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Corona-Protokolle des RKI geleakt: Warum der Skandal trotzdem ausbleibt

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Nach der Veröffentlichung ungeschwärzter Protokolle aus dem Corona-Krisenstab des Robert-Koch-Instituts herrscht vor allem im Netz große Aufregung. 


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Im Internet sind rund 4000 Seiten umfassende Protokolle des Corona-Krisenstabs am Robert-Koch-Institut (RKI) veröffentlicht worden. Sie sind ungeschwärzt und sollen von einem ehemaligen RKI-Mitarbeiter stammen. Vor allem in sozialen Netzwerken herrscht nun große Aufregung, manche Nutzer meinen, ein „Schwindel“ von Politik und Medien rund um die Pandemie sei mit den Protokollen entlarvt worden. Darum geht es:

Das RKI hatte bereits Protokolle des Krisenstabs veröffentlicht, was ist nun neu?

Ende Mai hat das RKI die Protokolle des Covid-19-Krisenstabs von Januar 2020 bis April 2021 auf seiner Internetseite zur Verfügung gestellt. Geschwärzt sind darin laut RKI nur personenbezogene Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter. Auch die Protokolle von Mai 2021 bis Juli 2023 sollen laut RKI nach entsprechender Prüfung „so schnell wie möglich veröffentlicht werden“.

Nun hat die freie Journalistin Aya Velázquez umfassende Dokumente zum Download bereitgestellt. Zur Quelle des Materials schreibt sie auf X (früher Twitter): „Ein/e Whistleblower/in, ein/e ehemalige Mitarbeiter/in des Robert-Koch-Instituts, ist auf mich zugekommen und hat mir den Datensatz zugespielt.“ Flankierend gab es eine Pressekonferenz in Berlin, bei der unter anderem Stefan Homburg, früher Professor für Öffentliche Finanzen an der Leibniz Universität Hannover, anwesend war. Von ihm stammen einige kontroverse Äußerungen aus der Pandemiezeit, manche rücken ihn in die Nähe des Coronaleugner-Lagers


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Was ist aus den RKI-Protokollen herauszulesen?

Angesichts des sehr umfangreichen Materials und Mitschriften, die ohne Kontext schwer zu deuten sind, wird es noch einige Zeit dauern, bis das Material umfassend ausgewertet ist. Auf den ersten Blick lässt sich sagen: Die Protokolle offenbaren, dass in dieser Zeit auch beim RKI teils einige Unsicherheit geherrscht hat. Manche Bewertungen haben sich im Nachhinein auch als falsch herausgestellt. So heißt es zum Beispiel in der ersten Sitzung am 16.01.2020 zur Risikobewertung: „Risiko des Eintrags nach Deutschland gering, Risiko der Weiterverbreitung in der deutschen Bevölkerung als sehr gering“.

Ersichtlich wird auch, dass das RKI wohl an einigen Stellen mit politischer Einflussnahme oder zumindest Versuchen zu kämpfen hatte. An einer Stelle, an der es um das Kontaktnachverfolgungsmanagement geht, heißt es: „Eine derartige Einflussnahme seitens des BMG in RKI-Dokumente ist ungewöhnlich. (...) Die wissenschaftliche Unabhängigkeit des RKI von der Politik ist insofern eingeschränkt.“ BMG steht für Bundesgesundheitsministerium, das RKI ist dessen nachgeordnete Behörde, Minister war zu dieser Zeit Jens Spahn (CDU).

Später, unter Minister Karl Lauterbach (SPD), soll sich das geändert haben, auch darauf deuten die Protokolle hin: So heißt es am 13.12.2021, kurz nach Amtsantritt der Ampel-Regierung: „Minister sieht kein Problem darin, wenn keine Übereinstimmung zwischen RKI und Expertenrat besteht, wissenschaftliche Diskussion mit inhaltlichem Streit ist möglich“.

Worüber wird besonders heftig diskutiert?

In sozialen Netzwerken sorgte der Begriff „Pandemie der Ungeimpften“ aus den Protokollen (Sitzung vom 5. November 2021) für einige Diskussionen, einige Politiker und Medien hatten ihn damals verwendet. Diese Art der Kommunikation war offenbar nicht ganz korrekt. „Aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei. Soll das in Kommunikation aufgegriffen werden?“ heißt es darin. Und weiter: „Sagt Minister bei jeder Pressekonferenz, vermutlich bewusst, kann eher nicht korrigiert werden.“


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So sagte Jens Spahn etwa am 3. November 2021: „Wir erleben gerade vor allem eine Pandemie der Ungeimpften – und die ist massiv.“ Gegenüber der ARD-„Tagesschau“ ordnet der Virologe Martin Stürmer ein: „Die Formulierung ,Pandemie der Ungeimpften‘ ist etwas überspitzt, weil sie suggeriert, dass sich nur Ungeimpfte anstecken.“ Das stimme so nicht. „Es haben sich ja auch immer wieder Geimpfte angesteckt. Natürlich nicht in dem Ausmaß wie Ungeimpfte, aber es hat natürlich den falschen Eindruck erweckt, dass die Ungeimpften die absoluten Pandemietreiber sind.“

Auch damals gab es schon Kritik am Begriff „Pandemie der Ungeimpften“, sie wurde unter anderem vom renommierten Virologen Christian Drosten von der Berliner Charité vorgebracht: Er sagte in einem Interview mit der „Zeit“ im November 2021: „Es gibt im Moment ein Narrativ, das ich für vollkommen falsch halte: die Pandemie der Ungeimpften. Wir haben keine Pandemie der Ungeimpften, wir haben eine Pandemie. Und wir haben Menschen, die noch sehr gefährdet sind, die älteren Ungeimpften.“


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Worum geht es außerdem?

Vor allem um das Tagesgeschäft des RKI, um Fallzahlen, Statistiken, Todesfälle, zudem wird die Kommunikation zu bestimmten Themen in dem Gremium abgestimmt. Vieles ist aus heutiger Sicht kaum mehr zeitlich nachzuvollziehen. 

Welche Reaktionen gibt es auf die Veröffentlichung der RKI-Protokolle?

Das RKI reagierte mit einer Stellungnahme auf seiner Internetseite, in der es heißt: „Das RKI hat die Datensätze weder geprüft noch verifiziert. Soweit in diesen Datensätzen personenbezogene Daten und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Dritter rechtswidrig veröffentlicht und insbesondere Rechte Dritter verletzt werden, missbilligt das RKI dies ausdrücklich.“ Minister Lauterbach schreibt bei X, das RKI habe ohnehin mit seiner Zustimmung vorgehabt, „die RKI-Files des Corona-Krisenstabs zu veröffentlichen“. Nun geschehe es ohne den vorherigen Schutz der Rechte Dritter, auch von Mitarbeitern. „Zu verbergen gibt es trotzdem nichts.“

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