So wandelt sich der Heilbronner Hafen
Es gerät bisweilen in Vergessenheit: Heilbronn ist eine Hafenstadt. Das Rathaus setzt auch in Zukunft auf die Kai- und Gleisanlagen, die Anforderungen aber ändern sich. Die Debatte um den Ausbau der Neckarschleusen ist ein zentraler Faktor.

Die Diskussion um den Ausbau der Neckarschleusen trifft den Heilbronner Hafen in einer Umbruchphase. Kurios: Für das vielversprechende Geschäft mit Frachtcontainern werden Binnenschiffe bislang kaum gebraucht. Hier erfolgt der Umschlag im Moment überwiegend zwischen Lastwagen und Güterwaggons.
Zuwachs ist trügerisch
Ein Plus von 17,6 Prozent auf fast 2,2 Millionen Tonnen Warenumschlag vom Schiff: Der Heilbronner Hafen hat 2021 zugelegt, anders als etwa Stuttgart und entgegen dem Trend der Binnenschifffahrt in Baden-Württemberg, die weiter an Bedeutung verliert. "Die Statistik ist trügerisch", relativiert Martin Diepgen. Heilbronns Erster Bürgermeister verweist darauf, dass es 2019 im EnBW-Kraftwerk eine Brand-Havarie gab, die Aufräumarbeiten dauerten bis 2020. Entsprechend wenig Kohle wurde in dem Referenzjahr für die aktuelle Erfolgsmeldung im Hafen angeliefert.
Kohletransport verliert im Hafen an Bedeutung
Sogenanntes Schüttgut spielt für den Standort nach wie vor die zentrale Rolle. Dazu gehört neben Kohle auch Salz, das die Südwestdeutsche Salzwerke AG im Hafen transportiert. Auch Kies, Sand, Splitt oder Gips werden in Frachtern über den Neckar geschippert und im Hafen umgeladen. Doch der Wandel schreitet voran. Die EnbW will spätestens 2026 ihre kohlebetriebenen Anlagen im Kraftwerk abschalten und auf ein Gas- und Dampfturbinenkraftwerk umsteigen. Der Kohletransport über den Hafen wird perspektivisch keine Rolle mehr spielen. "Die Strahlkraft des Hafens", weiß auch Bürgermeister Diepgen, "hat nachgelassen."
Containerterminal: Vom Flop zum Hoffnungsträger
Als lukrativer Geschäftszweig gilt der Umschlag von standardisierten Frachtcontainern über Wasser, Schiene und Straße - der sogenannte trimodale Ansatz. Dafür wurde 2012 an der Einfahrt zum Altneckar das 17 Millionen Euro teure Containerterminal errichtet. Unter Regie der Deutschen Umschlaggesellschaft Schiene-Straße (DUSS), die zum Bahnkonzern gehört, geriet es zum Flop. Die Investition wurde schon als Musterbeispiel für Steuerverschwendung gehandelt. Nach dem Betreiberwechsel 2018 firmiert es als Kombi-Terminal Heilbronn (KTHN), ein Gemeinschaftsunternehmen der Heilbronner Speditionen Wüst und Karl Schmidt mit der international aktiven IGS Logistic Group - und es ist im Aufwind.
Schiff spielt bei Containerverkehr kaum eine Rolle
Wurden 2019 noch 3460 Standardcontainer umgeschlagen, waren es 2020 trotz Coronakrise mit 7568 mehr als doppelt so viele. Abermals gab es 2021 einen Zuwachs, wieder stolze 76 Prozent. Dabei ist das Containerterminal im Hafen bislang eher bi- als trimodal. Container kommen auf Güterwaggons über die von den Stadtwerken betriebene Hafenbahn und werden auf Lastwagen verladen.
Weil das Gleis zu kurz ist, können im Terminal bislang nur Züge von 350 Meter Länge abgewickelt werden, üblicherweise sind sie doppelt so lang. Ein Ausbau des Gleises ist geplant. Einen echten Containerhafen hat Heilbronn freilich noch nicht, auch wenn das Terminal im Hafen liegt: Das Binnenschiff spielt für den Containerumschlag bislang kaum eine Rolle. "Unsere Bemühungen, das KTHN in den Fahrplan der Binnenschiffe ab Stuttgart in Richtung Rhein einzubinden, waren bis dato nur bedingt von Erfolg gekrönt", sagte KTHN-Geschäftsführer Harald Rotter kürzlich unserer Zeitung. Deshalb setzt das Unternehmen wie viele andere in der Branche auf den lange angekündigten Ausbau der Schleusen.
Debatte um Schleusenausbau geht weiter
Der Neckar ist für die Binnenschifffahrt nur bedingt attraktiv, die Schleusen erlauben nur 105 Meter lange Frachter. Die 135 Meter langen Schiffe, die auf dem Rhein üblich sind, bieten 40 Prozent mehr Frachtvolumen, sie zu bewegen kostet aber kaum mehr Energie - für die Logistik und die im Sinne des Klimaschutzes angestrebte Verlagerung von Teilen des Güterverkehrs aufs Wasser wäre das förderlich. Die Verlängerung der 27 Neckarschleusen zwischen Mannheim und Plochingen war beschlossene Sache, bis der Bund unter dem neuen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) auf Distanz zu dem Projekt ging, wie die Stimme exklusiv berichtete. Mittlerweile hat sich Wissing zum Ausbau bekannt, aber betont, die Sanierung der Schleusen habe Priorität. Politiker und Wirtschaftsvertreter aus der Region befürchten eine Verschiebung um Jahrzehnte, wenn nicht das Aus für die Schleusenverlängerung.
Regionale Politik und Wirtschaft machen Druck
Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel hat ein Bündnis mit Landräten und Wirtschaftsvertretern geschmiedet, um beim Bund Druck zu machen. Zudem hat er in der Sache mit seinem Stuttgarter Amtskollegen Frank Nopper gesprochen, die Hafenstädte am Neckar üben den Schulterschluss. Landesverkehrsminister Winfried Hermann und mehrere regionale Abgeordnete haben ebenfalls bereits an Wissing geschrieben, um den Ausbau der Schleusen voranzubringen. Die Kosten hierfür waren zuletzt inklusive Instandsetzung auf 1,2 Milliarden Euro geschätzt worden. FDP-Politiker begrüßten hingegen die Initiative ihres Parteifreunds Wissing. Die Betriebssicherheit auf dem Neckar habe Priorität, unterstützen sie den Ansatz: erst sanieren, dann ausbauen.
Hafen soll mehr ins Bewusstsein rücken
Ungeachtet der aktuellen Schleusendebatte: Heilbronn soll sich seiner Hafentradition wieder bewusster werden. "Die Stadt setzt darauf, dass der Hafen eine Zukunft hat", betont Bürgermeister Diepgen. In den Fokus rücken die Anlagen am 24. Oktober beim Hafenforum, zu dem sich auch Minister Hermann angekündigt hat.
Es soll in Zukunft regelmäßig stattfinden, um ein Netzwerk zwischen den Akteuren zu knüpfen. Die Schleppbootfreunde mit dem historischen Boot "Hafenamt Heilbronn" sollen künftig noch mehr zu Botschaftern dieses Teils der Stadtgeschichte werden. Auch an ein Hafenfest ist gedacht. Auf dass nicht in Vergessenheit gerät: Heilbronn ist auch eine Hafenstadt.