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Was, wenn die großen Kaufhäuser schließen? Suche nach neuen Konzepten für attraktive Innenstädte

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Leerstände dominieren vielerorts das Stadtbild, durch Kaufhaus-Schließungen drohen weitere, noch größere Probleme. Doch es gibt Konzepte, die einen Aufbruch hin zu neuem Leben für die Innenstädte versprechen. Taugen sie als Vorbild für Heilbronn?

Deutschlands Innenstädte drohen in einen neuen Abwärtssog zu geraten. Bereits die Pandemie hatte den Trend zum Online-Einkauf beschleunigt und dem stationären Handel schwer zugesetzt. Auch in Heilbronn gehören Leerstände überall in der Innenstadt inzwischen zum Stadtbild - und gefühlt kommen jeden Monat weitere hinzu.

Doch damit nicht genug: 47 der insgesamt 129 Galeria-Warenhäuser in Deutschland sollen schließen, darunter sechs Filialen in Baden-Württemberg. Heilbronn ist laut den Plänen nicht betroffen - vorläufig. Auch der Düsseldorfer Kaufhaus-Konzern Peek & Cloppenburg ist insolvent, mit bislang noch unklaren Auswirkungen auf die Filialstruktur.

Es dauert meist lange, bis es neue Nutzungen für leerstehende Kaufhäuser gibt

Fest steht indes schon jetzt: Schließt ein großes Warenhaus, stellt Städte das vor riesige Herausforderungen. "Es wird in den meisten Fällen Jahre dauern, bis die von Galeria aufgegebenen Immobilien eine neue langfristige Nutzung gefunden haben", prognostiziert der Geschäftsführer des Kölner Instituts für Handelsforschung (IFH), Boris Hedde. Das habe sich schon nach der ersten Schließungswelle im Zuge des Insolvenzverfahrens im Jahr 2000 gezeigt.

Bei weniger als einem Fünftel habe es eine Nachnutzung ohne größere bauliche Veränderungen gegeben, so eine Studie der Unternehmensberatung PwC. Das Thema treffe vor allem kleinere Städte hart - in Metropolen seien klassische Kaufhäuser ohnehin schon lange keine Frequenzbringer mehr, sagt PwC-Immobilienexperte Benjamin Schrödl: "Der Druck, eine Lösung zu finden, ist in kleineren Städten am größten." Für sie sei es immens wichtig, Leben in der Stadt zu halten, damit nicht noch mehr Geschäfte in der Folge aufgeben müssen.

Lünen im Ruhrgebiet macht vor, wie es geht

Doch bislang gibt es nur wenige gute Lösungen, um dem Problem zu begegnen. Die Stadtplanerin Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik in Berlin (Difu) sagt: "Denkbar ist eine ganze Menge, wenn man viel Geld hat, aber es ist noch wenig versucht worden." Nicht umsonst schauten alle auf dieselben Beispiele, wie etwa in die 90.000-Einwohner-Stadt Lünen im nordöstlichen Ruhrgebiet, wo in ein altes Hertie-Kaufhaus neues Leben eingezogen ist.


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Im Untergeschoss sind nun inhabergeführte Geschäfte lokaler Unternehmen, in den drei oberen Etagen Arztpraxen und Wohnungen, einige davon sogar mit Garten, denn die oberen Hertie-Geschosse wurden teilweise herausgeschnitten. Das Projekt kam gut an bei den Bürgern von Lünen: Die Wohnungen waren schnell vermietet und mit den Menschen kehrten weitere Läden und neues Leben in die Stadt zurück.

Es gibt zu viele große Verkaufsflächen allerorten

Ricarda Pätzold sagt, lange Zeit sei es in den Städten um möglichst hohe Produktivität pro Fläche gegangen. Überall, ob innerstädtisch oder in den Malls auf der grünen Wiese, seien zu viele und zu große Verkaufsflächen geschaffen worden, die nun, da der stationäre Handel zurückgegangen ist, in Konkurrenz zueinander stünden. Diese Großstrukturen gilt es aufzubrechen, zu mehr Kleinteiligkeit zu kommen und damit auch wieder attraktiver für Kunden zu werden: "Es mangelt einfach am kleinen Hübschen", sagt Pätzold.


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Damit eine Innenstadt als attraktiv wahrgenommen werde, brauche es nicht überall dieselben Filiale, es brauche "Abwechslung, Erlebnis und lokale Betreiber statt internationale Riesenketten", meint sie. Nicht "Standardantworten" wie eine weitere Filiale einer jungen Modekette machten eine Stadt aus, sondern die regionalen Betreiber, die standortbezogene Antworten geben könnten. Auch Lebensmittelhandel und weitere Funktionen, die ein Gebäude öffneten, wie eine Bibliothek oder Schulungsräume, seien sinnvoll, um neues Leben in alte Gebäude zu bringen - ebenso eine Dachterrasse mit Café oder Garten als Anziehungspunkt.

In Lübeck wird ein Karstadt-Sport zu einer Schule

Dann fällt Pätzold doch noch ein weiteres Beispiel für die kreative Umnutzung eines früheren Kaufhauses ein: In Lübeck wird ein einstiger Karstadt-Sport von der Stadt zu einem multifunktionellen Gebäude, unter anderem mit Schulen, einem "Fenster der Wissenschaft" für die Hochschule, Pop-Up-Stores und Flächen für Start-Up-Unternehmen umgebaut. Die Dachterrasse mit Panoramablick über die Stadt soll zum Pausenhof für die Schüler werden.

Man müsse schon mutig sein, um ein Konzept zu finden, das längere Zeit trägt, sagt auch Benjamin Schrödl: "Minimalismus wird selten zu einer überlebensfähigen Lösung führen. Nach zwei bis drei Jahren steht das Gebäude dann häufig wieder leer." Wenn man ein Gebäude jedoch richtig umbaue, Lichthöfe hineinschneide und die Voraussetzungen für neuartige Nutzungen schaffe, dauere das mindestens zwei bis drei Jahre. Bei einem komplett neuen Projekt könnten es auch fünf bis zehn Jahre werden.

Wichtig sei es, die Zeit zu überbrücken, zum Beispiel mit Pop-Up-Stores oder kulturellen Angeboten, sagt Boris Hedde, eben um die Menschen in der Stadt zu halten und keinen Domino-Effekt zu riskieren.

 

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