SLK-Betriebsrat im Interview: "Zahlen sagen nichts über die tatsächlichen Probleme"
Betriebsräte nehmen Stellung zu den Aussagen von SLK-Chef Thomas Weber und Aufsichtsratschef Harry Mergel und fragen: "Was ist den Gesellschaftern eine gute Patientenversorgung wert?"

Das Interview, das SLK-Geschäftsführer Thomas Weber der Heilbronner Stimme Anfang Februar zu den Zuständen an den SLK-Kliniken gegeben hat, habe "einige Unruhe in der Belegschaft ausgelöst", heißt es aus dem SLK-Betriebsrat. Die Aussagen bildeten teilweise nicht die Realität ab, sagen Betriebsratschef Jens Mohr und seine Stellvertreterin Andrea Großkopf im Gespräch mit unserer Redaktion.
SLK kommt nicht aus den Schlagzeilen. Vor allem die Personalausstattung und die daraus resultierenden Probleme stehen immer wieder in der Kritik. Wie bewertet der Betriebsrat die Lage?
Jens Mohr: Die Zahlen, die zur personellen Besetzung auf den Stationen im Umlauf sind, sagen nichts aus über die tatsächlichen Probleme. Fakt ist, wir haben eine riesige Arbeitsbelastung in vielen Bereichen und einen großen Personalmangel, der durch die Pandemie noch verschärft wurde. Die Stammbelegschaft aus examinierten Pflegefachkräften ist geschrumpft, weil viele erfahrene Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben. Die Teams werden dann aufgefüllt mit weniger qualifizierten Kräften, zum Beispiel Anerkennungspraktikanten oder Pflegehelferinnen. Insofern sagt es wenig über die Qualität der Pflege aus, wenn zum Beispiel in einer Frühschicht theoretisch acht Mitarbeiterinnen für 72 Patienten eingesetzt werden sollen.
Wie würden Sie die Qualität der Patientenversorgung beurteilen?
Andrea Großkopf: Sie ist unter diesen Bedingungen nicht mehr in dem Maße gewährleistet wie das früher der Fall war. Der Umfang grundlegender pflegerischer Tätigkeiten ist deutlich reduziert. Früher hat eine Krankenschwester alles gemacht, bis hin zur Essensausgabe. Heute übernehmen zur Entlastung der Pflege auch Aushilfen Tätigkeiten am Patienten. So kommt es zum Beispiel, dass diejenige, die ein Tablett mit unberührtem Essen abräumt, nicht nachfragt beim Patienten. Hinzu kommt das ständige Einspringen in anderen Abteilungen.
Wie läuft das ab?
Großkopf: Wenn es in einer Schicht Ausfälle oder Engpässe gibt, springen Mitarbeiter aus anderen Bereichen ein, das kommt häufig vor. Aber: Eine Fachpflegekraft mit langjähriger Erfahrung im Bereich Chirurgie erkennt Veränderungen bei einem chirurgischen Patienten wahrscheinlich früher und kann besser einwirken als eine Aushilfe aus einem anderen Bereich. Solche Situationen machen die Mitarbeiter unsicher. Das kann man konkret an der Zahl der Überlastungsanzeigen festmachen.
Was ist das genau?

