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Was hinter der Großinvestition der Schwarz-Stiftung in die deutsche KI-Zukunft steckt

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Fast eine halbe Milliarde Euro hat ein deutsches Konsortium um Schwarz-Gruppe und Dieter-Schwarz-Stiftung für die KI-Hoffnung Aleph Alpha bereitgestellt. Stiftungschef Reinhold Geilsdörfer verrät, wie die Investitionen funktionieren.

Reinhold Geilsdörfer, Geschäftsführer der Dieter-Schwarz-Stiftung, nennt Details zum geplanten KI-Park Ipai.
Reinhold Geilsdörfer, Geschäftsführer der Dieter-Schwarz-Stiftung, nennt Details zum geplanten KI-Park Ipai.  Foto: MVRDV Rotterdam (großes Foto), Gleichauf (kleines Foto), Montage: Stimme.de

Im Gespräch mit unserer Redaktion erläutert Stiftungschef Reinhold Geilsdörfer, warum beim Thema Künstliche Intelligenz (KI) die Abhängigkeit von US-Konzernen verringert werden muss und wie die Aufteilung im KI-Park Ipai vorgesehen ist.

Herr Geilsdörfer, Aleph Alpha ist schon vor dem Einstieg von Schwarz-Gruppe, Bosch und SAP in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Sie unterstützen das Unternehmen mit einer riesigen Summe. Wie kam es dazu?

Reinhold Geilsdörfer: Große KI-Sprachmodelle gibt es schon länger, aber mit ChatGPT ist eine Welle entstanden, von der auch Aleph Alpha getragen wird. Sie wollen ihre Chance nutzen, aber es ist auch klar, dass die Marktmacht der US-Firmen riesig ist. Es braucht jetzt große Investitionen. Die ersten Gespräche gab es dazu im Frühjahr, und bald wurde deutlich: Wenn es keine deutschen Geldgeber gibt, dann greifen US-Firmen wie Intel und Nvidia zu.

 


 

Im Tauziehen mit US-Firmen hat man doch normalerweise schlechte Karten, oder nicht?

Geilsdörfer: Aleph-Alpha-Gründer Jonas Andrulis hat sicher verstanden, dass es nicht zielführend wäre, sich von den großen US-Konzernen abhängig zu machen. Ihm war vor allem wichtig, dass für uns europäische Werte im Vordergrund stehen und umfangreiche Mittel für öffentliche Forschung zur Verfügung gestellt werden. Wenn man sieht, was jüngst bei der ChatGPT-Firma OpenAI mit dem Rauswurf und der Wiedereinstellung von Chef Sam Altman alles passiert ist, dann haben sich diese Bedenken schon bestätigt. So ein Gründer ist dann auch mal ganz schnell weg vom Fenster.

 

Es hat vielleicht aber auch gezeigt, dass ohne Gründer nicht viel übrig ist von so einem Unternehmen. Ist das nicht ein großes Risiko?

Geilsdörfer: Jonas Andrulis ist schon zu einer Lichtfigur geworden. Wenn er irgendwann gehen würde, dann wäre das sicher ein großer Verlust und eine große Veränderung für das Unternehmen, keine Frage. Er steht hinter dem Unternehmen, wie auch seine hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Klar: Es ist eine große Investition in ein Start-up und wie immer sind damit große Chancen, aber auch Risiken verbunden.

 

Was macht Aleph Alpha so besonders im Vergleich zu anderen KI-Unternehmen?

Geilsdörfer: Sie haben erst einmal eine andere Zielgruppe als die anderen KI-Modelle, nämlich nicht die Privatanwender, sondern Unternehmen und Behörden. Und für die haben sie auch große Vorteile, denn Aleph Alpha setzt im Gegensatz zu den amerikanischen Anbietern auf nachvollziehbare KI-Modelle. Es kann klar nachvollzogen werden, wo eine vom System generierte Antwort herkommt, dadurch sind die Ergebnisse besser erklärbar. Und vor diesem Hintergrund ist es auch so wichtig, dass ein deutsches oder zumindest ein europäisches Konsortium hinter Aleph Alpha steht.

 


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Ist der Rückstand in diesem Rennen nicht heute schon sehr groß?

Geilsdörfer: Das wird man sehen. Wir glauben: Man muss in Unternehmen und Behörden zunehmend generative KI-Lösungen einsetzen, welche auf großen Sprachmodellen aufbauen. Und wenn dann nur die Chance bleibt, ein amerikanisches einzusetzen, dann wird das schwierig. Dann sind die Daten in den USA. Beim Kanzlerbesuch vor wenigen Tagen war auch Kristina Schunk, Chefin des Greiftechnikspezialisten Schunk aus Lauffen, mit dabei. Als Weltmarktführer in so einem Bereich hat man natürlich die Befürchtung, dass die Konkurrenz von einer KI profitiert, die mit unternehmenseigenen Daten trainiert wurde. Wenn es mit Aleph Alpha funktioniert, sichern wir ein großes Stück europäische Souveränität.

