SLK-Chef Weber: "Flurbetten lassen sich nicht immer vermeiden"
Thomas Weber, Geschäftsführer der SLK-Kliniken Heilbronn, nimmt im Interview zu den Vorwürfen Stellung, die der Betriebsrat Anfang Januar erhoben hat.
Flurbetten als Dauerzustand und die Gefährdung des Patientenwohls durch chronische Personalknappheit: Der SLK-Betriebsrat hat Anfang Januar heftige Vorwürfe gegen die Geschäftsführung der Kliniken erhoben. Es sei eine schwierige Abwägung, ob man Patienten wegschickt oder sie versorgt, obwohl die Kapazitäten eigentlich ausgereizt sind, sagt SLK-Chef Thomas Weber im Gespräch mit unserer Redaktion. Er erklärt auch, warum es aus seiner Sicht wichtig ist, dass der Verbund weiter Gewinne erwirtschaftet.
Wie bewerten Sie die Vorwürfe des Betriebsrats mit einigem Abstand?
Thomas Weber: Ich bin dafür, offen zu kommunizieren, auch über Probleme, aber das zunächst intern. Insofern hielt ich Zeitpunkt und Konstellation für unglücklich. Der erste Brief hat mich kurz vor Weihnachten erreicht, am 3. Januar wurde dann an die Mitarbeiter kommuniziert und das fand auch den Weg an die Presse. Inhaltlich kann ich sagen: Flurbetten lassen sich nicht immer vermeiden, wenn wir keine Patienten abweisen wollen. Klar ist: Es darf nicht zu einer Gefährdung von Patienten kommen. Wenn das Risiko besteht, müssten wir tatsächlich an andere Kliniken weiterschicken.
Führen Sie eine Statistik darüber, wie häufig und wie lange Patienten auf den Gängen liegen?
Weber: Wir lassen uns von den Stationen melden, wenn Patienten warten müssen. Denn es geht ja auch darum zu analysieren, woran das liegt, um dann womöglich Prozesse zu verändern. Wenn Patienten warten müssen, kann das am Personalmangel liegen, aber zum Beispiel auch daran, dass Betten und Zimmer nicht rasch genug gereinigt werden können. Grundsätzlich bin ich der Meinung: Flurbetten dürfen kein Dauerzustand sein, aber wenn Patienten an wenigen Tagen im Jahr ein paar Stunden auf ein freies Zimmer warten müssen, ist das vertretbar.
Wie oft gehen Sie selbst durchs Haus, um sich ein Bild von der Situation in den Bereichen zu machen?
Weber: Regelmäßig, aber ich laufe nicht jede Woche durch die Stationen. Die Pflegedirektion ist täglich präsent und berichtet mir.
Haben Sie den Eindruck, die Mitarbeiter fühlen sich genügend gehört von der Geschäftsleitung?
Weber: Wir haben 5800 Mitarbeiter, da wäre es illusorisch davon auszugehen, dass nicht der eine oder andere unzufrieden ist. Aber die Führungskräfte der Bereiche sind permanent im Gespräch mit den Mitarbeitern. Insofern akzeptiere ich den Vorwurf, die Mitarbeiter würden nicht genügend gehört, so nicht. Aber es gibt natürlich Unzufriedenheiten, die wir an manchen Stellen nicht immer vollständig ausräumen können.
Was sind die größten Streitpunkte?
Weber: Von Streitpunkten würde ich nicht sprechen. Der Betriebsrat und die Unternehmensleitung haben unterschiedliche Auffassungen dazu, wann man die Versorgung der Patienten einschränken muss, weil die Belastung für die Mitarbeiter zu groß wird. Der Betriebsrat würde gern prophylaktisch agieren, das sehen wir kritisch, weil wir die Patientenversorgung sicherstellen wollen und müssen. Aber wir haben auch 2022 mehrfach Betten gesperrt, wenn der Druck zu groß war. Insofern reagieren wir permanent auf Überlastungssituationen. Wir haben einen Fachkräftemangel, das ist nicht nur bei SLK so. Und wenn dann Situationen wie vor Weihnachten mit vielen Erkrankten hinzukommen, wird es schwierig.
Wie viel Personal fehlt Ihnen?
