Sparprogramme und China-Konkurrenz: Deutsche Autoindustrie im Krisenmodus
Die Gewinne von BMW, Mercedes und VW sind zuletzt deutlich gesunken. Zehntausende Jobs sind in Gefahr. Das Audi-Werk in Neckarsulm hofft auf die Wende durch die Anläufe des neuen A5 und des neuen A7.
Die Rekordjagd bei Gewinnen und Umsatzrenditen ist für die deutschen Autobauer vorerst vorbei. Nach Mercedes-Benz haben vergangene Woche auch der VW-Konzern und BMW deutlich schrumpfende Erträge bekannt gegeben. Demnach ist der addierte Betriebsgewinn der drei großen heimischen Autobauer im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 18 Prozent eingebrochen – von 31,6 auf 25,9 Milliarden Euro. Der Gewinn der VW-Tochter Audi ist um ein Drittel gesunken und betrug im ersten Halbjahr nur noch 2,2 Milliarden Euro (- 1,1 Milliarden Euro).
Profitabilität bei Audi sinkt deutlich – VW will zehn Milliarden Euro einsparen
Während der Umsatz der Konzerne nahezu konstant bei zusammengerechnet 305 Milliarden Euro blieb, verringerte sich die durchschnittliche Profitabilität der Hersteller von 10,3 auf 8,5 Prozent. Schuld daran sind unter anderem hohe Rabatte, gestiegene Personal- und Materialkosten sowie hohe Investitionen in die Elektromobilität. Derzeit aber sind die Stromer der deutschen Marken Ladenhüter, nicht nur auf dem Heimatmarkt, sondern auch in vielen anderen Teilen der Welt. Worum es jetzt in erster Linie gehe, macht VW-Chef Oliver Blume deutlich: „Kosten, Kosten und nochmals Kosten.“ Bis 2026, so die interne Vorgabe, soll der Konzern zehn Milliarden Euro einsparen.
Stellenabbau im großen Stil bei Audi und Co.
Angesichts des immensen Kostendrucks setzen nahezu alle Unternehmen auf Sparprogramme, vielerorts sollen teils massiv Stellen eingespart werden. Der Zulieferer ZF Friedrichshafen AG etwa hält weiter an den Plänen fest, bis Ende 2028 zwischen 11.000 und 14.000 Stellen an seinen deutschen Standorten abzubauen. Europas größter Autobauer VW hat im Frühjahr ein Abfindungsprogramm auf freiwilliger Basis aufgesetzt. Dafür hat das Unternehmen 900 Millionen Euro zurückgestellt.
Sonderaufwendungen von rund 1,3 Milliarden Euro für das mögliche Aus des Audi-Werks in Brüssel folgen voraussichtlich im laufenden dritten Quartal. In Audis kleinstem Werk stehen rund 3.000 Jobs auf dem Spiel. Nachdem die Produktion des Elektro-SUVs Q8 E-Tron eingebrochen ist, wird derzeit ein vorgezogenes Produktionsende angepeilt. Ein Ersatzmodell für das Werk in Belgien ist derzeit nicht in Sicht.
Konkurrenz aus China
An der Autobranche hängen in Deutschland rund 780 000 Arbeitsplätze und jährlich gut 45 Milliarden Euro Investitionen in Forschung und Entwicklung. VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo warnt deshalb davor, die Elektrowende zu verschleppen. Ein Abrücken vom Verbrenner-Aus „wäre fatal und eine Gefahr für die ganze Wirtschaft“. Achim Dietrich, Betriebsratsvorsitzender beim Zulieferer ZF Friedrichshafen, sagt, am Ende werde sich ohnehin die E-Mobilität durchsetzen. „Und wenn wir es nicht schaffen, die besten E-Autos zu bauen, dann werden das künftig die Chinesen tun.“
Der deutschen Autoindustrie fehle derzeit die Angreifermentalität, bemängelt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Vom viel gerühmten China-Speed sei das Deutschlandtempo weit entfernt, meint Bratzel. „Wir sind zwar nicht schlechter geworden, aber die anderen sind schneller und besser geworden.“

Audi-Werk Neckarsulm vor höherer Auslastung
Audi hat sich im zweiten Quartal finanziell berappelt, die Prognose fürs Gesamtjahr aber gekappt. Bei der Marke mit den vier Ringen hofft man auf die mehr als 20 Modellanläufe in den nächsten zwei Jahren. Vom aktuellen Verbrenner-Hoch dürfte vor allem der Audi-Standort in Neckarsulm profitieren. Dort ist Mitte Juni der neue A5 angelaufen, im Spätherbst folgt der neue A7. In den kommenden beiden Jahren sollen jeweils mehr als 200.000 Fahrzeuge in Neckarsulm gebaut werden.