Bundesliga statt Bauernhof: Angunn Gudmestad und die gute Form der Sport-Union
Der Februar-Aufschwung der Sport-Union Neckarsulm ist eng mit Sommer-Neuzugang Angunn Gudmestad verbunden. Dass ausgerechnet die 23-jährige Norwegerin zur Unterschiedspielerin wird, war vor einigen Wochen noch nicht abzusehen.

Nach getaner Arbeit ging es zu Wochenbeginn für Angunn Gudmestad und ihre norwegische Landsfrau und Teamkollegin Johanna Fossum erst einmal zum Flughafen. Ein Heimatbesuch stand auf dem Programm, nachdem Trainer Thomas Zeitz die Woche nach dem 35:27-Erfolg der Sport-Union Neckarsulm über den BSV Sachsen Zwickau frei gegeben hatte.
Erst am Montag trifft sich der Handball-Bundesligist wieder in der Halle, um sich auf den 15. März und das Heimspiel gegen Bayer Leverkusen vorzubereiten. Nach 6:2 Punkten und drei Heimerfolgen in Serie aus den vier jüngsten Spielen tut die Pause nicht nur den beiden Norwegerinnen, sondern der ganzen Mannschaft gut.
Spielfreie Wochen haben für Gudmestad Vor- und Nachteile
Wobei: Gerade Gudmestad hätte gut und gerne direkt da weitergemacht, wo sie gegen den BSV aufgehört hatte: Neun Tore bei zehn Versuchen, fünf Vorlagen und drei Balleroberungen lauteten die erstklassigen Spiel-Statistiken der 23-Jährigen. „Wir haben gerade einen wirklich guten Flow, ich wünschte tatsächlich, wir hätten das Spiel gegen Leverkusen jetzt schon am Samstag. Aber dank der Pause können wir uns alle wenigstens etwas erholen und ein wenig Abstand voneinander gewinnen, damit wir danach wieder bereit sind, um die nächsten Punkte zu kämpfen“, sagt die Rechtshänderin. Die Rückraum-Akteurin ist so etwas wie das Gesicht des Aufschwungs, der der Sport-Union im Februar die Hoffnung auf die Playoffs zurückgebracht hat.
„Ich wünschte, wir hätten das Spiel gegen Leverkusen jetzt schon am Samstag.“
Angunn Gudmestad
„Angunn ist wirklich eine super Handballerin. Sie hat Dynamik ohne Ende, ist die pure Energie und mit ihrem Wurf und ihrem Eins-gegen-Eins eine Waffe. Sie bringt uns einen echten Mehrwert“, lobte Thomas Zeitz seine Nummer sieben. Exemplarisch für die Worte des Trainers waren gegen Zwickau zwei Szenen in der Schlussphase: Den schmerzhaften Zusammenprall mit Anna Franková hatte Gudmestad nach zehn Sekunden verdaut, während die Tschechin danach nicht mehr auf das Feld zurückkehrte. Kurz darauf zimmerte sie einen Wurf aus neun Metern ansatzlos zum 33:25 in den rechten Torwinkel.
Trotz wenig Spielzeit im Baden-Württemberg-Duell gegen Frisch Auf Göppingen kommt Gudmestad, die auf allen drei Rückraum-Positionen einsetzbar ist, in den vier Februar-Partien auf 22 Tore und zehn Vorlagen – das sind 43 beziehungsweise 38 Prozent ihrer gesamten Saisonwerte (51 Tore/26 Assists). Insgesamt macht sie das hinter Munia Smits zur zweitbesten Feldtorschützin der Sport-Union.
Sport-Union ist als Mannschaft besser zusammengewachsen
„Ich weiß gar nicht so recht, woran es liegt, und habe eigentlich auch nicht das Gefühl, dass sich viel verändert hat. Aber ich habe inzwischen meine Rolle im Team besser gefunden und fühle mich im Spiel etwas sicherer“, beschreibt die Norwegerin die Gründe für ihren Aufwärtstrend. Dazu gehöre auch, besser zu wissen, was ihre Mitspielerinnen neben ihr machen, wo sich diese oder jene Mitspielerin hinbewege oder wo und wie sie am liebsten angespielt werden möchte. „Wir kennen uns einfach besser“, sagt Gudmestad.
Mit der Kombination aus körperlicher Robustheit, hartem Wurf und dem Zug in Eins-gegen-Eins-Duelle hat Gudmestad Eigenschaften, die sonst keine andere Spielerin im Neckarsulmer Kader hat. Gepaart mit ihrer positionellen Flexibilität macht sie all das für Thomas Zeitz zu einer wertvollen Allzweckwaffe.
Auch Zwillingsbruder Tord ist im Leistungssport aktiv
„Sie und auch Johanna (Fossum, Anm. d. Red.) sind Anfang 20, inzwischen ein halbes Jahr hier und erstmals in ihrem Leben von zu Hause weg. Für die beiden war ihr Wechsel natürlich eine komplette Umstellung. Aber ich glaube, sie sind hier menschlich wie sportlich inzwischen angekommen und haben auch das Selbstvertrauen und Selbstverständnis, zu sagen: Ich bin jetzt hier und bin Teil des Ganzen.“
Dass der 1,67 Meter große Sommer-Neuzugang im Frühjahr 2025 zu einer der Hoffnungsträgerinnen bei einem deutschen Bundesligisten werden würde, war ihr im Mai 2001 wahrlich nicht an der Wiege gesungen worden. Aufgewachsen im 7500-Einwohner-Dorf Nærbø im Süden Norwegens, rund 40 Kilometer südlich von Stavanger, entschied sie sich ebenso wie ihr Zwillingsbruder Tord für den Leistungssport statt für den Bauernhof der Familie.
Kann die Sport-Union ihre Februar-Form in den März retten?
Zwar half die 23-Jährige in der Heimat neben ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin immer mal wieder zwischen Pferden und Hühnern auf dem Familienhof aus, doch der Traum von höherklassigem Handball im Ausland begleitete sie schon auf ihren Stationen in der Heimat bei Sola HK und Aker Topphåndball. Auch Bruder Tord Gudmestad zog es im Winter gen Süden. Der Radprofi fährt seit diesem Jahr für das französische UCI-WorldTeam von AG2R La Mondiale.
Die spannendste Frage wird nun sein, ob Gudmestad und ihre Teamkolleginnen die aufsteigende Februar-Form über die zweiwöchige Spielpause in den März hinein retten können. „Es ist noch schwer zu sagen, ob das jetzt nur ein guter Moment in der Saison oder eine echte Trendwende ist. Wir haben ein gutes Team, aber wir müssen uns auf dem Feld immer wieder gegenseitig in gute Situationen bringen und dürfen es nicht immer auf eigene Faust versuchen. Das machen wir inzwischen viel besser als noch vor der EM-Pause im Dezember. Wir müssen aber noch immer hart für unsere Punkte arbeiten“, sagt Gudmestad. Weiter geht die Arbeit am Montag, wenn die Sport-Union wieder ins Mannschaftstraining einsteigt.