Engelhorn-Chef nach Palm-Aus: Das können Städte wie Heilbronn von den USA lernen
Fabian Engelhorn, Chef der gleichnamigen Modehäuser, bedauert das Palm-Aus in Heilbronn. Er verrät, warum er zeitnah keine Filiale in Heilbronn eröffnen würde – und was die Stadt besser machen kann.

Fabian Engelhorn ist seit 2003 in vierter Generation Geschäftsführer der Mode- und Sporthäuser Engelhorn. Das 1890 gegründete Traditionshaus betreibt mit 1.100 Mitarbeitern inzwischen sieben Häuser in Mannheim und Umgebung. Engelhorn spricht über die Zukunft des Handels, die Verantwortung von Kommunen und die Entwicklung der Stadt Heilbronn.
Herr Engelhorn, glauben Sie, dass der Handel in unseren Innenstädten noch Zukunft hat?
Engelhorn: Bisher hat noch keiner die Frage beantwortet, wie eine Stadt anders aussehen soll. Die meisten Menschen halten es für eine gute Idee, dort einzukaufen, anschließend einen Kaffee zu trinken oder Kultur zu genießen. Deshalb finde ich den Vorwurf von Seiten der Politik, dass der Handel Schuld ist am Verkehr und je weniger Handel, je weniger Verkehr, ganz falsch.
Warum schätzen Menschen überall auf der Welt die europäischen Städte? Weil da Kultur ist, Handel, Gastronomie, Ärzte, Dienstleiter und Galerien, und diese Bandbreite macht eine lebendige Innenstadt aus. Wenn ein Teil dieses Puzzles schwächelt, ist das Gesamtbild Innenstadt gefährdet.
Kommen aus Ihrer Sicht Bürger nur wegen dieses Gesamtangebots in die Stadt, oder gibt es weitere Kriterien?
Engelhorn: Die gute Mischung an Angeboten ist das eine. Und wenn eine Stadt sauber ist, dann erhöht sich automatisch das Sicherheitsgefühl. Das hebt die Aufenthaltsqualität. Insofern ist das Thema Sauberkeit eine große Aufgabe der Kommunen. Wir müssen aber auch wieder da hinkommen, dass jeder Einzelne von uns eine Verantwortung für die Sauberkeit hat.
In Heilbronn wird diskutiert, ob die Stadt sich auch als Immobilienkäufer engagieren soll und dann perspektivisch als Vermieter. Geht das zu weit?
Engelhorn: Eine Kommune ist eigentlich kein Immobilienentwickler. Bevor sie Millionen für eine Immobilie ausgibt, braucht sie zumindest eine Vision, ein Konzept. Erst dann kann man darüber nachdenken, ob so ein Schritt sinnvoll ist. Meiner Meinung nach haben wir eher zu viel Staat. Wir brauchen eigentlich wieder mehr Markt und weniger Bürokratie. Das sagt auch jeder Politiker, es passiert bloß nichts.
Wie lange wird der Handel noch an den Nachwirkungen der Corona-Pandemie knabbern, und wann wird die Konsumfreude zurückkehren?
Engelhorn: Entscheidend dafür ist auch die Frage, ob es Zuversicht gibt und die Motivation, die Zukunft positiv zu gestalten. Das hängt natürlich auch davon ab, wie Bundeskanzler und Bundesregierung die Zügel in die Hand nehmen und pragmatisch Dinge anpacken. Ich glaube, dass 2024 für den Handel noch sehr herausfordernd sein wird. Danach hoffe ich, dass diese Zuversicht wiederkommt.
Die Menschen wünschen sich Einkaufen als Event. Wie kann man als Engelhorn, als Stadt so ein Event bieten?
Engelhorn: Wir haben uns als Familienunternehmen in 134 Jahren eine außergewöhnliche Position aufgebaut. Beispielsweise mit einem breiten Gastronomieangebot, das zu unseren Kunden- und Sortimentsangeboten passt. Wir machen sehr viele Events zusammen mit unseren Marken, Partnern und Lieferanten. So ist bei uns am Wochenende eigentlich immer was los. Wir haben eine Bäckerei, einen Chocolatier und einen eigenen Blumenstand im Haus. Wir bieten viele Kleinigkeiten, die Kunden überraschen, auch Gadgets für Männer, die etwas entdecken wollen. Unser Anliegen ist es, den Menschen ein positives Erlebnis zu verschaffen. Im Sporthaus beispielsweise bedienen wir nicht jede Sportart, sondern spezialisieren uns auf solche, bei denen wir ein gutes Sortiment und eine kompetente Bedienung bieten können, mit unseren Kunden also auf Augenhöhe sprechen können.
