Architekt Christoph Herzog: "Heilbronn ist wie ein Donut, innen leer"
Wer attraktive Arbeitsplätze schafft, muss auch sicherstellen, dass die Stadt funktioniert: Der Heilbronner Architekt Christoph Herzog und seine Visionen für eine lebendige Innenstadt.

Teilen Sie die Freude darüber, dass die Filiale der Galeria Kaufhof Heilbronn erstmal erhalten bleibt?
Christoph Herzog: Die Schließungswelle betrifft uns diesmal nicht direkt, aber irgendwann kommt das Thema wahrscheinlich nach Heilbronn. Wenn dieses zentrale Gebäude auch noch leersteht, haben wir ein massives Problem. Insofern plädiere ich dafür, dass wir uns schon vorher mit dem Thema der möglichen Schließung beschäftigen und das als Chance begreifen.
Welche Chance sehen Sie darin?
Herzog: Die Chance, wieder mehr Attraktivität in die Innenstadt zu bringen. Man kann nicht mehr nur auf die Eckpunkte Handel und Büros setzen, man braucht mehr attraktiven Wohnraum, mehr Grünflächen und insgesamt mehr Durchmischung in den Städten. Wir haben in der Pandemie genau gesehen, was passieren kann, wenn man nur auf einen oder zwei Pfeiler setzt.
Was heißt das konkret?
Herzog: Die Leute sind ins Homeoffice gegangen, also waren die Büros leer, das hat der Gastronomie und dem Handel die Kundschaft entzogen. Das wirkt zum Teil bis heute nach und wird sich auch nicht mehr komplett umkehren. Es ist auch die Pflicht der Eigentümer, dem entgegenzuwirken und nicht mehr nur auf möglichst hohe Mieten zu schielen. Und es ist die Pflicht der Politik, die Rahmenbedingungen für mehr Durchmischung zu schaffen.
Wie?
Herzog: Indem sich Kommunen Eingriffsoptionen sichern, zum Beispiel durch eine Überarbeitung des Bebauungsplans, und dann eingreifen, wenn in einem gewissen Gebiet zu viele gleiche Nutzungen sind: zu viele Imbisse, Friseure, Handyläden und so weiter. Eine Stadt braucht auch kulturelle Angebote, um attraktiv zu sein, oder Orte, an denen Menschen sich treffen können, ohne zu konsumieren. Ein leerstehendes Kaufhaus würde die Chance bieten, solch einen Ort zu schaffen. Wenn ich viel Geld hätte, würde ich es kaufen und umwidmen − zu einem Ort für die breite Gesellschaft. Einem Ort, an dem Konzerte und Veranstaltungen stattfinden und an dem es eine Dachterrasse und eine coole Bar gibt. Da würde doch jeder gern hingehen nach Feierabend.
Eine Markthalle?
Herzog: Auch eine Markthalle, über die in Heilbronn schon lange diskutiert wird, könnte ein solcher Ort sein. Fest steht für mich: Die großen Malls, wie wir sie kennen, sind nicht zukunftsfähig. Wir brauchen mehr kleinteilige Attraktivität in der Innenstadt.
Haben Sie Hoffnung für Heilbronn? Sie haben das Bild des Donuts bemüht, der innen hohl ist.

Herzog: Ja, das Bild der Inseln passt auch. Mit der Buga haben wir an den Rändern eine spannende Insel bekommen, durch den KI-Park wird wahrscheinlich eine zweite hinzukommen. Aber wer attraktive Arbeitsplätze schafft, muss auch sicherstellen, dass die Stadt funktioniert. Die Heilbronner Innenstadt ist aber das kranke Kind. Wir sollten schauen, was wir tun können, damit sie funktioniert, zum Beispiel Workshops veranstalten, um Ideen für mehr Aufenthaltsqualität zu entwickeln. Auch die Plätze sind ein wichtiges Thema. Große leere Plätze aus den vergangenen Jahrzehnten, wie den Kiliansplatz, baut man heute überall zurück und bringt mehr Grün und Wasser in die Städte. Das wünsche ich mir auch am Wollhaus.
Ein Projekt, das seit Jahren stillsteht.
Herzog: Die Heilbronner Architekten machen sich schon seit längerem Gedanken und sind mit der Stadt in Diskussion − auch darüber, was um das Wollhaus herum geschehen soll, zum Beispiel am Busbahnhof. Es braucht Zeit, bis ein Konzept dafür steht, das langfristig trägt, denn das muss es. Das ist eine der wichtigsten Stellen in Heilbronn mit viel Potenzial, ich kann mir da was Tolles vorstellen. Und wenn das Wollhaus und die Umgebung wieder gut präsentiert werden, dann profitiert auch die Bevölkerung.
Wie lautet Ihre Prognose für die Heilbronner Innenstadt?
Herzog: Wir stehen tatsächlich an einer Zeitenwende. Wir haben jetzt die Chance, unsere Städte neu auszurichten und wiederzubeleben. Wenn uns das gelingt, kommen auch die Menschen wieder.
Zur Person
Christoph Herzog (56) ist Architekt in Heilbronn und Vertreter der Architektenkammer Baden-Württemberg.