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Raser-Prozess in Heilbronn geht weiter – Freunde des Angeklagten sollen aussagen

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War es Mord oder Totschlag? Der Prozess um die Todesfahrt eines 21-Jährigen in der Heilbronner Wollhausstraße vor dem Landgericht war zuletzt sehr emotional. Nach Einschätzung eines Verkehrsanwalts könnte sich auch die Beifahrerin schuldig gemacht haben.

Update vom 19.09.23, 20 Uhr: Der Bruder des Wollhausstraßen-Rasers wurde wegen eines illegalen Straßenrennens vom Gericht verurteilt.

Der sogenannte Raser-Prozess um den mutmaßlichen Heilbronner Todesfahrer vor dem Landgericht geht am Mittwochnachmittag in die vierte Runde. Im Februar soll der Beschuldigte in der Wollhausstraße mit 97 Stundenkilometern in den Mercedes einer Familie gerast sein. Der Familienvater starb. Die Ehefrau und die beiden Kinder überlebten zum Teil schwer verletzt. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten unter anderem Totschlag und versuchten Totschlag vor. 

Mord oder Totschlag? Was beim Raser-Prozess in Heilbronn am Mittwoch ansteht

War es Totschlag? Oder kommt auch Mord infrage? Letzteres hat zumindest der Vorsitzende Richter der zweiten Großen Jugendkammer des Landgerichts, Alexander Lobmüller, gleich zum Prozessauftakt angekündigt. Der Beschuldigte selbst sieht die Schuld offenbar nicht bei sich. Es handele sich um einen Unfall, soll der türkische Staatsbürger, der in Heilbronn geboren ist, in Briefen an seine Freundin und deren Bruder geschrieben haben.


Die Freundin, die im Februar als Beifahrerin neben dem mutmaßlichen Todesfahrer im Auto saß, machte am vergangenen Prozesstag im Zeugenstand nur zögerlich Angaben. Der Richter drohte der 19-Jährigen zwischenzeitlich mit Erzwingungshaft. Zur Fahrt selbst wollte sie auf anwaltlichen Rat hin gar keine Angaben machen. Um sich nicht selbst zu belasten und nicht ein Ermittlungsverfahren gegen sich in Gang zu setzen.

Fachanwalt: Auch Beifahrer können sich strafbar machen

Tatsächlich kann man sich auch als Beifahrer „auf vielfältige Weise strafbar machen“, sagt Dieter Roßkopf, Heilbronner Fachanwalt für Verkehrsrecht. Die Palette reiche von Mittäterschaft über Anstiftung bis hin zur Beihilfe. „Wer beifährt, trägt auch Verantwortung und kann beteiligt sein“, sagt Roßkopf gegenüber der Heilbronner Stimme.


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Wer etwa den Fahrer zum Missachten von Verkehrsregeln auffordert oder gar nötigt, mache sich der Anstiftung und damit der Mittäterschaft schuldig. Als Beispiel nennt Roßkopf einen Geschäftsmann, der seinem Taxifahrer ein Extra-Geld bezahlt, damit dieser schneller als erlaubt zum Flughafen fährt. Ein anderes Beispiel könne ein Unternehmer sein, der seinem Fahrer mit Kündigung droht, sollte dieser nicht mit dem Fahrzeug rechtzeitig sein Ziel erreichen – Verkehrsregeln hin oder her. Der Fahrer würde in diesen Fällen gewissermaßen als Werkzeug missbraucht, so Roßkopf.

Moralische oder psychische Unterstützung kann bei eklatanten Verkehrsdelikten Beihilfe sein

Ein Beifahrer könne sich auch der Beihilfe schuldig machen, so der Fachanwalt. Das gelte dann, wenn er den Fahrer bei offenkundiger Missachtung der Verkehrsregeln „moralisch oder psychisch unterstützt“. Das könne damit anfangen, dass eine Beifahrerin bewundernd neben dem Fahrer sitzt, wenn dieser mächtig aufs Gas tritt. Oder sie ihn gar auffordert zu zeigen, was denn in dem Fahrzeug steckt.


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„Bei erkennbar eklatant verkehrswidrigem Fahren darf ein Beifahrer auch nicht einfach schweigend daneben sitzen“, so Roßkopf. „Zum Beispiel, wenn die Häuser vorbeizufliegen scheinen und sich der Sicherheitsgurt festzieht, weil die Elektronik im Fahrzeug einen Unfall erwartet“, sagte der Fachanwalt. In Zivilrechtsverfahren müsse die Mitschuld des Beifahrers immer wieder geklärt werden. Wenn es etwa um Schadenersatzansprüche nach Unfällen geht, so Roßkopf. Im Strafrecht würde die Schuldfrage des Beifahrers eher selten gestellt, so der Fachanwalt für Verkehrsrecht. Sie sei aber auch hier denkbar.

Mitarbeiterin des Jugendamts bezeichnet Angeklagten als kindlich

Während der drei erster Verhandlungstage schwieg der Angeklagte. Eine Mitarbeiterin des Jugendamts, die den 21-Jährigen dreimal in der Untersuchungshaft besucht hat, beschrieb ihn im Zeugenstand als „kindlich“. Ob der Beschuldigte am Ende des Verfahrens womöglich nach Jugendstrafrecht beurteilt wird, hat Auswirkungen auf das zu erwartende Strafmaß.

Weitere Zeugen sind am Mittwoch geladen, darunter offenbar Freunde des Angeklagten und medizinisches Fachpersonal. Die Verhandlung beginnt um 14 Uhr im Landgericht.

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Kommentare

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Wilfried Müller am 20.09.2023 07:57 Uhr

Wle kann der junge Mann seine Texte löschen wenn er in u Haft sitzt, wurde das Handy nlcht eingezogen oder kann er damit die Aussagen der Freundin abstimmen?

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am 19.09.2023 14:39 Uhr

Wer mit rund 100 Stundenkilometern durch die Innenstadt fährt und dann allen Ernstes von einem Unfall spricht, hat offensichtlich gar nichts verstanden. Es bleibt zu hoffen, dass der Fahrer die volle Härte des Gesetzes zu spüren bekommt. Diese Raserei auf unseren Straßen muss endlich eine Ende haben! Ansonsten ist es nur eine Frage der Zeit bis es zu weiteren Todesfällen kommt.

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Fritz Gommlich am 19.09.2023 13:12 Uhr

Wenn man so ein schnelles und teures Auto fährt oder besitzt, kann man bei einem Unfall nicht als
jugendlicher verurteilt werden. Denn beim Kauf hat auch niemand gefragt ob er so einen schnellen Wagen fahren kann, oder?????

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