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Sinsheimer Kinderarzt wird deutlich: "Westlich von Heilbronn geht es mit der kinderärztlichen Versorgung bergab"

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Folkert Fehr ist Kinderarzt in Sinsheim im Rhein-Neckar-Kreis. Seine Praxis ist auch für Kinder und deren Eltern aus der Region Heilbronn eine wichtige Anlaufstelle. Sinnvoll ist eine derart weite Anfahrt nicht, doch Patienten bleibt häufig keine andere Wahl.

Kinderarzt Folkert Fehr weiß nur zu gut, wie angespannt die Lage bei der kinderärztlichen Versorgung ist.
Kinderarzt Folkert Fehr weiß nur zu gut, wie angespannt die Lage bei der kinderärztlichen Versorgung ist.  Foto: dpa (links) / privat (rechts)

Erst kürzlich hatten Kinderärzte im Rems-Murr-Kreis ihre Praxen bei einer Protestaktion geschlossen. Auch der Neckarsulmer Mediziner Boris Brand hatte jüngst vor einer weiteren Verknappung der Versorgung für Kinder und Jugendliche gewarnt. Folkert Fehr sieht täglich Kinder aus dem westlichen Teil der Region Heilbronn in seiner Praxis. Dort breche die kinderärztliche Versorgung gerade wegen eines Mangels an Praxisnachfolgern zusammen, sagt Fehr. Der Kinder- und Jugendarzt betreibt eine große Gemeinschaftspraxis mit sieben Fachärzten und insgesamt 31 Angestellten in Sinsheim (Rhein-Neckar-Kreis).

Minister Lucha hat zum Symposium nach Stuttgart geladen, um Wege aus der Krise in der Kinder- und Jugendmedizin zu finden. War die Veranstaltung ein Erfolg?

Folkert Fehr: Die Vorzeichen für Veränderungen waren noch nie so günstig wie jetzt. Politisch ist unsere Botschaft, dass wir dringend Unterstützung brauchen, endlich verstanden. Auch innerhalb des Fachgebiets sind wir geeint, Kliniken und niedergelassene Ärzte sind in derselben schwierigen Lage. Und die Allgemeinärzte vor Ort, von denen es ja auch immer weniger gibt, sind nicht scharf darauf, auch noch die Versorgung von Patienten unter 18 Jahren mit zu übernehmen.


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Wer Kinder hat und einen Arzt sucht, weiß schon lange, wie angespannt die Lage ist. Warum hat die Politik so lange nicht reagiert?

Fehr: Die Kinderärzte haben vielleicht bislang zu wenig darauf aufmerksam gemacht, dass sie am Limit sind. Alle dachten, Kinder und Jugendliche seien gut versorgt in unserem Land. Aber nichts läuft mehr prächtig.


Sie haben Ihre Praxis in Sinsheim und sagen, Sie betreuen täglich Dutzende Kinder aus dem Landkreis Heilbronn.

Fehr: Ja, unser Laden wächst wie Bambus, während die Wiese drumherum verdorrt. Westlich von Heilbronn geht es mit der Versorgung gerade dermaßen bergab, dass ich täglich Anfragen von dort habe. Und das wird noch schlimmer werden. Die Kolleginnen in Eppingen wollen in Rente, in Bretten genauso. Auch in Mosbach haben zwei Kollegen dicht gemacht. Also landen die Kinder bei uns. Aber sinnvoll ist es nicht, wenn man mit seinem Kind so weit fahren muss, wenn es krank ist − oder für die Vorsorge-Untersuchungen.


Noch einmal die Frage: Wie bewerten Sie die Ergebnisse des Symposiums?

Fehr: Alle Lösungen liegen auf dem Tisch und alle Beteiligten wollen aktiv Teil der Lösung sein. Auch dass der Minister eine finanzielle Übergangsregelung in Aussicht gestellt hat, bis der Paragraf des Sozialgesetzbuchs geändert ist, der sich mit der ärztlichen Weiterbildung befasst, ist positiv. Das ist nämlich unser größtes Problem.


Worum geht es dabei?

Fehr: Im Kern um die Gleichstellung der Kinder- und Jugendmedizin mit der Allgemeinmedizin. Die Weiterbildungsförderung für Kinder- und Jugendärzte ist ausgetrocknet, weil wir in einem Topf mit anderen Fachärzten sind. Wir fordern, dass das Budget aus dem Topf für die Allgemeinmedizin kommt, denn der ist nicht gedeckelt und unerschöpflich.


Beim Symposium wurde auch diskutiert, ob und wie Allgemeinärzte stärker in die Versorgung von Kindern und Jugendlichen eingebunden werden können.

Fehr: Aus meiner Sicht geht dieser Vorschlag völlig an der Realität vorbei. In Baden-Württemberg sind über 900 Allgemeinarzt-Sitze nicht besetzt, wie wir von der Kassenärztlichen Vereinigung gehört haben. In vielen Gemeinden gibt es schon jetzt keinen Hausarzt mehr. Und aus meiner Erfahrung kann ich sagen: Wenn ein Hausarzt ein Kind sieht, das zusätzlich zu seiner akuten Erkrankung nicht komplett gesund ist, schickt er dieses Kind sowieso sofort weiter zum Kinderarzt. Die beim Symposium geäußerte These, dass Allgemeinärzte zu 40 Prozent an der Versorgung von Kindern und Jugendlichen beteiligt seien, ist aus meiner Sicht kompletter Quatsch.

Zur Person: Dr. Folkert Fehr (54) betreibt mit Jan Buschmann in Sinsheim eine Gemeinschaftspraxis und ist Pressesprecher des Berufsverbands für Kinder- und Jugendärzte BVKJ.

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