Mohr: Mitarbeiter haben die Möglichkeit, ein standardisiertes Formular auszufüllen, wenn sie in Sorge sind, einen Fehler zu machen, etwa, weil sie in der Nachtschicht allein mit einer Aushilfe sind. Damit sichern sie sich rechtlich ab und sind aus der Haftung, sollte etwas passieren. Wir können sagen: Die Zahl dieser Anzeigen ist richtig hoch, sie hat über die Jahre auch zugenommen. Am Gesundbrunnen gab es 2022 insgesamt 353 Anzeigen und am Plattenwald 250. Wir hören immer wieder, dass Mitarbeiter, die Sorge haben, auf einer fremden Station einen Fehler zu machen, nachts nicht mehr schlafen können. So entsteht eine Abwärtsspirale, aus der viele nicht mehr rauskommen.
Welche Reaktion folgt auf eine Überlastungsanzeige?
Großkopf: Eine Kenntnisnahme der Pflegedienstleitung, wenn man den Weg über das dafür vorgesehene Formular geht. Aber die Probleme werden ja häufig auch auf andere Weise angesprochen, und da hören wir von den Mitarbeitern, dass sie sich nicht richtig gehört fühlen. Sie bekommen teilweise auch gesagt, dass ihre Wahrnehmung subjektiv sei. Wenn sich an der Situation trotz mehrfacher Meldungen nichts ändert, dann resignieren viele. Wir hören dann Aussagen wie: "Ich als Beschäftigte werde ja sowieso nicht gehört."
Kliniken im ganzen Land leiden unter Personalknappheit. Welchen Anteil an der Misere hat das System und inwieweit ist die Situation hausgemacht?
Großkopf: Es ist sicher beides. Fachkräftemangel herrscht überall, und man versucht schon, sich im SLK-Verbund bestimmte Dinge einfallen zu lassen, um die Situation zu verbessern, zum Beispiel, indem man mehr ausbildet. Aber die Leute bleiben nach der Ausbildung eben nicht, wenn die Rahmenbedingungen so schlecht sind.
Mohr: Für mich ist eine der Kernfragen, ob die SLK-Gesellschafter in Zukunft bereit sind zu akzeptieren, dass ihre Kliniken womöglich dauerhaft zum Zuschussbetrieb werden.
Bisher schreibt SLK Gewinne, auch 2022 erwartet SLK-Chef Weber ein deutliches Plus, während 70 Prozent der Kliniken im Land mit roten Zahlen rechnen. Geht die Strategie zulasten der Mitarbeiter?

Großkopf: Natürlich muss auch ein Klinikum wirtschaftlich arbeiten, aber die Frage ist doch: Was ist es den Gesellschaftern wert, dass Patienten, die als Notfall in ihre Kliniken kommen, schnell behandelt werden?
Mohr: Ich habe im Übrigen auch große Sorge, was die Pläne für die Lauterbach"sche Krankenhausreform angeht. Man denkt, wenn kleine Krankenhäuser geschlossen werden, habe man an den größeren mehr Personal. Aber das hat schon mit Brackenheim und Möckmühl nicht funktioniert. Die Mitarbeiter sind zwar an die größeren Häuser gewechselt, die meisten sind aber inzwischen wieder weg. Sie wollten nicht in solchen großen Strukturen arbeiten.
Wie angespannt ist das Verhältnis zwischen SLK-Betriebsrat und Geschäftsführung?
Mohr: Im Betriebsverfassungsgesetz steht, dass beide Parteien vertrauensvoll zusammenarbeiten sollen und das versuchen wir. Es gibt eben unterschiedliche Sichtweisen auf die Probleme. Großkopf: Ich finde es gut, dass SLK-Chef Weber kürzlich im SLK-Betriebsrat war. In dieser Sitzung haben wir vereinbart, dass die Kommunikation besser werden soll. Einmal im Quartal will er sich mit dem gesamten Gremium treffen. Das ist ein guter Schritt, um in den Austausch zu kommen.
Wie ist der Austausch mit dem Aufsichtsrat?
Mohr: Wir sitzen beide als Mitglieder des SLK-Betriebsrates im Aufsichtsrat und informieren das Gremium regelmäßig über die großen Themen. Ich weiß auch, dass einzelne Aufsichtsräte Zuschriften aus der Bevölkerung bekommen. Insofern sind die Themen dort bekannt. Ich würde mir schon wünschen, dass der Austausch auch auf der informellen Ebene noch intensiver wird, man mehr miteinander spricht.
Welche Perspektive sehen Sie für die Pflege?
Mohr: Aktuell wird über die Einführung der Bezugspflege bei SLK nachgedacht. Dabei werden große Stationen in kleinere Einheiten unterteilt und Pflegekräfte dann dauerhaft diesen Einheiten zugeteilt. Das soll zu mehr Kontinuität bei der Patientenversorgung führen und zu mehr Zufriedenheit bei den Mitarbeitern. Man hofft, dadurch auch wieder Mitarbeiter zurückzugewinnen. Eigentlich ist das ein gutes System. Rückblickend denke ich, man hätte es schon beim Bezug des Neubaus einführen sollen. Mir fehlt aber der Glaube daran, dass es sich mit der aktuellen Mitarbeiterzahl umsetzen lässt.
Zu den Personen
Jens Mohr (58) ist Betriebsratsvorsitzender der SLK-Kliniken Heilbronn GmbH, gelernt hat er den Beruf des Krankenpflegers. Andrea Großkopf (63) ist seine Stellvertreterin, sie hat unter anderem als Stationsleitung gearbeitet.