Hammer und Klöppel in der Fleiner St.-Veit-Kirche sind programmiert
So funktioniert das: Die Glocken in der evangelischen Kirche in Flein werden über einen Läuteautomat gesteuert. Im Krieg musste das kleinstes Exemplar angeschubst werden.

Heutzutage ist es nicht mehr mit einem Kraftaufwand verbunden. Die Zeiten, in denen ein Seil durch den Glockenstuhl herab hing, Ministranten oder Mesner mit Einsatz ihres ganzen Körpergewichts daran zogen, um die Glocken in Schwingung zu bringen, sind längst vorbei. Seit Jahrzehnten, weiß Brigitte Lang. Heute ist alles automatisiert. Die Mesnerin der evangelischen St.-Veit-Kirche in Flein setzt Hammer und Klöppel der Instrumente hoch oben im Turm quasi per Knopfdruck in Bewegung.
Vor der Sakristei hängt der Läuteautomat an der Wand. Auf dem Display leuchten in roten Zahlen Datum, Uhrzeit und Modus. Die Glocken im Turm sind verkabelt, jede hat einen eigenen Elektronikkasten. Im Modus programmiert Lang ein, welche Glocke, wie lange schlagen muss. Das tägliche Elf-Uhr-Läuten dauert zum Beispiel drei Minuten. Zwei der vier Glocken sind nicht nur zum Läuten da. Die tonnenschwere Betglocke führt den Stundenschlag aus. Dazu ist an einer Eisenstrebe ein klobiger Stahlhammer befestigt, der die Bronze von außen anschlägt. Viertel-, Halb-, Dreiviertel- und Vollstundenschläge erledigt die kleinere Zeichenglocke.
Taufglocke hing im Zweiten Weltkrieg einsam im Turm
Im Zweiten Weltkrieg blieb in Flein die Kirchturmuhr stumm. Denn wie schon 1917 und 1918 mussten die Instrumente 1942 abgehängt werden, um für Kriegszwecke eingeschmolzen zu werden. Am 22. Februar fand dazu ein Abschiedsgottesdienst statt, wie aus der Festschrift "750 Jahre Flein 1233 - 1983" hervor geht. So hing die kleine Taufglocke einsam im hölzernen Glockenstuhl. Brigitte Lang hat von ihrer Vor-Vorgängerin erfahren, dass in Ermangelung eines Seils das Instrument angeschubst werden musste. Für jedes Läuten war es somit erforderlich, die 72 Stufen hinauf zu steigen. Verständlich, dass da der Stundenschlag ausfiel.
Im Läuteautomat können jährliche, wöchentliche und tägliche Termine eingegeben werden. So macht sich die Mesnerin zu Jahresbeginn daran, die Feiertage wie Ostern und Weihnachten sowie die Konfirmation aufzunehmen. Inzwischen ist eine neue Generation des Automaten geliefert, der WLAN-fähig ist, so Lang vom "Schaltpult" in der Kirche wie am eigenen PC zu Hause darauf zugreifen kann.
Kirchengemeinderat erlässt die Läuteordnung

Der evangelische Kirchengemeinderat hat zuletzt am 4. Februar 2013 die Läuteordnung geändert. Der Tagesablauf reicht vom Angelusläuten um 6 Uhr bis zum Abendläuten um 18 Uhr während der Winterzeit und um 20 Uhr während der Sommerzeit. Die Bet- und Kreuzglocke wechseln sich dabei ab. Mit Beginn des Lockdowns hat Mesnerin Lang die Programmierung ändern müssen. So ertönt seit März um 19.30 Uhr die schwerste Glocke, um ans Gebet zu erinnern.
Früher orientierten sich die Menschen am Stundenschlag. Mit dem Abendläutern hätten die Bauern gewusst, dass es Zeit sei, heim zu gehen, sagt Lang, die selbst oft auf die Glockenschläge hört anstatt auf ihre Armbanduhr zu schauen. Oder abends einfach auch mal mitzählt, um zu wissen, wie spät es ist.
Großeinsatz zum Sonntagsgottesdienst
Zum Sonntagsgottesdienst sind die Glocken eifrig im Einsatz. Schon samstags wird um 15 Uhr eingeläutet - mit allen vier Glocken. Das Vorläuten am Sonntag besorgt die Betglocke, das zweite Vorzeichen die Kreuzglocke. Wenn es Zeit für den Kirchgang ist, "ruft" das komplette Quartett. Zum Vater-Unser hat das größte Exemplar sein Solo. Bei den Kasualien, Taufen, Trauungen und Beerdigungen, wird nachgeläutet. "Das Schiedläuten war früher normal", berichtet Lang von einer Tradition, die sich immer mehr verliert: Stirbt ein Gemeindemitglied wird das drei bis fünf Minuten lang um 9 Uhr "verkündet".

Es kommt schon mal vor, dass die Glocken ein Eigenleben führen. "Einmal hat der Blitz eingeschlagen, dann war die Programmierung durcheinander", erzählt Lang, die immer wieder zur Kontrolle in den Glockenstuhl steigt, aus ihrer 18-jährigen Mesnertätigkeit.
"Wenn alle Glocken zusammen läuten, ist das ein erhebendes Gefühl. Das habe ich als Kind schon so empfunden", sagt Lang. Sie war auch einmal beim Glockengießen dabei und fasziniert davon.
Daten zu den Glocken
Die St.-Veit-Kirche verfügt über vier Glocken. Die schwerste ist die Betglocke (Ton e") mit 1170 Kilogramm und 127 Zentimetern Durchmesser. Die Kreuzglocke (Ton g") wiegt 680 Kilogramm und hat einen Durchmesser von 104 Zentimeter. 86 Zentimeter sind es bei der Zeichenglocke (Ton a") mit 400 Kilogramm und 77 Zentimeter bei der Taufglocke (Ton c") mit 280 Kilogramm. Weil auch im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen, mussten die A- und G-Glocke 1949 neu gegossen werden. Von 1965 stammt die schwerste Glocke. Erst der damals eingebaute stählerne Glockenstuhl konnte sie tragen.