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Mensch und Hund - immer beste Freunde?

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Manche Menschen leben mit Hund gesünder, weil sie sich mehr bewegen. Anderen ersetzt ein Hund sogar zwischenmenschliche Beziehungen. Wann wird das Verhältnis zwischen Hund und Halter problematisch? Die Psychologin Silke Wechsung hat Antworten.

von Alexander Klug
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Mensch und Hund haben eine ganz besondere Beziehung, und das schon seit vielen Jahrtausenden. Doch hat sie sich über die Jahre verändert, gerade in jüngster Zeit? Was hat es mit dem einen oder anderen Trend im Hund-Halter-Verhältnis auf sich? Darüber und vieles andere haben wir mit der Psychologin Dr. Silke Wechsung gesprochen. Sie hat für ein Forschungsprojekt am Psychologischen Institut der Universität Bonn 3000 Hundehalter befragt.

Haben Sie einen Hund, Frau Dr. Wechsung?

Silke Wechsung: Ja. Ich hatte zur Zeit der Untersuchung einen Hund, einen Riesenschnauzer. Er ist leider inzwischen gestorben. Heute habe ich wieder einen Hund, einen englischen Setter.

 

Wie würden Sie Ihr Verhältnis zu Ihrem Hund beschreiben?

Wechsung: Respekt und Vertrauen sind für mich wichtig. Aber es muss auch klar sein, wer die Entscheidungen trifft.

 

Wie meinen Sie das?

Wechsung: Es ist ein bisschen wie dem Verhältnis Eltern-Kind. Gerade bei kleinen Kindern handelt es sich dabei auch nicht um eine gleichberechtigte Freundschaft, sondern Eltern tragen die Verantwortung und haben eine Fürsorgepflicht. Auch als Hundehalter trage ich die Verantwortung für meinen Hund und treffe die Entscheidungen. Wenn wir an der Straße stehenbleiben müssen, bleiben wir stehen. Das diskutiere ich nicht aus. Alles andere wäre verantwortungslos. Der Hundehalter hat die Führungsrolle inne. Das ist vergleichbar mit einem guten Chef.

 

Gibt es da Parallelen?

Wechsung: Auf jeden Fall. Erfolgreiche Führung im Unternehmen funktioniert nur über ein Vertrauensverhältnis im Team, das dem zwischen Hund und Halter durchaus ähnelt. Es funktioniert am besten, wenn der Chef klar, berechenbar und verlässlich ist. Mitarbeiter reagieren genau wie Hunde irritiert, wenn sie nicht wissen, wo sie dran sind. Wenn der Chef oder der Halter starken Stimmungsschwankungen unterliegt und mal so, mal so drauf ist. Nicht entscheidet, sich inkonsequent verhält, unempathisch ist. Oder, auch nicht gut, gar nicht wirklich Chef sein will. Dann funktioniert Führung nicht. Die muss ich aber als Hundehalter übernehmen, weder der Hund noch andere dürfen in Gefahr gebracht werden. Der Hund muss dazu nicht 100 Kunststückchen können, aber die Kontrolle des Halters muss so weit reichen, dass er ihn jederzeit abrufen kann, wenn er ohne Leine läuft.

 

Silke Wechsung hat rund 3000 Hundehaltern befragt, um Erkenntnisse über das Verhältnis von Mensch und Hund zu sammeln.  Sie ist auf einige Parallelen zwischen Menschen- und Hundewelt gestoßen. Foto:  privat
Silke Wechsung hat rund 3000 Hundehaltern befragt, um Erkenntnisse über das Verhältnis von Mensch und Hund zu sammeln. Sie ist auf einige Parallelen zwischen Menschen- und Hundewelt gestoßen. Foto: privat

Genau da scheint es ein Problem zu geben. Beim Respekt vor den Rechten und der Freiheit anderer. Anderer Hundebesitzer, anderer Menschen überhaupt.

Wechsung: Die Tendenz, die eigenen Rechte über die anderer zu stellen, ist immer problematisch, nicht nur in der Hundehaltung. In allen Lebensbereichen muss ich akzeptieren, dass die eigene Freiheit dort endet, wo dadurch die Freiheit anderer eingeschränkt wird. Hier ist der Halter gefordert, nicht der Hund. Natürlich müssen Hundehalter respektieren, dass andere Menschen nichts mit ihren Hunden zu tun haben wollen. Werden aber die Regeln eingehalten, können Hundehalter im Gegenzug einfordern, dass Nicht-Hundehalter die Tiere in der Gesellschaft tolerieren. Denn die große Mehrheit der Hundehalter und auch die Gesellschaft als Ganzes ziehen viele Vorteile aus dem Zusammenleben mit Hunden.

 

Zum Beispiel?

Wechsung: Hunde sind mittlerweile ein nicht unerheblicher Wirtschaftfaktor, auch soziale, gesundheitliche und psychologische Effekte sind wissenschaftlich belegt. Viele Menschen leben gesünder mit Hund. Sind mehr in der Natur, bewegen sich mehr. Hunde tragen zur Reduzierung von Stress bei, sorgen für Lebensfreude und erleichtern das Kennenlernen anderer Menschen, um nur ein paar Beispiel zu nennen. Ein Drittel der befragten Halter sagt, dass  der Hund ein wichtiger oder sogar der wichtigste Partner in ihrem Leben ist.

