Veränderte Rahmenbedingungen für Sport-Union Neckarsulm und Trainer Thomas Zeitz
Im zweiten Jahr unter Thomas Zeitz wachsen die Erwartungen an die Sport-Union Neckarsulm und ihren Trainer und Kaderplaner, der fortan mehr Gestalter als Verwalter ist.

Wo kommt man her, wo will man hin? Für die Sport-Union Neckarsulm sind diese Fragen vor dem Start in die Saison 2024/2025 gar nicht so einfach zu beantworten.
Zu wechselhaft war die vergangene Spielzeit, als dass man sich rund um den Pichterich klar vom Abstiegskampf der Handball-Bundesliga verabschieden oder sich klar zum oberen Tabellenmittelfeld bekennen könnte. Hinzu kommt: Sieben Abgängen stehen acht Zugänge gegenüber.
Realismus trotz Aufschwung in der vergangenen Rückrunde
Und doch ist es kein kompletter Neustart wie zu Beginn der vergangenen Saison. Thomas Zeitz spricht von einem "sportlich extrem interessanten Team mit spielerisch vielen verschiedenen Charakteren" - die aber ihre Tauglichkeit als Mannschaft erst wieder (neu) beweisen müssen.
In der Vorsaison klappte das erst in der Endphase der Saison, die dem Trainer daher auch als Referenz gilt: "Wir wollen den Weg weitergehen, den wir im zweiten Halbjahr der vergangenen Saison eingeschlagen haben." Es ist ein Zeichen von Intelligenz, nicht nach Zielen zu streben, die die eigenen Möglichkeiten übersteigen. Der Europapokal ist daher weit weg und bleibt es vorerst auch.
Sport-Union kann viel gewinnen, aber auch viel verlieren
Realistischerweise geht es um anderes: Vier Mannschaften müsste die Sport-Union hinter sich lassen, um sich im neuen Spielmodus als Tabellen-Achter der Hauptrunde gar nicht erst mit dem Abstieg beschäftigen zu müssen. Wer sich an die vergangene Rückrunde erinnert, der weiß: möglich ist das. Wer an die Hinrunde zurückdenkt, dem dürfte aber auch klar werden: ein Selbstläufer wird das nicht.
Als die Neckarsulmerinnen mit 0:20 Punkten in die Vorsaison gestartet waren, war Thomas Zeitz noch in der Rolle des Verwalters. Er hatte auf den letzten Drücker einen Kader zusammengestellt, der zur Hälfte aus Spielerinnen bestand, die der 50-Jährige nicht selbst verpflichtet hatte.
Im Saisonverlauf trennte sich der Verein dann trotz Verletzungssorgen auch noch von drei Spielerinnen, was dem Binnenklima der Mannschaft zumindest nicht schadete. Inzwischen sind mit Munia Smits und Annefleur Bruggeman nur noch zwei Akteurinnen an Bord, die schon vor dem Trainer und Kaderplaner zum Verein gehörten. Das erhöht den Druck auf Zeitz.
Neue Saison, neue Rolle: Thomas Zeitz ist nun Gestalter
Er ist nun nicht mehr der Nachlassverwalter seiner Vorgänger, sondern hat die Mannschaft inzwischen nach seinen Vorstellungen und im Rahmen der ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten umgebaut. Zeitz ist vom Verwalter zum Gestalter geworden. Das verpflichtet.
Zur Wahrheit gehört dabei auch, dass ein nicht unwesentlicher Teil der Leistungsträgerinnen der Vorsaison noch unter Tanja Logvin und Gerhard Husers den Weg nach Neckarsulm gefunden hatte: Die Abgänge von Nina Engel, Amber Verbraeken und Sharon Nooitmeer müssen der Trainer und die Mannschaft im Kollektiv erst einmal auffangen. Das wird schwer genug.
Sportlicher Erfolg setzt kurze Findungsphase voraus
Als Vorbild und Hoffnungsschimmer kann aber gerade Verbraeken dienen, die in ihrem zweiten Vertragsjahr - unter Thomas Zeitz - einen extremen Leistungssprung gemacht hatte.
Weil von Zeitz' Verpflichtungen aus dem Sommer 2023 aus diversen Gründen bislang lediglich Torhüterin Lena Ivancok und Linksaußen Alessia Riner restlos überzeugen konnten, wird es darauf ankommen, dass die übrigen "Alteingesessenen" in ihrem zweiten Vertragsjahr keine Anlaufzeit mehr benötigen und die Neuzugänge früh mit ins mannschaftliche Boot holen - nicht nur, um sportlich schnell auf Betriebstemperatur zu sein, sondern auch, um dem eingeschlagenen Weg des Vereins und seines Trainers gerecht zu werden; es soll ein Miteinander und eine vereinsumfassende Identität entstehen.
Dies zu formen und zu moderieren sei auch sein eigener Anspruch, betont Thomas Zeitz. Ob die nächsten Monate mit einer sorgenfreien Saison auch sportlich erfolgreich werden, haben die Spielerinnen im wahrsten Sinne des Wortes in der eigenen Hand.