag abzulehnen", meint Vogel.

Was ist mit Religionsfreiheit?

Den Bau einer Moschee an einem Ort verhindern zu wollen, an dem seit 30 Jahren eine Moschee steht, also an der Weinsberger Straße 7, grenze "an ein merkwürdiges Demokratieverständnis". Laut Bundesverfassungsgericht müsse der Staat "Heimstatt aller Bürger" sein - unabhängig von ihrem religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnis. Insoweit müsse er in allen Entscheidungen auch den gleichen Maßstab anwenden. Dies scheine beim Moschee-Projekt nicht der Fall zu sein. Vogel wirft manchen Räten vor, "ihre anscheinend tief sitzende Abneigung gegenüber Andersgläubigen in der Öffentlichkeit durch scheinbare planungs- und baurechtliche Bedenken zu kaschieren".


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Foto: Planung Müller Architekten Heilbronn (Basis Entwurf Bernado Bader, Dornbirn)
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Der grundsätzliche Anspruch auf den Bau einer Moschee ergibt sich für Vogel aus der im Grundgesetz verbürgten Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit. Dies impliziere, dass der Bau von Stätten, in denen die Religionsausübung ungestört möglich ist, nicht verhindert werden kann, sofern nicht Planungs- und Baurecht dem entgegenstehen. Die Rechtmäßigkeit des Ditib-Projekts gehe indes aus umfangreichen Drucksachen und Anlagen der Stadtverwaltung hervor.

Kontraproduktiv für Integration

OB Mergel sei deshalb, so der ehemalige Amtschef, "nach meinem Verständnis von Paragraf 43 (2)1 der Gemeindeordnung verpflichtet, dem Beschluss des Gemeinderats unverzüglich, spätestens jedoch binnen einer Woche zu widersprechen, wenn er der Auffassung ist, dass er für die Stadt nachteilig ist. Und ich hoffe, er sieht es so", betont Vogel. Unabhängig davon empfiehlt er Ditib, die Stadt auf Schadensersatz zu verklagen. So oder so sei "die Botschaft, die der Gemeinderat an die muslimischen Heilbronner sendet, fatal, kontraproduktiv zu den Integrationsbemühungen und kann eine weitere Abgrenzung zur Folge haben".

 
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