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Raser-Prozess im Heilbronn: Staatsanwältin hält Todesfahrt in der Wollhausstraße für Mord

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Vor dem Heilbronner Landgericht haben im sogenannten Raser-Prozess die Plädoyers begonnen. Die Staatsanwältin hält eine neunjährige Jugendstrafe für angemessen. Die erste Verteterin der Nebenklage fordert dagegen eine lebenslange Haft für den Angeklagten.

Am 12. Februar vergangenen Jahres hatte Angeklagte mit viel zu hoher Geschwindigkeit ein Fahrzeug in der Wollhausstraße gerammt. Einer der Insassen starb. Dafür steht der 21 Jahre alte Beschuldigte vor Gericht.
Am 12. Februar vergangenen Jahres hatte Angeklagte mit viel zu hoher Geschwindigkeit ein Fahrzeug in der Wollhausstraße gerammt. Einer der Insassen starb. Dafür steht der 21 Jahre alte Beschuldigte vor Gericht.  Foto: Archiv/Kunz

Eine Jugendstrafe von neun Jahren unter anderem wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes hat Staatsanwältin Christiane Triaa am Mittwoch im Raser-Prozess vor dem Heilbronner Landgericht gefordert. Der 21 Jahre alte Angeklagte habe einen bedingten Tötungsvorsatz gefasst. Die Tat erfülle zudem das Mordmerkmal der Heimtücke, so die Anklagevertreterin.

Elisabeth Unger-Schnell, Anwältin der Witwe des bei dem Unfall getöteten 42 Jahre alten Familienvaters, forderte in ihrem Plädoyer eine lebenslange Haftstrafe wegen Mordes. Für sie kommt nur Erwachsenenstrafrecht infrage.

Plädoyers im Raser-Prozess in Heilbronn: Nach sieben Monaten Verhandlungen schließt Gericht Beweisaufnahme

Der Angeklagte ist am 12. Februar 2023 mit knapp 100 Stundenkilometern in der Heilbronner Wollhausstraße in den Mercedes einer Familie gekracht, die aus einer Tiefgaragenausfahrt fuhr. Der Familienvater starb sofort. Seine Frau und die beiden Kinder wurden verletzt und leiden bis heute an den Folgen


Nach rund siebenmonatiger Verhandlung hat die zweite Große Jugendkammer des Landgerichts am Mittwoch die Beweisaufnahme abgeschlossen. Auf zwei Tage verteilt halten die Staatsanwältin, vier Vertreter der Nebenkläger sowie der beiden Verteidiger des Beschuldigten ihre Plädoyers.

Die Staatsanwältin machte sich den im Laufe des Verfahrens mehrfach gegebenen rechtlichen Hinweis des Vorsitzenden Richters Alexander Lobmüller zu eigen. Lobmüller sagte zweimal, dass es sich bei der Tat auch Mord handeln könnte. Zum Prozessauftakt Mitte August ist Triaa bei der Anklageverlesung noch von Totschlag und dreifachen versuchten Totschlag ausgegangen.

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Den bedingten Tötungsvorsatz habe der Angeklagte spätestens ab dem Zeitpunkt gefasst, als er fast eine Fußgängerin auf dem Zebrastreifen wenige Meter vor dem Unfallort überfahren hätte. Die Fußgängern konnte eine Kollision nur vermeiden, indem sie ab der Mitte der Straße auf die andere Seite rannte. "Aber anstatt abzubremsen, beschleunigte der Angeklagte sein Fahrzeug weiter", so Triaa.


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Das Opfer sprach die Anklägerin frei von jeglicher Schuld am Unfall. Bei der Ausfahrt aus der Tiefgarage habe der 42-Jährige das heranbrausende Auto des Angeklagten gar nicht wahrnehmen können. Der getötete Familienvater habe "sein Leben sinnlos und grundlos verloren. Die Familie ist gezwungen, ohne ihn weiterzuleben", so Triaa.

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Darüber hinaus sei der Angeklagte wegen dreifacher gefährlicher Körperverletzung, eines verbotenen Fahrzeugrennens sowie wegen einer vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs zu verurteilen. Zudem sei er ungeeignet, ein Fahrzeug zu führen. Der Führerschein müsse für fünf Jahre entzogen werden. "Damit ist nicht gesagt, dass er seine Fahrerlaubnis danach wieder erlangt", so die Staatsanwältin.

Mit ihrem Strafantrag nach Jugendrecht folgte die Anklägerin der Empfehlung des psychiatrischen Gutachters sowie der Vertreterin der Heilbronner Jugendgerichtshilfe. Sie hatten dem zum Unfallzeitpunkt 20 Jahre alten Beschuldigten eine Reifeverzögerung attestiert. "Ich kann nicht ausschließen, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt einem Jugendlichen gleichzusetzen ist", so Triaa.

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Für die Anwältin der Witwe habe die Beweisführung dagegen ergeben, dass der Angeklagte nicht nach Jugendstrafrecht beurteilt werden dürfe. Schon während der Beweisaufnahme äußerte Unger-Schnell Zweifel am Gutachten des Tübinger Kinder- und Jugendpsychiaters Professor Michael Günter. Die Nebenklägerin forderte eine lebenslange Haftstrafe. Außerdem müsse dem Beschuldigten der Führerschein auf Lebenszeit entzogen werden.

Vor den Plädoyers hatte es der neuropsychologische Sachverständige, Professor Hans-Otto Karnath aus Tübingen, für unwahrscheinlich erklärt, dass der Beschuldigte die Frau, die er auf einem Zebrastreifen fast überfuhr, zwar gesehen, aber nicht wahrgenommen habe. Auf Antrag der Verteidiger sollte der Sachverständige ausführen, ob der Beschuldigte Opfer einer Fehlfunktion des Gehirns gewesen sein könnte.

Die Verhandlung wird am 10. April fortgesetzt. Dann folgen die Plädoyers dreier weiterer Anwälte der Nebenkläger sowie der Verteidiger. Das Urteil fällt voraussichtlich am 16. April.

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