Weber: Über den Verbund hinweg würde ich etwa von 60 Köpfen sprechen, wobei wir zum Beispiel in der Pflege einen relativ stabilen Wert haben. 2018 hatten wir 1167 Vollkräfte, 2022 dann 1159. Das ist eine normale Schwankungsbreite. In unserer Planung haben wir Geld zur Verfügung gestellt, um noch mehr Mitarbeiter einzustellen. Das tun wir zum Teil auch über die vorgesehene Stellenplanung hinweg. Wenn es zwei geeignete Bewerber für eine Stelle gibt, dann stellen wir unter Umständen beide ein, denn irgendwann wird wieder eine Lücke entstehen.
Wie gehen Sie im Verbund mit dem Thema Personal um?
Weber: Wir haben eine Reihe von Maßnahmen zur Mitarbeiter-Gewinnung und -Bindung ergriffen. Durch die Erweiterung unserer Gesundheitsakademie sind wir in der Lage, zwei Jahrgänge parallel auszubilden, das sind aktuell 250 junge Menschen. Wir haben SLK-Kitas, Personalwohnungen, Job-Tickets und -Räder und wir setzen Anreize über diverse Prämien, zum Beispiel, wenn Teilzeitkräfte ihr Stundenkontingent erhöhen. Außerdem versuchen wir kreativ zu sein und Schichtpläne flexibler zu gestalten. Manche Mitarbeiter wollen zum Beispiel länger als acht Stunden arbeiten, aber dafür nur an vier Tagen. Zudem haben wir einen Pool von Mitarbeitern gegründet, die in unterschiedlichen Bereichen einspringen, und Leasingkräfte, die Lücken füllen. Das sind nur ein paar Beispiele unseres Gesamtpakets.
Reicht das aus?
Weber: Was wir wollen, ist Stabilität und Verlässlichkeit in den Teams, denn das bringt auch Ruhe auf den Stationen und kommt der Qualität der Versorgung zu Gute. Aber das Ziel ist nicht leicht zu erreichen. Es kommt immer wieder vor, dass wir Mitarbeiter kurzfristig in andere Abteilungen schicken, wenn es Ausfälle gibt oder dass Leute einspringen, die eigentlich frei haben. Das führt zu Unzufriedenheit, die ich persönlich nachvollziehen kann. Aber wir sind ein Betrieb, der 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche laufen muss.
Drei Viertel aller Krankenhäuser im Land werden voraussichtlich 2022 rote Zahlen schreiben. Gehört SLK auch dazu?
Weber: Nein, wir hatten 2021 einen Gewinn von 4,3 Millionen Euro und gehen davon aus, dass er für 2022 höher ausfällt.
Woran liegt das?
Weber: Das sind verschiedene Effekte. Zum einen haben wir unsere Strukturen optimal aufgestellt, indem wir in Brackenheim und Möckmühl die hoch defizitären Krankenhäuser geschlossen und neue Strukturen etabliert haben. Außerdem haben wir bereits vor Jahren damit begonnen, bestimmte medizinische Angebote an einem Standort zu konzentrieren: Die ganze Orthopädie zum Beispiel ging an den Plattenwald, dafür sind Urologie und Gynäkologie komplett am Gesundbrunnen. Vieles, was wir schon umgesetzt haben, wird jetzt im Zuge der Gesundheitsreform diskutiert. Zusätzlich haben die Corona-Ausgleichszahlungen geholfen und die Tatsache, dass wir am Plattenwald, unserem Corona-freien Haus, weiter operieren konnten.
Ist es überhaupt sinnvoll, weiter Gewinne anzupeilen? Oder wäre es nicht besser, noch mehr Geld ins Personal zu stecken?
Weber: Wir brauchen Gewinne, um unsere Handlungsfähigkeit zu behalten und im Sinne unserer Patienten investieren zu können. So können wir rechtzeitig Investitionen in die Zukunft tätigen und müssen nicht erst auf Fördermittel des Landes warten. Die Photovoltaikanlagen, die wir im jüngsten Bauabschnitt am Gesundbrunnen planen, sind so ein Beispiel. Mittelfristig können wir dadurch Teile unserer Energie selbst erwirtschaften, was nachhaltiger und kostengünstiger ist. Ein Krankenhausverbund, der seit Jahren in den roten Zahlen ist, bekommt vermutlich für solch eine Investition kein Geld.
Zur Person
Der gebürtige Heilbronner Thomas Weber ist seit 2020 Geschäftsführer der SLK-Kliniken. Schon zuvor hatte der 62-Jährige verschiedene Führungspositionen im Gesundheitswesen inne, unter anderem war er Geschäftsführer der AOK Heilbronn-Franken und Mitglied der Regionalleitung der Barmherzige-Brüder-Trier-Gruppe.



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