Wie wichtig ist Onlinehandel für Sie?
Engelhorn: Der erste Touchpoint bei Kunden ist sehr oft digital. Insofern ist online extrem wichtig. Man stellt dort Sortimentskompetenz, Service und seine Angebote dar. Der Online-Handel ist seit 2004 ein wichtiges Standbein unseres Unternehmens geworden und hat uns während der Corona-Zeit geholfen. Fokus wird auch 2024 vermehrt auf engelhorn.com liegen. Wir wollen die Kunden auf unseren eigenen Plattformen sehen, abholen und dort auch verkaufen.
Sie haben gesagt, Sie würden in absehbarer Zeit in Heilbronn keine Filiale eröffnen, weil die Stadt nicht attraktiv genug sei.
Engelhorn: Ich bin wirklich noch tief berührt von der Entscheidung der Familie Palm. Man kennt sich als Familienunternehmer gut. Palm hat gesagt, die Entwicklung von Heilbronn
kommt einfach vier bis fünf Jahre zu spät, und da kann ich ihm schon beipflichten. Als Intersportmitglied bin ich ab und zu in Heilbronn. Was Dieter Schwarz mit seiner Stiftung macht, ist natürlich gigantisch, und in dieser Hinsicht wird Heilbronn eine der wenigen Boomtowns in Deutschland werden. Aber zurzeit stellt sich das in der Stadt nicht dar. Die Projektentwicklung Wollhaus wird in frühestens vier Jahren fertig sein. Man wird sehen, was sich sonst in der Stadt entwickelt. Aber die Frage ist, ob man die aktuelle Entwicklung noch herumreißen kann.
Kann man das?
Engelhorn: Zurzeit ist die Situation keineswegs einfach. Aber es gibt positive Beispiele aus dem Ausland. In Amerika haben sich Städte viel von Europa abgeschaut und einen eigenen Ansatz entwickelt. In Denver sind die Menschen vor Jahren nach 17 Uhr nicht mehr Downtown gegangen. Heute ist Denver Downtown eine der sprudelnsten Innenstädte, die ich kenne und Vorbild für viele andere. Toronto, Chicago - alle diese Städte haben es geschafft, auch durch ein kluges ÖPNV-Konzept. Dort gibt es jetzt Restaurants und Wohnen in der Innenstadt. Wir müssen in Europa die richtige Mischung finden. Das kann nicht nur der Handel sein, es braucht auch ein paar andere Attraktionen. Aber bis es so weit ist, müssen wir eine Durststrecke durchlaufen.

War für Sie eigentlich immer klar, dass Sie in das Familienunternehmen einsteigen?
Engelhorn: Man kannte ja die Herausforderungen und wuchs damit auch auf. Ich habe meine Ferien hier im Unternehmen verbracht und als Aushilfe gearbeitet. Wir sitzen bei Engelhorn auch nicht im Elfenbeinturm, sondern wir haben eine große Führungs-Crew und insgesamt über 1.100 Mitarbeiter, die gute Ideen haben. Und wenn das alles zusammenpasst, dann hat man eine Chance, dass das Unternehmen auch erfolgreich bleibt.
Zur Person
Fabian Engelhorn (48) ist in Mannheim geboren, verheiratet und hat drei Kinder. Seit 2015 leitet Engelhorn als CEO das Unternehmen, das sieben Mode- und Sporthäuser in Mannheim und Umgebung betreibt. Der 48-Jährige ist seit dem Jahr 2018 zudem Mitglied des Aufsichtsrates der Intersport eG in Heilbronn, Mitglied des Aufsichtsrates der BioMed X GmbH in Heidelberg und seit 2023 Mitglied des Aufsichtsrates der Pflanzen Kölle GmbH in Heilbronn. zim