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Watson vor Gericht: Der erste Prozessbegleithund Deutschlands

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Begleithunde helfen Kindern und Jugendlichen, die bei Prozessen vor Gericht aussagen. Die emotionale Belastung für die jungen Zeugen, die beispielsweise sexuell missbraucht wurden, ist groß. Mit Watson an ihrer Seite gewinnt deren Aussage an Qualität.

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Watson (links) und der noch junge Al Capone, der als Begleithund ausgebildet wird, verstehen sich gut. Foto: Jürgen Kümmerle
Watson (links) und der noch junge Al Capone, der als Begleithund ausgebildet wird, verstehen sich gut. Foto: Jürgen Kümmerle

Gerichtssaal Nummer vier im Amtsgericht Stuttgart. Hier könnte in Kürze ein Prozess wegen Kindesmissbrauchs starten. Bei solchen Verfahren hat Watson mal wieder seinen großen Auftritt. Auf ihm lastet eine große Verantwortung. Er muss ein Kind, das als Zeuge auftritt, bei dessen Aussage unterstützen.

Dabei ist Watson erst drei Jahre alt. Der Golden-Retriever-Rüde ist zu einem Zeugen- und Prozessbegleithund ausgebildet. Seine Aufgabe: Während eines Prozesses liegt der Hund auf einer Decke dicht neben dem Kind oder Jugendlichen. Die meisten jungen Zeugen sind zwischen sieben und 15 Jahre alt. Sobald Watson sein Halstuch umgebunden bekommt, weiß er: Jetzt beginnt die Arbeit.

„Es reicht die bloße Präsenz des Hundes, um die Kinder oder Jugendlichen zu beruhigen“, sagt Sabine Kubinski, Sozialarbeiterin und Sozialpädagogin beim Verein Prävent-Sozial in Stuttgart. Trifft ein junger Mensch beim Prozess wegen sexuellen Missbrauchs bei seiner Aussage auf den Täter, sei dies oft mit sehr viel Stress verbunden. Watson sorge dafür, dass das Anti-Stress Hormon Oxytozin ausgeschüttet wird. Der Zeuge ist ruhiger, die Aussage besser. „Weniger verunsicherte Zeugen machen qualitativ bessere Aussagen.“

Watson bricht das Eis

Das Vertrauen zu Erwachsenen sei gerade bei Minderjährigen oftmals gestört. „Der Umgang mit Menschen kann vorbelastet sein.“ Watson fungiere als Eisbrecher. Die Taten, weswegen die jungen Zeugen vor Gericht aussagen müssen, beträfen häusliche Gewalt, sexueller Missbrauch oder Tötungsdelikte. Während des Prozesses gelte es, das Anzeigeverhalten des Hundes zu trainieren. „Spürt Watson, dass der Zeuge oder die Zeugin beim Prozess unruhig wird, nimmt er Blickkontakt mit uns auf.“

Die erfahrene Hundehalterin wirke aus der Distanz mit einem Handzeichen beruhigend auf Watson ein. Er bleibt auf seiner Decke liegen. „Bei einer polizeilichen Vernehmung gibt es die Möglichkeit, eine Vernehmung auch mal zu unterbrechen, wenn der Minderjährige nervös wird.“ Vor Gericht sei dies nicht so einfach möglich. 

Lisa Huzel mit Watson. Foto: Jürgen Kümmerle
Lisa Huzel mit Watson. Foto: Jürgen Kümmerle

Kubinski hat das Projekt Prozessbegleithund vor einem Jahr ins Leben gerufen. Stuttgart leistet in diesem Bereich Pionierarbeit. „Watson ist der erste Prozessbegleithund in Deutschland. Mittlerweile gibt es noch einen, irgendwo im Norden“, sagt die 30-Jährige. Watson gehört Lisa Huzel. Die 28-jährige Studentin möchte ebenfalls Sozialarbeiterin werden.

Ausbildung kostet zwischen 2500 und 5000 Euro

Voraussetzung, damit aus einem Hund ein Prozessbegleithund wird, ist zunächst eine Ausbildung zum Therapiebegleithund. Das Mindestalter beträgt 15 Monate. Zwischen eineinhalb und zweieinhalb Jahren dauert es, bis der Hund fertig ausgebildet ist. Auf die Frage, wie viel so eine Ausbildung kostet, sagt Kubinski: „Zwischen 2500 und 5000 Euro.“

Diese Ausbildung steht dem jüngsten Mitglied der Gruppe noch bevor. Kubinski hat einen 17 Woche alten Altdeutschen Schäferhund. Er hilft bereits fleißig mit. Denn er soll nicht nur Prozessbegleithund werden. Der Welpe geht auch ein Mal pro Woche ins Frauenhaus.

Später soll der Hund Sozialarbeiter bei ihrer Arbeit mit Straftätern unterstützen. „Hunde zeigen kein nachtragendes Verhalten. Das wird von Straftätern als sehr wertschätzend empfunden.“ Watson und der Welpe scheinen bereits dicke Kumpel zu sein. Im freien Spiel balgen sich die beiden und Watson lässt dem Jüngeren so einiges durchgehen. Der Name des Kleinen: Al Capone.

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