Entsetzen über Neckarschleusen-Pläne des Bundes
Mit Kritik und Unverständnis haben Politiker aus der Region auf die Stimme.de-Exklusivmeldung reagiert, dass der Bund auf Distanz zum Ausbau der Neckarschleusen geht. Branchenvertreter fürchten das langfristige Aus für die Binnenschifffahrt.

"Für Heilbronn und die Region wäre das eine Katastrophe", sagt der Heilbronner CDU-Bundestagsabgeordnete Alexander Throm. Sein SPD-Kollege Josip Juratovic aus Gundelsheim sieht noch Chancen:
"Das Vorhaben ist nicht erledigt." Der Ausbau der Neckarschleusen für 135-Meter-Schiffe sei dringend notwendig. Das 2012 eröffnete Containerterminal am Heilbronner Hafen ergebe nur mit längeren Schleusen Sinn. "Der Ausbau ist Jahr für Jahr verschleppt worden."
Brandbrief von Hermann nach Berlin
Das wirft auch Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) dem Bund vor. In einem Schreiben vom Mittwoch, aus dem unsere Zeitung exklusiv zitierte, fordert Hermann seinen Berliner Amtskollegen Volker Wissing (FDP) auf, den seit vielen Jahren geplanten Umbau der 27 Schleusen "zügig" voranzutreiben.
Antwort bestätigt Befürchtungen
Wissings Antwort kam postwendend am Donnerstag und bestätigte Stimme-Recherchen. "Die jüngsten Erkenntnisse aus der Maßnahmenplanung am Neckar geben Anlass, die Infrastrukturziele neu zu justieren", schreibt Wissing. Der Maßnahmenumfang sei "deutlich unterschätzt worden". Ressourcen seien begrenzt. Deshalb legt der Bund den Fokus auf die Instandsetzung. Die Verlässlichkeit des Schleusenbetriebs habe Priorität gegenüber einer "auf Jahrzehnte unvollendete Schleusenverlängerung".
Öffentlich-Private-Partnerschaft als Ausweg?
Valentin Abel, FDP-Bundestagsabgeordneter aus Hohenlohe und Mitglied im Verkehrsausschuss, konkretisiert: Halte man an der bisherigen Planung fest, könnte sich die Realisierung bis 2080 hinziehen. Trotzdem hat Abel die Verlängerung der Schleusenkammern nicht abgeschrieben, zur Finanzierung bringt er Kooperationen mit der Privatwirtschaft ins Spiel.
Für lange Schiffe ist der Fluss nicht befahrbar
Zuletzt war von Kosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro für Ausbau und Instandsetzung der Schleusen die Rede. Priorität sollte daher zunächst der Ausbau zwischen Mannheim und Heilbronn haben - mit einem Zeithorizont bis 2040. Bisher ist der Fluss mit den Neckar-typischen 105 Meter langen Frachtern befahrbar. Auf dem Rhein sind 135 Meter lange Schiffe üblich, die effizienter und wirtschaftlich rentabler sind.
Mache man den Strom nicht für 135-Meter-Frachter schiffbar, "können wir uns von der Binnenschifffahrt auf dem Neckar verabschieden", sagt Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt. Diese gilt, trotz zum Teil veralteter Antriebssysteme, als klimaschonendere Alternative zum Lkw-Transport. Gleichwohl hat ihre Bedeutung kontinuierlich abgenommen. So wurden in Deutschland 2020 drei Viertel des Güterverkehrs auf der Straße abgewickelt, rund 18 Prozent mit der Bahn und nur sieben Prozent auf den Flüssen.
IHK sieht "eklatanten Widerspruch"
Scharfe Kritik an der jüngsten Entwicklung kommt aus der regionalen Wirtschaft. Die Industrie- und Handelskammer Heilbronn (IHK) fordert, dass der Neckar mit "oberster Priorität" behandelt wird.
"Sollte der Bund tatsächlich auf Distanz zum Schleusenausbau gehen, wäre dies ein eklatanter Widerspruch zu dem bundespolitischen Ziel, möglichst schnell bei der Energieversorgung autark zu werden", erklärt Elke Döring, Hauptgeschäftsführerin der IHK Heilbronn-Franken. Der Neckar sei der ideale Transportweg für Kohle und Wasserstoff und spiele für die Wirtschaft in Heilbronn-Franken und in ganz Süddeutschland eine entscheidende Rolle.
Regionaldirektor wirft Bund Ideenlosigkeit vor
Für Klaus Mandel, Direktor des Regionalverbands Heilbronn-Franken, muss der Ausbau der Neckarschleusen "nicht beendet, sondern beschleunigt werden". Nur dann könne sich die Wirtschaft und die Logistik auf die Systemvorteile eines funktionierenden Neckars einstellen. Nach Jahrzehnten der Planung heute zu sagen, es fehle das Geld, ist für Mandel das "Ideenloseste, was ich mir vorstellen kann".