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SLK-Oberarzt sendet Hilferuf: Große Sorge um wichtigen Bereich der Kinderklinik

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Jedes Jahr helfen die Therapeuten am SPZ der SLK-Kinderklinik hunderten Kindern, die besondere Bedarf haben. Jetzt steht die Zukunft des Zentrums auf der Kippe. Und es ist nicht das einzige Problem.  

Die SLK-Kliniken am Gesundbrunnen in Heilbronn.
Die SLK-Kliniken am Gesundbrunnen in Heilbronn.  Foto: Archiv/Veigel

Zum 1. Oktober könnte ein wichtiger Baustein der kindermedizinischen Versorgung am Standort Heilbronn wegfallen, so die Sorge. Das Sozialpädiatrische Zentrum, kurz SPZ, kann womöglich nicht weiterbetrieben werden, denn die kommissarische Leiterin geht und eine schnelle Nachfolge mit der erforderlichen Qualifikation ist offenbar nicht in Sicht.

Schließung des SPZ an der SLK-Kinderklinik hätte weitreichende Folgen

Der Wegfall hätte weitreichende Folgen für die Versorgung einer großen Gruppe von Kindern. Ehemalige Frühgeborene, Kinder mit unterschiedlichen Entwicklungseinschränkungen, traumatisierte und behinderte Kinder: Sie alle werden am SPZ betreut.


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Die regelmäßige Diagnostik dort ist Voraussetzung für Anschlusstherapien zur Unterstützung der Entwicklung, zum Beispiel Physiotherapie oder Sprachtherapie. 1800 Behandlungen auf Kassen-Rezept seien am SPZ im Jahr 2023 vorgenommen worden, sagt Dr. Norbert Geier, der leitende Oberarzt der Kinderklinik unserer Redaktion. Der Bedarf liege rein rechnerisch für die Region bei 3500, schon jetzt müssten Eltern Wartezeiten von einem Jahr und mehr in Kauf nehmen.

Sorge um Fortbestand des SPZ der SLK-Klinik – Auch andere Einrichtungen sind überlastet

Wenn Diagnostik und Therapie ausbleiben, habe das womöglich gravierende Folgen, erklärt Geier. „Die Kinder verlieren wichtige Zeit, manche versäumten Entwicklungen können nie wieder aufgeholt werden.“ Dadurch entstünden auch große volkswirtschaftliche Schäden, denn ohne gute Förderung könnten manche Kinder keine Regelschule besuchen und später keinen Beruf ausüben. Plätze an anderen Einrichtungen seien kaum zu bekommen, denn auch die übrigen Zentren im Land seien komplett überlastet.

Norbert Geier, der kurz vor der Rente steht, hat sich entschieden, die Probleme, die er sieht, öffentlich zu machen: „Vielleicht lässt sich so noch etwas bewegen“, ist seine Hoffnung. „Ich bin seit 1986 an der Klinik, aber so schlimm wie im Moment war die Lage noch nie.“    

Der leitende Oberarzt an der SLK-Kinderklinik, Dr. Norbert Geier.
Der leitende Oberarzt an der SLK-Kinderklinik, Dr. Norbert Geier.  Foto: Blass, Valerie

Andere Mitarbeiter, die namentlich nicht genannt werden möchten, sagen unserer Redaktion ebenfalls, die „Lage am SPZ ist dramatisch“. Die Probleme an der Einrichtung, die unter anderem durch schlechte Führung verursacht worden seien, seien zu lange verschleppt worden. Brigitte Wolf, Grünen-Kreisrätin aus Leingarten und Mitglied im SLK-Aufsichtsrat, macht sich ebenfalls große Sorgen um die Zukunft. „Für Familien aus der Region wäre die Schließung des SPZ eine Katastrophe“, sagt Wolf, die vor ihrer Rente dort gearbeitet hat.

