2016 haben Professor Uwe Martens und Professor Christian Fegeler vom Studiengang Medizinische Informatik an der Hochschule Heilbronn, das Molit-Institut für personalisierte Medizin gegründet. Molit ist quasi die Dachorganisation für die vernetzte Krebsforschung in Heilbronn. Gefördert wird Molit von der Dieter-Schwarz-Stiftung. Dadurch sei es möglich, „Konzepte zu denken und Forschung zu entwickeln wie an sonst kaum einem anderen Krankenhaus dieser Größe“, sagte Martens zu früherer Gelegenheit. Derzeit entsteht neben dem SLK-Klinikum am Gesundbrunnen ein biomedizinisches Forschungslabor mit dem Namen I³ Connect. Dort sollen künftig 80 Mitarbeiter die Erforschung neuer Therapien gegen Krebs voranbringen.
Heilbronner SLK-Onkologe: „Krebs ist nicht eine Erkrankung, das sind viele hunderte“
Nach Bekanntwerden der Diagnose von Thomas Gottschalk war Uwe Martens’ Expertise gefragt. Der SLK-Arzt erklärt den „Heilbronner Weg“ bei der Erforschung und Behandlung von Krebs.
Die Erkrankung von Moderatoren-Legende Thomas Gottschalk hat den Fokus auf das Thema Krebs gelenkt. In Heilbronn geht man bei der Erforschung und Therapie von Krebserkrankungen mithilfe der Dieter-Schwarz-Stiftung einen besonderen Weg. Uwe Martens, Direktor der Klinik für Onkologie am SLK-Klinikum und Vorsitzender des Krebsverbands in Baden-Württemberg, erklärt den Heilbronner Weg.
Als die Nachricht von Thomas Gottschalks Krebserkrankung die deutsche Öffentlichkeit erreichte, waren Sie als Experte in überregionalen Medien gefragt. Wie kommt es, dass Heilbronn solch einen Ruf in der Krebsmedizin hat, obwohl die SLK-Kliniken keine Universitätsklinik sind?
Uwe Martens: Zunächst einmal: Krebs ist extrem vielfältig, das ist nicht eine Erkrankung, sondern es sind viele hunderte. Das zeigt das Beispiel von Thomas Gottschalk, der an einer sehr seltenen und aggressiven Form erkrankt ist. Angesichts der Vielfalt und Individualität der Erkrankungen und unserer medizinischen Möglichkeiten werden auch die Therapien immer komplexer. Das heißt: Verschiedene Disziplinen müssen sich vernetzen, um Patienten bestmöglich individuell behandeln zu können. Und das machen wir in Heilbronn sehr gut, diese Rückmeldung bekommen wir immer wieder im Rahmen der Qualitätszirkel von externen Auditoren. Unsere chirurgischen Disziplinen, auch mit roboterassistierten Operationsmethoden, sind sehr gut aufgestellt, genauso wie die hochpräzise Strahlentherapie, unterstützt mit Künstlicher Intelligenz, oder die interventionelle Radiologie.
Für die bestmögliche Behandlung braucht es die Kooperation verschiedener Fachgebiete
Sie führen alles zusammen als Chef des Tumorzentrums. Wie gehen Sie vor, um über die Therapie eines Patienten zu entscheiden?
Martens: Experten aus den unterschiedlichen Fachgebieten kommen in sogenannten Tumorboards zusammen und beraten über die Behandlung. Klar ist: Die Komplexität wird mit der Entwicklung neuer Möglichkeiten in der Medizin weiter zunehmen. Deshalb haben wir uns in Heilbronn schon früh auf den Weg gemacht und gemeinsam mit dem Bereich medizinische Informatik der Hochschule Heilbronn eine datengetriebene Forschungslandschaft etabliert. Es war eine glückliche Fügung, dass die Dieter-Schwarz-Stiftung diesen visionären Ansatz erkannt hat und ihn fördert.

Was kann man sich genau unter datengetriebener Krebsforschung vorstellen?
Martens: In unserem Vision-Lab am Standort Gesundbrunnen und an unserem Molit-Institut arbeiten drei Fachbereiche zusammen: Onkologie, Datenwissenschaften und molekulare Medizin. Unser Ziel ist es, noch bessere Erkenntnisse über die Individualität von Tumoren zu erlangen und so neue, zielgerichtete Therapien zu entwickeln.
Wie gehen Sie vor?
Martens: Wir arbeiten mit sogenannten Living Biosamples, wir züchten also im Reagenzglas Mini-Tumore, die wir zuvor aus Gewebe von echten Patienten am SLK-Klinikum gewonnen haben. Anhand dieser Zwillingssysteme können wir nachvollziehen, wie sich die Tumore am besten beeinflussen lassen. Daraus ergeben sich neue Strategien für die Pharmaindustrie, weswegen Heilbronn inzwischen auch für Arzneimittelhersteller interessant ist. Wir haben deshalb immer wieder die Möglichkeit, Patienten aus Heilbronn mit ganz neuen Medikamenten zu behandeln und sie in internationalen Studien unterzubringen. Der nächste Schritt werden für uns weitere Vernetzungen und Quantencomputing sein.
Krebsforschung in Heilbronn: Schwarz-Gruppe investiert in Quantencomputing
Wie das?
Martens: Wir etablieren in unserem Vision-Lab eine Versuchsplattform, um unterschiedliche Krebsbehandlungen im Labor zu simulieren. Dazu braucht es erhebliche Rechenleistung, die normale Rechner bald nicht mehr schaffen werden. Deshalb freuen wir uns, dass die Schwarz-Gruppe nun auch in Quantencomputing in Heilbronn investiert. Gleichzeitig ist die Vernetzung mit anderen wissenschaftlichen Einrichtungen wie dem Max-Planck-Institut, das ebenfalls nach Heilbronn kommt, mit dem Embl in Heidelberg (Europäisches Molekularbiologie-Labor) oder der Stanford-Universität in den USA, mit der wir bereits kooperieren, ungeheuer wichtig. Gemeinsam kommen wir bei der Behandlung von Krebserkrankungen voran.
Welche Vision haben Sie für die Behandlung von Krebserkrankungen?
Martens: Meine Vision ist es, einen Patientenfall in vitro, also im Labor, zu simulieren, um so herauszufinden, wie man den Menschen mit seiner individuellen Krebserkrankung bestmöglich behandelt. Das klingt jetzt noch wie Science-Fiction, ist aber die Zukunft. Mit unserem neuen Forschungslabor I³-Lab, das gerade neben dem SLK-Klinikum gebaut wird, bekommen diese Ambitionen eine Heimat.

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