Superspreader auf dem Stuttgarter Frühlingsfest? Wie es zu mehr als 800 Magen-Darm-Fällen kommen konnte
Besuch auf dem Stuttgarter Frühlingsfest mit Folgen: Die Zahl der Magen-Darm-Erkrankungen ist auf mehr als 800 gestiegen. Bei einigen Fällen wurde das Norovirus nachgewiesen. Wie konnte es dazu kommen?

Hunderte Menschen haben nach einem Besuch auf dem Stuttgarter Frühlingsfest über teils heftige Magen-Darm-Beschwerden geklagt. Nach aktuellen Informationen der Deutschen Presse-Agentur haben sich mittlerweile 807 Menschen bei den Behörden gemeldet. Die Stadt Stuttgart hat bestätigt, dass in fünf Laborproben das Norovirus nachgewiesen wurde. Die Größenordnung des Ausbruchs hat ein bundesweites Medienecho hervorgerufen. Aber wie konnte es überhaupt dazu kommen? Kann man bereits von einem Superspreader-Event sprechen?
Noroviren sind hochinfektiös. "Die Erreger werden von Erkrankten massenhaft mit dem Stuhl und dem Erbrochenen ausgeschieden und sind hoch ansteckend", erklärt Pressesprecherin Claudia Krüger vom Gesundheitsamt Baden-Württemberg. Viren können sich laut Krüger nur in Zellen vermehren und über Körperflüssigkeiten sowie kontaminierte Gegenstände und Lebensmittel verbreitet werden. "Die Verbreitung erfolgt von Mensch zu Mensch über Schmier- und Tröpfcheninfektionen."
Superspreader im Göckelesmaier-Zelt? Warum sich so viele mit dem Norovirus infiziert haben könnten
Die minimale Infektionsdosis liegt laut Krüger bei circa zehn bis 100 Viruspartikeln. Dr. Tobias Neuwirth, Allgemeinmediziner in Neckarsulm spricht gegenüber der Heilbronner Stimme sogar von fünf bis zehn Viruspartikeln, die für eine Übertragung ausreichen. Ein Infizierter könne laut Neuwirth daher durch Husten eine Vielzahl von Leuten anstecken. „Ich halte es deshalb für am wahrscheinlichsten, dass die Masseninfektion auf dem Frühlingsfest durch einen infizierten Gast im Zelt ausgelöst wurde.“
Dabei handelt es sich aber lediglich um eine Vermutung. Die genaue Ursache für den Norovirus-Ausbruch auf dem Stuttgarter Frühlingsfest wurde noch nicht ermittelt, wie Krüger vom Gesundheitsministerium sagt. Das bestätigt eine Sprecherin der Stadt auch gegenüber der "Deutschen Presse-Agentur" (dpa). Vermutlich könne diese Frage auch nicht geklärt werden. Man gehe aber weiterhin von einer Mensch-zu-Mensch-Übertragung aus. Das vermutet auch der Wasenwirt vom Göckelesmaier, in dessen Festzelt die Ansteckungswelle ausbrach.
"In der Regel und aus der Erfahrung erfolgt ein Infektionsgeschehen dieser Größenordnung am ehesten durch eine Übertragung über kontaminierte Lebensmittel oder Oberflächen", gibt Krüger an. Die Theorie, dass der Ausbruch durch kontaminierte Lebensmittel hervorgerufen wurde, gilt mittlerweile aber als unwahrscheinlich.
"Es wurden inzwischen Proben der Speisen und Getränke entnommen – die Befunde sind negativ", schreiben die Göckelesmaier-Betreiber in einer Mitteilung. "Hygieneverstöße gab es ebenfalls nicht, auch das haben die behördlichen Prüfungen bestätigt." Auch die Stadt Stuttgart widerlegt die Theorie, dass die Lebensmittel schuld sind. "Dass es am Essen lag, ist definitiv nicht der Fall", gab die Sprecherin gegenüber der Heilbronner Stimme an.
Mehr als 800 Betroffene: Noroviren können auch außerhalb vom Frühlingsfest aufgetreten sein
Krüger weist auch darauf hin, "dass Noroviren aktuell unabhängig von dem vorliegenden Ausbruchsgeschehen in der Bevölkerung zirkulieren. Daher können sporadische Norovirus-Infektionen auftreten, die in keinem Zusammenhang mit dem Geschehen stehen".
Noroviren kommen weltweit vor. Dem Landesgesundheitsamt liegen bislang keine anderen Fälle vor, die in einem Festzelt ausgebrochen sind – auch wenn die Ansteckungsgefahr dort sehr hoch ist, wie ein Mediziner erklärt. Aber es gebe vielfache Berichte über Ausbrüche nach Veranstaltungen mit Catering, Straßenfesten und Musikfestivals sowie auf Kreuzfahrtschiffen. "International werden lebensmittelbedingte Norovirus-Ausbrüche mit mehreren hundert Erkrankten beschrieben", gibt Krüger an. Auch Pflegeeinrichtungen und Kindertagesstätten sind immer wieder betroffen.
Norovirus ist auch nach Abklingen der Symptome hochansteckend
Die Inkubationszeit von Ansteckung bis Ausbruch der Magen-Darm-Erkrankung betrage wenige Tage, erklärt Arzt Neuwirth. „Dann geht es schlagartig mit Übelkeit, Erbrechen in Kombination mit Durchfall los. Das hält einige Tage an und ist wirklich heftig“, so Neuwirth. Da man durch die Symptome viel Flüssigkeit verliere, müssten besonders erkrankte Kinder und ältere Menschen darauf achten, genug zu trinken, um nicht auszutrocknen.
"Die höchste Ansteckungsgefahr geht von Patienten aus, die sich auf dem symptomatischen Höhepunkt der Erkrankung befinden – also während sie unter akutem Brechdurchfall leiden", sagt Krüger. Noch ein bis zwei Tage nach Abklingen der Symptome seien Infizierte hochansteckend. Deshalb dürfen Betroffene erst 48 Stunden nach Abklingen der Symptome wieder zur Arbeit gehen.
Einen hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion in geschlossenen Räumlichkeiten wie einem Festzelt gebe es nicht. „Man sollte aber darauf achten, sich regelmäßig die Hände zu waschen und zu desinfizieren. Wenn möglich, genug Abstand zu anderen Menschen einhalten.“ Auch eine FFP2-Maske schütze vor einer Infektion, „ob man die allerdings auf einem Fest tragen will, bezweifle ich“. Was Erkrankte vom Frühlingsfest beachten sollten, lesen Sie hier.