Betten nicht belegt, weil Personal fehlt – Sorgen an der SLK-Klinik

Doch die Probleme dort seien bei Weitem nicht die einzigen, heißt es weiter aus dem Klinikumfeld. „Ich frage mich, wie lange das System noch so weiterlaufen kann“, sagt eine langjährige Mitarbeiterin. „Wir machen uns große Sorgen.“ Etliche Kollegen hätten gekündigt, die Stimmung sei im Keller, das Personal chronisch überlastet, es seien einfach zu viele Fälle für zu wenige Mitarbeiter. „Und für die Geschäftsführung zählen nur Zahlen.“

Die Kindermedizin wird in Deutschland nicht auskömmlich vergütet. So sind Kinderkliniken Zuschussbetriebe und müssen von anderen Bereichen oder den Klinikträgern gestützt werden. Mit der Klinikreform soll das geändert werden, aber sie kommt nicht voran. Norbert Geier sagt: „Das ist ein Bereich, der per se nur defizitär geführt werden kann.“ Im Kern gehe es um die Frage, was den SLK-Gesellschaftern Stadt und Landkreis die Versorgung der jüngsten Bürger wert sei. 

Geier bestätigt, dass Betten, zum Beispiel in den kürzlich mit Hilfe der Stiftung „Große Hilfe für kleine Helden“ umgebauten Bereichen Intensivstation und Frühchenversorgung (Neonatologie) regelmäßig nicht betrieben werden können, weil das Personal fehlt. So sei vor zehn Jahren berechnet worden, dass die Neonatologie 74 Vollkräfte in der Pflege brauche, um den gesetzlich vorgeschriebenen Betreuungsschlüssel zu erfüllen. Doch auch heute sei weniger als die Hälfte des eigentlich erforderlichen Personals dort beschäftigt. Die Konsequenz sei, dass Betten geschlossen werden mussten, um die Vorgaben zu erfüllen.

Personalmangel bei Kliniken: Lage auf dem Arbeitsmarkt allgemein schwierig

Brigitte Wolf sagt, die Lage auf dem Arbeitsmarkt sei allgemein schwierig, Norbert Geier bestätigt das. Gleichzeitig belegen Daten aus der öffentlich einsehbaren Datenbank für Qualitätsberichte von Kliniken, dass Heilbronn im Verhältnis von Fachkräften zu Behandlungsfällen durchweg schlechter abschneidet als vergleichbare Häuser, etwa das Klinikum Karlsruhe. Sprich: Viel weniger Ärzte und Pflegekräfte müssen sich in Heilbronn um ähnliche hohe Zahlen von Patienten kümmern.

Auch Daten im neuen Bundes-Klinikatlas scheinen diesen Eindruck für das gesamte Klinikum zu bestätigen. Der sogenannte Personalpflegequotient an den SLK-Häusern in Heilbronn und Bad Friedrichshall wird darin als „weit unterdurchschnittlich“ beschrieben.

Stiftung hat schon zehn Millionen Euro an Kinderklinik ausgeschüttet 

Die Konsequenzen der diversen Engpässe waren auch in den vergangenen Wintern zu spüren: Die Kinderklinik war chronisch überlastet. „Es ist unvorstellbar, wie viele Kinder mit komplizierten Lungenentzündungen wir hatten, die Atemunterstützung brauchten“, sagt Geier. Deswegen habe man auch künftige Gebärende mit komplizierten Schwangerschaftsverläufen und drohenden Frühgeburten abweisen müssen. Denn es sei zeitweise klar gewesen, dass keine weiteren Kinder aufgenommen werden können, die intensivmedizinische Betreuung brauchen.

Diese Probleme bestehen, obwohl die Kinderklinik mit der „Kleine-Helden“-Stiftung von Unternehmer Ralf Klenk einen starken Partner im Rücken hat. 10 Millionen Euro sind in den vergangenen 15 Jahren in die Ausstattung mit modernen Geräten geflossen, die Stiftung hat Umbau- und Sanierungsprojekte mitfinanziert und engagiert sich bei der Aus- und Weiterbildung von Personal.

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