Sorge um Audi-Werk Brüssel: Angst vor dem, was kommen könnte
Die Schließung des Audi-Werks in Brüssel wird immer wahrscheinlicher. Nun melden sich viele Betriebsräte aus dem VW-Konzern zu Wort. Zudem sickern Streitigkeiten im Aufsichtsrat durch.
Es sind turbulente Tage bei Audi. Am Dienstagabend löste die Nachricht über ein mögliches Aus für das Werk in Brüssel in- und außerhalb des Unternehmens viel Unruhe aus. Audi hat in seiner Geschichte noch nie einen Standort geschlossen.
Besonders brisant ist, dass für die rund 3000 Angestellten in Belgien keine Beschäftigungssicherung gilt - die gilt bis Ende 2029 ausschließlich für die Beschäftigten an den deutschen Standorten des Autobauers.
Unterdessen schwindet täglich die Hoffnung, dass es noch eine Rettung für Brüssel gibt: Der Standort gilt als einer der teuersten im VW-Konzern. Ein neues Modell als Nachfolger für den zuletzt erfolglosen Q8 E-Tron ist weit und breit nicht in Sicht.
Audi-Werk Brüssel steht möglicherweise vor dem Aus: Angst vor dem, was kommen könnte
So aussichtslos derzeit das Szenario auch sein mag: Viele in der Konzernzentrale fürchten auch, was die Schließung des Werkes auslösen könnte. Brennende Mülltonnen, eingeworfene Schaufenster, tausende Menschen, die durch die Straßen ziehen: Es sind diese Bilder, die bei so manchem Volkswagen-Manager Erinnerungen an die Gelbwesten-Revolte in Frankreich wecken, sollte es in Brüssel tatsächlich zur Schließung kommen.
Eine Schließung der Autofabrik in der belgischen Landeshauptstadt, direkt am Sitz des EU-Parlaments, könnte heftige Demonstrationen auslösen. Darauf stellt sich das Management von Europas größtem Autokonzern ein, denn die Gewerkschaften in Belgien sind kampferprobt. Nirgendwo sonst in Europa gibt es so viele Streiktage wie hier. Es werde „sicherlich zu einem Arbeitskampf“ kommen, hieß es zuletzt aus Kreisen der Arbeitnehmervertreter. Eines ist wohl klar: Hier wird bis zur letzten Sekunde um den Erhalt des Werks gekämpft.

"Die Unternehmensleitung muss Verantwortung übernehmen"
Die Arbeitnehmervertreter in Wolfsburg wissen, dass sie Zugeständnisse machen müssen. Die Gefahr weiterer Einschnitte ist wegen des hohen Kosten- und Wettbewerbsdrucks auch an deutschen Standorten groß.
In einer am Dienstagabend verschickten Pressemeldung äußerte sich Rita Beck, die Sprecherin des Audi-Ausschusses im europäischen VW-Konzernbetriebsrat, gemeinsam mit dem Management. "Die Audi-Unternehmensleitung muss Verantwortung für den Standort übernehmen“, so Beck.
Neckarsulms Betriebsratschef meldet sich zu Wort
"Die Zukunft des Standorts in Brüssel beschäftigt uns auch in Neckarsulm. Unseren Kolleginnen und Kollegen in Brüssel gilt unsere uneingeschränkte Solidarität. Gemeinsam mit ihnen hoffen wir auf eine zukunftsfähige Lösung für den Standort im Informations- und Konsultationsprozess mit der belgischen Regierung, die die wirtschaftlichen und sozialpolitischen Aspekte berücksichtigt", sagt Rainer Schirmer, Betriebsratschef des Audi-Standorts Neckarsulm.
"Als Neckarsulmer kennen wir die Angst leider zu gut: 1974/1975 war unser Werk von der Schließung bedroht, die wir glücklicherweise mit vielen Verhandlungen und dem „Marsch auf Heilbronn“ abwenden konnten. Die Erinnerung an diese schwierigen Zeiten sind auch heute noch präsent. Für mich als IG Metaller ist dieses Erlebnis bis heute eine Mahnung, dass Mitbestimmung von unverzichtbarem Wert ist.“
Heftige Diskussionen im Audi-Aufsichtsrat
Wie nun tröpfchenweise durchsickert, war die außerordentliche Sitzung des Aufsichtsrats von Audi am vergangenen Dienstag von teils heftigen und hitzigen Diskussionen geprägt. Bei der Beschlussfassung, eine "Neuausrichtung für das Werk Brüssel" anzuschieben, gab es zehn Ja- gegen zehn Nein-Stimmen. Arbeitnehmer- und Kapitalseite teilen sich die Sitze im Kontrollgremium paritätisch auf.
Nach Informationen der Heilbronner Stimme kam der Beschluss nur zustande, weil Aufsichtsratschef Manfred Döss von seinem Doppelstimmrecht Gebrauch machte. So etwas kommt höchst selten vor. Kampfabstimmungen gab es in der jüngeren Vergangenheit nie, weder bei Audi noch sonst wo im VW-Konzern.
In dem beschlossenen "Informations- und Konsultationsprozess", wie es nach belgischem Recht ziemlich kryptisch heißt, sollen Unternehmensvertreter und Betriebsräte in Brüssel eine Lösung für das Werk mit seinen ungefähr 3000 Mitarbeitern finden. "Am Ende dieses Prozesses kann unter anderem auch die Einstellung des Betriebs erfolgen", hatte Audi mitgeteilt.