 

Klingt gar nicht so gut.

Wechsung: Das kommt drauf an. Der Hund gibt vielen das, was sie in zwischenmenschlichen Beziehungen vermissen, dabei geht es nicht nur um Singles oder Paare mit unerfülltem Kinderwunsch. Enge Bindung, Nähe, Kontakt, sich geliebt, bedingungslos angenommen und bewundert zu fühlen. Hunde bewerten uns nicht nach Aussehen oder Status, haben keine Vorurteile und sind nicht nachtragend. Sie widersprechen nicht und freuen sich immer, ihre Halter zu sehen.

 

Ist so mancher Grad an Vermenschlichung nicht, sagen wir, unangebracht?

Wechsung: Meiner Meinung nach kann man seinen Hund so lange vermenschlichen, bis es jemandem schadet. Das kann der Hund sein, weil er deswegen nicht artgerecht gehalten und überfordert wird. Das können aber auch ein zwischenmenschlicher Partner, Kinder oder Familie sein, die sich vernachlässigt fühlen. Sobald jemand darunter leidet, sollte man sich Gedanken machen und etwas ändern. Es gibt Menschen, da sitzt der Hund vorne im Auto und der Ehepartner hinten. Da wird aufwendig für den Hund gekocht und die Kinder bekommen Fast Food. Viele Beziehungen bereichert ein Hund, andere belastet er. Darüber muss man offen reden. Mir machen aber auch zwei andere Trends Sorgen.

 

Woran denken Sie?

Wechsung: In Coronazeiten haben viele Menschen mehr Zeit zu Hause, haben weniger ihrer sozialen Kontakt getroffen, arbeiten im Homeoffice. Der Wunsch nach einem Haustier hat extrem zugenommen. Manche Züchter führen Wartelisten, die Vermittlung von Hunden und Katzen hat Hochkonjunktur. Die Frage wird sein, was passiert, wenn alles wieder normal läuft. Wenn alle wieder ins Büro umziehen und normal gereist wird. Ich fürchte, dass sich dann herausstellt, dass sich so mancher doch nicht so genau überlegt hat, ob ein Hund zeitlich, finanziell und familiär auch langfristig in seine Lebenssituation passt.

 

Und zweitens?

Wechsung: Sorgen bereitet mir auch der Trend, Haustiere im Allgemeinen und Hunde im Besonderen als Prestigeobjekte zu missbrauchen.In Zeiten von Social Media und zunehmende Selbstinszenierung laufen Hunde Gefahr, in die Selbstaufwertung ihrer Halter einbezogen zu werden. Generell ist es problematisch, wenn Leute den Hund nur nach äußeren Merkmalen, seinem Aussehen auswählen. Das führt dazu, dass Menschen nicht darauf achten, ob die Eigenschaften der ausgewählten Hunderasse zu ihren Lebensumständen und ihrer Art der Hundehaltung passen. Sich zum Beispiel agile Jagdhunde anschaffen, die aber gar nicht jagen dürfen, sondern in der Einkaufsstraße mit den Besitzern shoppen gehen sollen. In unserer Studie hat die deutliche Mehrheit der Teilnehmer das Aussehen als wichtigstes Kriterium für die Wahl des Hundes genannt. Da ist die Gefahr groß, dass die Bedürfnisse des Hundes schon bei der Anschaffung nicht im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen.

 

Gibt es nicht sogar Beauty und Wellness für Hunde?

Wechsung: Oft gehen Hundehalter fälschlicherweise davon aus, dass all das, was sie selbst mögen, auch gut für den Hund ist. Und Menschen können Hunden ihren eigenen Lebensstil, ihre eigenen Bedürfnisse auferlegen. Aber nicht alle Interessen und Bedürfnisse stimmen überein. Hunde möchten gerne draußen sein, rennen, spielen, manche springen gerne in Pfützen, schwimmen, machen sich dreckig. Entscheidend ist, dass sich der Halter damit beschäftigt, was sein Hund braucht. Wenn ein Hund bei seinem Halter Hund sein darf, dann geht’s ihm gut. Aber dazu muss der Halter offen dafür sein, dass die Bedürfnisse hin und wieder unterschiedlich sind.

 

Zur Person

Dr. Silke Wechsung ist Diplom-Psychologin, Personalentwicklerin und Hundebesitzerin. Als Forschungsleiterin des Projekts „Mensch und Hund“ am Psychologischen Institut der Universität Bonn hat sie die Mensch-Hund-Beziehung jahrelang wissenschaftlich erforscht, über 3000 Hundehalter interviewt und auf Basis der Aussagen eine Studie erarbeitet. Außerdem hat sie in Folgeuntersuchungen über Jahre das Verhalten von Hund und Halter beobachtet.

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