"Hoffentlich keine Schwerverletzten": Einsatzleiter über A81-Unfallserie
Bei der Massenkarambolage auf der A81 bei Untergruppenbach waren mehr als hundert Rettungskräfte vor Ort. Der DRK-Einsatzleiter erzählt, wie man so komplexe Unfallsituationen koordiniert.

17 Unfälle mit über 80 Fahrzeugen auf einer Strecke von über sieben Kilometern – so war die Lage auf der A81 Richtung Stuttgart am vergangenen Freitagnachmittag, als es auf der Autobahn zu einer Massenkarambolage kam. Noch ist die Unfallursache nicht geklärt, Beteiligte berichteten von plötzlich einsetzendem Regen und tiefstehender Sonne.
Schwerverletzte Personen gab es zwar keine, für Einsatz- und Rettungskräfte war die Komplexität der Lage trotzdem eine enorme Herausforderung. Um mögliche (Schwer-)Verletzte so schnell wie möglich versorgen zu können, sind Überblick und effiziente Koordination absolut zentral. Wie kann das gelingen? Philipp Müller vom DRK war an diesem Tag als Einsatzleiter der Rettungsdienste vor Ort und hat der Stimme-Redaktion erzählt, wie der Einsatz abgelaufen ist.
Rettungskräfte bei Massenkarambolage auf A81: "War eine sehr komplexe Einsatzsituation"
"Für komplexe Lagen halten wir uns grundsätzlich an den sogenannten Manv-Plan vom Stadt- und Landkreis Heilbronn", erklärt Müller. "Manv" steht für Massenanfall Verletzter.
"Das war eine wirklich sehr komplexe Einsatzsituation", sagt er. Zu allererst wurde erfasst an wie vielen der 17 Unfallstellen es Verletzte gebe – in diesem Fall handelte es sich um neun Unfallstellen. Dann werden überall gleichzeitig Rettungsfahrzeuge hingeschickt um die Erstversorgung sicherzustellen, bei dem Unfall am Freitagabend kamen die Rettungswägen aus Löwenstein und aus Heilbronn. Insgesamt waren laut Phlipp Müller 118 Rettungskräfte und 50 bis 60 Fahrzeuge im Einsatz, auch viele Ehrenamtliche unterstützten vor Ort.
Erstversorgung von Verletzten: Je nach Schweregrad Einstufung in drei Kategorien
Bei der Erstversorgung werden die Verletzungen aller Betroffenen "gesichtet": "Das bedeutet, dass der Grad der Verletzungen eingeschätzt und kategorisiert wird", erklärt der Einsatzleiter. Je nach Schweregrad unterscheide man die Kategorien grün, gelb und rot. Grün bedeutet hierbei aber nicht, dass eine Person unverletzt ist – jede Einstufung impliziert eine Verletzung. Nach welchen Kriterien wird entschieden, wer in welche Kategorie kommt? "Das lässt sich zum einen pauschal nicht sagen zum anderen kann sich die Einstufung dynamisch verändern. Aus grün kann später gelb werden."
Beim Einsatz am Freitagnachmittag habe es circa 40 Personen in der grünen Kategorie gegeben, maximal fünf in der gelben und niemanden in der roten. Eine rote Kategorie wird bei schweren Verletzungen vergeben. Die Erstversorgung hat rund eine Stunde gedauert.
Massenkarambolage auf der Autobahn: Viele Betroffene wollen ihr Fahrzeug nicht zurücklassen
Weitaus länger gezogen habe sich die Versorgung der unverletzten Personen. "Hier geht es unter anderem auch um die psychosoziale Notfallversorgung. Ein solcher Unfall ist natürlich oft mit Angst und Panik verbunden", sagt Müller. Nach und nach seien die Menschen mit Bussen in die Stettenfelshalle nach Untergruppenbach gebracht worden. Ins Krankenhaus wurden insgesamt 26 Verletzte eingeliefert – auch Verletzte in der grünen Kategorie können zur Beobachtung ins Krankenhaus verlegt werden.
Manche seien aber auch lange auf der Autobahn geblieben. "Sie wollten nicht von ihren Fahrzeugen weg", so Philipp Müller. Hier nahm auch die Unfallaufnahme durch die Polizei sowie die Koordination der Unterbringung "einige Zeit in Anspruch". Die letzten Personen kamen zwischen 20.30 und 21 Uhr in der Halle an. Für den Einsatzleiter und seine Kollegen dauerte der Einsatz insgesamt von 15 bis 23 Uhr.
Einsatzkräfte bei Massenkarambolage: "Hoffentlich muss ich nicht die ganze Autobahn ablaufen"
Für Philipp Müller ist ein solcher Einsatz keineswegs etwas Alltägliches: "Eine so komplexe Unfalllage passiert sehr, sehr selten. Ich glaube, bei uns ist sowas noch nie vorgekommen", erzählt er. Was geht einem im ersten Moment durch den Kopf, wenn man an der Einsatzstelle ankommt?
"Mein erster Gedanke war, das wird jetzt sehr spannend. Und: Hoffentlich muss ich nicht mehrmals die Autobahn ablaufen", sagt er lachend. Dem Einsatzleiter ist die mögliche Tragik einer solchen Situation natürlich absolut bewusst, schnell fügt er an: "Spaß beiseite. Als erstes dachte ich, hoffentlich gibt es keine Schwerverletzten. Und wenn doch, wo sind sie? Brauche ich Hubschrauber? Im nächsten Moment hofft man dann vor allem, dass die Anzahl der Rettungskräfte ausreicht."
Insgesamt sei das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Einsatzkräften sehr gut gelaufen. Eines ist ihm hierbei besonders wichtig zu betonen: "Der Einsatz der vielen Ehrenamtlichen. Deren Arbeit kann man wirklich nicht genug wertschätzen."