Patientenversorgung gefährdet? Wie dramatisch die Lage an den SLK-Kliniken ist
Der Betriebsrat erhebt schwere Vorwürfe gegen die Unternehmensleitung. Klinikchef Thomas Weber spricht angesichts vieler Patienten und chronischer Personalknappheit von einem "Dilemma".

In einem auf Januar 2023 datierten Flugblatt erhebt der Betriebsrat der SLK-Kliniken schwere Vorwürfe gegen die Unternehmensleitung. Es komme regelmäßig zu einer Überbelegung von Stationen. Gleichzeitig sei die Personalsituation durch viele kranke Mitarbeiter sehr angespannt, heißt es darin: "Arbeitssicherheit sowie Brandschutz sind ebenso wie eine adäquate Patientenversorgung gefährdet."
Fluchtwege seien versperrt, die Patientenversorgung nicht mehr sicher
Einzelne Bereiche wie die Kinderklinik oder die Station M6 am Klinikum am Gesundbrunnen in Heilbronn (Innere Medizin) werden konkret benannt. Patienten würden in Flurbetten gelagert, "in der Kinderklinik findet regelmäßig eine Überbelegung der Zimmer statt". In dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, ist von "katastrophalen Zuständen" die Rede, unter denen "kein normales Arbeiten mehr stattfinden" könne. Der Brandschutz sei wegen der Flurbetten nicht gewährleistet, "Fluchtwege sind versperrt!".
Betriebsrat zieht Vorwurf zur Neurologie zurück
Zurückgetreten ist der Betriebsrat zwischenzeitlich von einem Vorwurf, den das Gremium in dem Flugblatt gegenüber der Neurologie am Klinikum am Gesundbrunnen erhoben hatte. Dort würden "regelmäßig Wachkomapatienten und/oder Palliativpatienten eine komplette pflegerische Versorgung auf dem Flur" erfahren. Der Arzt Georg Breuer, einer der Verfasser des Schreibens, sagte unserer Redaktion, diesen Vorwurf ziehe der Betriebsrat zurück. "Da war unsere Recherche zu ungenau." Zu anderen Punkten will sich das Gremium nicht äußern.
SLK-Chef Weber räumt schwierige Lage ein
Unsere Redaktion hat der SLK-Geschäftsführung eine Reihe von Fragen zu den Vorwürfen übersandt. Ohne auf einzelne Punkte einzugehen, antwortet die Pressestelle schriftlich im Auftrag von SLK-Chef Thomas Weber: Seit vergangener Woche habe sich das Patientenaufkommen wieder verstärkt. "Aufgrund dessen kommt es dazu, dass das Klinikum gegenwärtig punktuell seine Auslastungsgrenze erreicht." Es könne sein, dass Patienten temporär auf ein Bett warten müssten "und dann beispielsweise zunächst auf einem Bett im Stationsgang oder in einem Funktionsraum liegen, bis ein Bett im Zimmer frei wird". In "absoluten Ausnahmefällen" müssten "Patienten die Nacht in einem Bett auf dem Flur verbringen". Das sei aber nicht die Regel und auch nicht so eingeplant.
"Als SLK-Verbund ist es weiterhin unser oberstes Ziel, dem Versorgungsauftrag für die Region auch in dieser Phase jederzeit nachzukommen und alle Patienten, die auf dringende medizinische Hilfe angewiesen sind, bestmöglich zu versorgen", wird Thomas Weber weiter zitiert. Eine solch angespannte Lage wie derzeit sei jedoch nicht planbar.
Leser schildern ihre Erfahrungen im Klinikverbund
Kurz nach dem Jahreswechsel hat die Redaktion auch eine Reihe von Leserbriefen erreicht, in denen persönliche Erlebnisse bei SLK festgehalten sind. Der Tenor: Die grundlegende pflegerische Versorgung finde kaum oder gar nicht statt, hilfebedürftige Patienten müssten lange auf Assistenz beim Toilettengang oder der Körperpflege warten, Tabletts mit Essen würden abends unberührt weggeräumt, wenn kein Angehöriger da sei, um bei der Nahrungsaufnahme zu helfen. Auch sei kaum oder gar keine Zeit für Arzt-Patienten-Gespräche. Die Schilderungen in den Zuschriften ähneln sich, sind aber im Einzelfall nicht belegbar.
Das Dilemma hat sich mit der Corona-Pandemie verschärft
Vor allem in der Corona-Pandemie habe sich das Dilemma des Fachkräftemangels offenbart, schreibt SLK: Eine hohe Zahl von Patienten müsse mit einer geringeren Zahl an verfügbarem Personal bestmöglich versorgt werden, denn die Lage habe sich deutlich verschärft. Deshalb seien auch Abstriche nötig. "Um die Sicherheit der einsatzfähigen Mitarbeiter und unserer Patienten zu gewährleisten, reagieren wir deshalb tagesaktuell auf sich immer wieder neu verändernde Situationen und verschieben beispielsweise geplante Operationen, wenn es medizinisch möglich ist."
Das ist eine Forderung, die auch der Betriebsrat in seinem Flugblatt erhoben hatte: "Deshalb fordern wir eine gezielte Steuerung der Belegung und Absagen von elektiven (planbaren, Anm. d. Red.) Patienten zur Vermeidung von Flurbetten", heißt es darin.
Einschätzung von Mitarbeitern
Auch mit einer Handvoll SLK-Mitarbeitern hat die Redaktion gesprochen, sie wollen anonym bleiben. Einige sagen, so hoch wie derzeit sei die Arbeitsbelastung noch nie gewesen, viele Kollegen seien frustriert und wollten raus aus der Branche. Man hört aber auch, gerade von dienstälteren Mitarbeitern: Der Job sei schon immer stressig und verantwortungsvoll gewesen, junge Kollegen hätten inzwischen einen höheren Anspruch an die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben als das früher der Fall gewesen sei. Auch dadurch komme es zu Konflikten.