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Notarzt soll künftig per Video unterstützen

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Von der Neuerung versprechen sich Experten mehr Effizienz. Doch vor der flächendeckenden Einführung soll es zunächst zwei Pilotprojekte im Land geben. SLK-Unfallchirurg Linhart rechnet nicht mit schneller Umsetzung.

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Foto: dpa  Foto: Julian Stratenschulte

Telenotärzte, die Einsätze per Videoschalte begleiten, sollen bald das Rettungssystem in Baden-Württemberg ergänzen. Das sieht der neue Rettungsdienstplan vor. "Der Entwurf befindet sich aktuell in der Endabstimmung zwischen dem Innenministerium und den Kosten- und Leistungsträgern im Rettungsdienst", heißt es aus dem Ministerium in Stuttgart. Erstmals sei darin ein telenotärztliches System vorgesehen.

Pilotprojekt in Ludwigsburg umfasst auch den Rettungsdienstbezirk Heilbronn, Öhringen, Schwäbisch Hall

Zunächst sind zwei Pilotstandorte geplant, einer in Freiburg und einer in Ludwigsburg - die Projektleitung für diesen hat der ASB. Der Standort Ludwigsburg umfasst den gesamten Rettungsdienstbereich, dem auch Heilbronn, Öhringen und Schwäbisch Hall zugeordnet sind, sagt Götz Geldner, Notarzt und Ärztlicher Direktor am Klinikum Ludwigsburg.


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Der Telenotarzt sollte schneller kommen


Vorgesehen sei, dass der Notarzt nur noch bei bestimmten Alarmierungen als Standard mitfahre. Er nennt als Beispiele Verkehrsunfälle oder Notfälle mit Kindern. Im Großteil der Fälle soll ein über Video zugeschalteter Notarzt, der in der Rettungsleitstelle sitzt, den Einsatz über Video begleiten und die Notfallsanitäter vor Ort anleiten. Nur wenn der Telenotarzt den Bedarf feststellt, werde ein Notarzt physisch zur Einsatzstelle geschickt.

In bis zu 80 Prozent der Fälle wird gar kein Notarzt am Einsatzort gebraucht

Geldner verspricht sich von den Telenotärzten deutliche Effizienzgewinne, bisher werde nämlich bei 70 bis 80 Prozent der Einsätze eigentlich gar kein Notarzt vor Ort benötigt. Perspektivisch könne er sich auch vorstellen, dass Notfallsanitäter noch mehr Verantwortung übernehmen, wenn ein Arzt im Hintergrund das begleitet. "Diese sind inzwischen sehr gut ausgebildet."


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Fahrzeuge müssen nachgerüstet und das Personal mit Bodycams ausgestattet werden

Um das Projekt auf den Weg zu bringen, müssen zunächst die Fahrzeuge mit der Technik zur Live-Übertragung von Daten nachgerüstet werden. Notfallsanitäter brauchen Bodycams und das Personal muss für das Verfahren ausgebildet werden. Wolfgang Linhart, Ärztlicher Direktor am SLK-Klinikum in Heilbronn, sagt, grundsätzlich sei die Idee vernünftig, auch angesichts des Personalmangels in der Medizin und der Tatsache, dass die Hilfsfristen regelmäßig nicht eingehalten werden.


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"Wenn wir dadurch den einen oder anderen Notarztwagen weniger brauchen, wäre schon viel gewonnen." Allerdings dämpft Linhart die Hoffnung auf eine schnelle Umsetzung. Allein bis die Kostenübernahme geklärt sei, werde es wohl noch dauern. "Darüber wird schon sehr lange gesprochen und es wird auch noch einiges an Vorlauf brauchen", so Linhart weiter.

Die Arbeitsgemeinschaft Südwestdeutscher Notärzte (AGSWN) begrüßte die Pläne grundsätzlich. Allerdings sei man von der Möglichkeit einer flächendeckenden Versorgung mit Telenotärzten bisher noch weit entfernt, heißt es auch von dort.

Im Landkreis Straubing hat man gute Erfahrungen mit dem System gesammelt

Bayern hat bereits beschlossen, das System flächendeckend einzuführen. Vorausgegangen war das zwei Jahre dauernde Pilotprojekt Telenotarzt im Landkreis Straubing. Klaus Graf von der IQ Medworks GmbH in Passau, die verantwortlich für den Pilot war, sagt, es habe sich gezeigt, dass telenotärztliche Konsultationen selbst im bayerischen Wald technisch möglich seien, die Erreichbarkeit habe bei über 95 Prozent gelegen, bei Systemabbruch habe sich die Verbindung selbstständig neu aufgebaut.


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Graf spricht von einer "eindeutigen Effizienzsteigerung", viele unnötige Notarzt-Fahrten zum Einsatzort hätten vermieden werden können. Andere Einsatzgeräte wie etwa ein Rettungshubschrauber seien schneller wieder für die nächste Alarmierung bereit. Etwa wenn ein Patient unter teleärztlicher Aufsicht mit dem Rettungswagen vom Einsatzort abtransportiert werde, anstatt vom Notarzt persönlich in die Klinik begleitet zu werden. Ein klassisches Beispiel sei die Schenkelhalsfraktur, eine häufige Verletzung im Alter, die schmerzhaft, aber nicht lebensbedrohlich sei.

Hier gehe es darum, die Patientin unter Gabe von Schmerzmitteln ins Krankenhaus zu transportieren, das könnten die Sanitäter gut ohne Notarzt bewältigen.


Hilfsfrist

Im neuen Rettungsdienstplan ist außerdem geplant, die sogenannte Hilfsfrist von derzeit 15 auf 12 Minuten zu verkürzen. Eine gesonderte Hilfsfrist für Notärzte soll es dann nicht mehr geben. Unter Hilfsfrist versteht man die Zeit, die ab Eingang des Notrufes bis zum Eintreffen des Rettungsmittels am Notfallort maximal verstreichen darf. Bisher ist vorgeschrieben, dass Retter in 95 Prozent der Notfalleinsätze in spätestens innerhalb von 15 Minuten beim Patienten sein müssen. Diese Vorgaben waren aber im vergangenen Jahr fast immer gerissen worden.

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