Raser-Prozess in Heilbronner Wollhausstraße: Achtjährige Tochter des Todesopfers spricht vor Gericht
Ein Richter des Landgerichts Heilbronn befragt das Kind des bei einem Unfall in der Wollhausstraße Verstorbenen. Weitere Zeugen berichten am Montag von einem früheren Unfall des Angeklagten.

Nur wenige Worte fand das achtjährige Mädchen am Montagnachmittag beim sechsten Verhandlungstag im Raser-Prozess vor der zweiten Großen Jugendstrafkammer des Heilbronner Landgerichts.
Am 12. Februar dieses Jahres ist ihr Vater beim Unfall in der Wollhausstraße gestorben. Mit rund 100 Stundenkilometern krachte der damals 20 Jahre alte Angeklagte mit seinem BMW in das Fahrzeug der vierköpfigen Familie, die gerade mit ihrem Mercedes aus einer Ausfahrt gefahren ist. Der 42 Jahre alte Mann war sofort tot. Seine Frau und die beiden Kinder wurden zum Teil schwer verletzt. Seit August muss sich der Heilbronner unter anderem wegen Totschlags und dreifachen versuchten Totschlags verantworten.
Raser-Prozess zum tödlichen Unfall in Wollhausstraße: Achtjährige muss nicht in den Gerichtssaal
Aus Jugendschutzgründen musste das Mädchen nicht persönlich im Gerichtssaal erscheinen. Sie war per Video zugeschaltet. Viele Worte kamen ihr nicht über die Lippen. "Wir sind ins Auto gegangen", erinnerte sich das Mädchen, das zum Unfallzeitpunkt sieben Jahre alt war.
Viele Fragen von Richter Alexander Lobmüller blieben unbeantwortet. Dass sie gefahren sind, sagte das Mädchen noch. Ihre Verletzungen, die sie sich beim Unfall zugezogen haben, sind offenbar verheilt. Körperlich gehe es ihr gut. Mehr sagte die Achtjährige nicht.
Zeugen berichten von Unfall im April 2022 mit dem Angeklagten
Bereits am Vormittag hörte die Kammer Zeugen eines Unfalls, in den der Angeklagte am 2. April 2022 verwickelt gewesen sein soll. Demnach sei der Beschuldigte damals in der Sontheimer Straße in Heilbronn stadtauswärts mit seinem BMW von hinten auf ein Auto aufgefahren, in dem drei Frauen gerade auf dem Heimweg nach Bietigheim-Bissingen gewesen sind. Die Fahrerin hatte bereits an einem der vorangegangenen Prozesstage ausgesagt.
Die beiden Zeuginnen, die mit in dem Opel saßen, sagten übereinstimmend, dass die Fahrerin mit ordnungsgemäßer Geschwindigkeit von der linken auf die rechte Fahrspur gewechselt sei. Wenige Sekunden später hätten sie einen lauten Knall gehört. Der Angeklagte sei mit der rechten Vorderseite seines Fahrzeugs auf die linke Heckseite des Opels geprallt.
Mutmaßlicher Unfallverursacher soll wütend gewesen sein
Im Anschluss daran seien der Beschuldigte und sein Bruder aus dem BMW ausgestiegen und hätten die Fahrerin wütend angeschrien. "Ich stand unter Schock", sagte eine der beiden Zeuginnen. Und sie habe Angst gehabt. Der mutmaßliche Unfallverursacher habe seine "Familie und Verwandten" angerufen. Und wir hatten keinen Zeugen, der alles gesehen hat", so die 47-Jährige.
"Ich wurde mit dem Oberkörper nach vorne gedrückt. Meine Brille ist weggeflogen." Weder der Beschuldigte noch dessen Beifahrer hätten sich danach erkundigt, ob irgendjemand verletzt worden ist. Dabei hätten sie und die andere Mitfahrerin Schmerzen gehabt. Bei einer der beiden Zeuginnen bestand Verdacht auf eine Rippenfraktur. Die andere Zeugin wurde für eine Woche krankgeschrieben. "Stattdessen haben sie uns wütend angeschrien." Sie seien aggressiv gewesen und hätten wissen wollen, warum die Fahrerin zu langsam gefahren ist.
Polizeibeamte finden "größeres Splitterfeld" vor
Unbeteiligte Augenzeugen für den Unfall vom 2. April vergangenen Jahres gab es nicht. Auch ein polizeilicher Aufruf habe nichts ergeben, sagte einer der beiden Polizeibeamten, die den Unfall damals aufgenommen haben. Stattdessen stellten die Beamten vor Ort ein "größeres Splitterfeld von 20 bis 30 Metern an der Unfallstelle" fest. Aus diesem "Trümmerfeld", wegen der erheblichen Schäden an den beiden Fahrzeugen und aufgrund der Tatsache, dass beim BMW die Airbags ausgelöst hatten, schloss der Polizeibeamte, dass der Angeklagte "mit ziemlicher Sicherheit viel zu schnell gefahren ist". Die Stimmung am Unfallort beschrieb der Beamte als "sachlich neutral".
Angeklagter soll bei Bußgeldstelle bekannt sein
Bei der Bußgeldstelle ist der Angeklagte offenbar einschlägig bekannt. Das sagte zumindest ein Polizeibeamter, der sich mit dem Hergang des tödlichen Unfalls am 12. Februar und mit dem Angeklagten beschäftigt hat. Der heute 21-jährige habe einen Realschulabschluss und habe eine Ausbildung angefangen. Auch im Jugendgemeinderat hat sich der Beschuldigte ehrenamtlich engagiert. "Im täglichen Umgang ist er ganz normal", sagte der Beamte. Aber sobald er im Auto sitzt, könne man das nicht mehr sagen. Einer seiner Azubi-Kollegen soll ihn so beschrieben haben: "Er ist ein Schnellfahrer mit aggressivem Fahrverhalten", so der Polizist.
Anklage lautet unter anderem auf Totschlag
Staatsanwältin Christiane Triaa wirft dem Angeklagten, der zum Unfallzeitpunkt 20 Jahre alt war, unter anderem Totschlag und dreifachen versuchten Totschlag vor. Richter Alexander Lobmüller machte gleich zum Verhandlungsauftakt im August klar, dass womöglich auch Mord und dreifacher versuchter Mord infrage kommen könnten. Ein Tübinger Kinder- und Jugendpsychiater wird auf Antrag der Verteidigung den Reifegrad des Beschuldigten zum Zeitpunkt des Unfalls untersuchen. Als damals Heranwachsender könnte er unter Umständen nach Jugendrecht beurteilt werden.




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