 

Es wird kolportiert, dass die Dieter-Schwarz-Stiftung 300 Millionen Euro zu der Finanzierungsrunde beigesteuert hat. Sie reden nicht über Zahlen. Aber vielleicht darüber, was mit dem Geld passiert.

Geilsdörfer: Man muss unterscheiden zwischen Gruppe und Stiftung. Das Konsortium um die Unternehmen der Schwarz-Gruppe beteiligt sich an Aleph Alpha. Die gemeinnützigen Mittel gehen in eine neu gegründete Gesellschaft, die in Heilbronn angesiedelt sein wird, mit einer stattlichen Anzahl an Mitarbeitern. Dort werden die Mittel für Forschungsvorhaben eingesetzt. Universitäten und Forschungseinrichtungen können sich darauf bewerben. Das System wird dadurch wertvoller.

 

Es gibt also auch finanzielle Chancen?

Geilsdörfer: Darüber haben wir schon gesprochen. Erfolg kann man nicht voraussagen. Aber das kann sich für alle Investoren auch lohnen.

 

Einen gemeinnützigen und einen gewinnorientierten Teil gibt es auch beim Ipai, richtig?

Geilsdörfer: Als es anfangs darum ging, wer die 50 Millionen Euro Kofinanzierung zur Landesförderung bringt, wussten wir nicht, wie groß das Projekt wird. Wir haben dann die klare Trennung vollzogen: Das Land und die Stiftung geben zusammen 100 Millionen Euro für den gemeinnützigen Teil. Damit haben wir keine Diskussion darüber, was hier mit Steuergeld passiert. Die Gruppe übernimmt den mittlerweile wesentlich größeren Teil des Innovationsparks, der wirtschaftlich agiert. Da wird in Immobilien investiert, die sich dann auch rechnen müssen.

 

Von zwei Milliarden Euro ist immer mal wieder die Rede.

Geilsdörfer: Ich habe schon viele Zahlen gelesen, aber sicher geht es um eine beachtliche Investition. Momentan schätzen wir, dass rund 20 Prozent der Gesamtinvestitionen gemeinnützig sein werden. 80 Prozent sind wirtschaftlich. Sofern keine weiteren Investoren auftreten, werden die Unternehmen der Schwarz-Gruppe die Gebäude errichten. So kann der Ipai also auf jeden Fall wie geplant realisiert werden.

 

Und dann startet derzeit noch der Govtech-Campus, der auch beim Ipai angegliedert wird. Der soll die KI in die öffentliche Verwaltung bringen. Wie schnell geht es da los?

Geilsdörfer: Die Bürokratie ist die Achillesferse in Deutschland. Wenn wir da nicht weiterkommen, werden wir als Land scheitern. Vor dem Ausländeramt in vielen Städten übernachten hochqualifizierte und für unser Land wichtige Menschen, die eine Aufenthaltsgenehmigung brauchen. Überall ist geplant, größere Zahlen von neuen Mitarbeitern aufzubauen. Wo sollen die herkommen? Wir müssen das anders angehen und die Chancen der Digitalisierung und des Einsatzes von KI nutzen. Für solche Anwendungen soll der Govtech-Campus Lösungen erarbeiten. Wir als Stiftung sind in den Verein eingetreten. Die erste und bis auf Weiteres einzige Niederlassung im Südwesten ist in Heilbronn. Eine erste Mitarbeiterin hat jetzt begonnen. Es geht jetzt also Stück für Stück los.

 

Die regionale Wirtschaft hofft darauf, dass der Govtech-Campus auch in den Kommunen der Region etwas bewirken kann. Ist das realistisch?

Geilsdörfer: Natürlich. Wir brauchen Anwendungsbeispiele, am besten aus der direkten Nachbarschaft.

 


Zur Person

Seit 2016 ist Reinhold Geilsdörfer (73) Geschäftsführer der Dieter-Schwarz-Stiftung, die sich aus Ausschüttungen der Unternehmen der Schwarz-Gruppe finanziert. Er hat Verantwortung für den gesamten Hochschul-, Start-up- und KI-Bereich. Geilsdörfer war zuvor 35 Jahre an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) tätig, als Professor und zuletzt als Präsident.

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