Massenkarambolage auf der A81: Wann zahlt die Versicherung, wenn's kracht?
Schlechtes Wetter und eingeschränkte Sicht lösen häufiger schwere Unfälle wie am Freitag auf der A81 bei Untergruppenbach aus. Doch ab wann ist es eine Massenkollision und was heißt das für die Versicherung?

Mehr als 80 beteiligte Fahrzeuge, 27 leicht Verletzte und ein Gesamtschaden, der nach aktuellen Erkenntnissen bei rund einer Million Euro liegen dürfte – das ist die vorläufige Bilanz der Massenkarambolage auf der A81 am Freitagnachmittag in Fahrtrichtung Stuttgart zwischen der Anschlussstelle Untergruppenbach und der Raststätte Wunnenstein.
Doch wann gilt ein Unfall eigentlich als Massenkollision? Wie wird in einem solchen Fall die Frage der Versicherung geklärt? Und gibt es beispielsweise technische Möglichkeiten, Verkehrsteilnehmer im Vorfeld vor einer Gefahrensituation zu warnen? Wir haben die wichtigsten Fragen und Antworten dazu zusammengestellt.
Unfall auf A81: Ab wann ist ein Unfall eine Massenkollision? Und wann zahlt die Versicherung, wenn's kracht?
Generell ist eine Massenkarambolage ein Verkehrsunfall, in den mehrere Fahrzeuge verwickelt sind. Damit ein Unfall auch aus versicherungstechnischer Sicht als Massenunfall oder Massenkarambolage gilt, müssen daran 40 oder mehr Fahrzeuge beteiligt sein.
Wird der Unfallhergang als „schwer nachvollziehbar“ eingeschätzt, gilt diese Bezeichnung meist ab einer Beteiligung von mindestens 20 Verkehrsteilnehmern. Die Einstufung erfolgt durch den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).
Wer haftet und wer zahlt?
Sind weniger als 40 Fahrzeuge an einem Unfall beteiligt und ist der Unfallhergang nachvollziehbar, haftet der Unfall-Verursacher beziehungsweise dessen Kfz-Versicherung. Bei 40 oder mehr Beteiligten ist die Sache einfacher geregelt: Jeder Geschädigte wendet sich dann zur Regulierung an seine eigene Kfz-Haftpflichtversicherung und bekommt Personen- oder Sachschäden des Fahrers und der Insassen sowie die Schäden am Auto erstattet – auch, wenn der Halter des Fahrzeugs keine Kaskovericherung hat.
Diese „100-Prozent-Regelung“, die seit dem 1. Juli 2015 gilt, soll eine schnelle Abwicklung ermöglichen, da nicht erst langwierig nach einem Unfall-Verursacher gesucht werden muss – sofern dieser überhaupt zu ermitteln ist.
Welche Schäden übernimmt die Versicherung?
Vor der 100-Prozent-Regelung rechneten die Kfz-Versicherer im GDV Schäden nach festen Quoten ab. So wurde etwa der volle Schaden nur bei einem reinen Heckschaden am Fahrzeug übernommen. Mit der geänderten Regelung werden seitdem auch Front- und Heckschäden sowie Totalschäden voll übernommen.
Welche Konsequenzen hat die Regulierung für den Schadenfreiheitsrabatt?
Da bei einem Massenunfall etwa durch Witterungseinflüsse wie Blitzeis oder Nebel eine Schuld keinem konkreten Versicherungsnehmer nachgewiesen werden kann, bleibt die Schadenfreiheitsklasse der Unfallbeteiligten unberührt - und damit auch der Schadenfreiheitsrabatt.
Welche Voraussetzungen gelten für eine Schadensregulierung?
Neben der Zahl der beteiligten Fahrzeuge darf die Polizei zum einen keinen konkreten Unfallverursacher festgestellt haben und zum anderen muss das Unfallgeschehen in einem engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang stehen. Die 40 oder mehr Fahrzeuge müssen an einer Stelle und in direkter Abfolge kollidiert sein. Bildet sich beispielsweise nach einem Unfall mit 20 Fahrzeugen ein Stau und in der Folge am Stauende ein weiterer Unfall mit 20 beteiligten Fahrzeugen, gilt dies in Summe für den GDV nicht als Massenunfall.
Könnte an der Strecke vor Gefahr gewarnt werden?
Die Kombination aus nasser Fahrbahn und tiefstehender Sonne, die wohl Auslöser des Massenunfalls auf der A 81 war, „kann bei entsprechender Witterung grundsätzlich auf jedem Abschnitt einer Autobahn vorkommen“, sagt Petra Hentschel, Sprecherin der Niederlassung Südwest der Autobahn GmbH des Bundes.
Um Unfälle zu vermeiden, appelliere man deshalb an alle Verkehrsteilnehmer, stets vorausschauend zu fahren und die eigene Fahrweise sowie das Tempo den aktuellen Verkehrs-, Witterungs- und Sichtverhältnisse anzupassen. „Das gilt auch bei kurzen Fahrten und auf vermeintlich vertrauten Strecken“, so Hentschel.
Eine so genannte Streckenbeeinflussungsanlage, die vor Staus, Baustellen oder Gefahren durch ungünstige Wetterbedingungen warnt, gibt es auf der A81 zwischen Mundelsheim und dem Autobahndreieck Leonberg. Sie überwacht eine Strecke von jeweils 26 Kilometer in beide Fahrtrichtungen. Doch solche Anlagen sind teuer, und bis sie errichtet werden, kann es dauern: „Je nach Streckenlänge belaufen sich die Kosten auf mehrere Millionen Euro“, gibt Hentschel zu bedenken. Zudem benötigten sie „ein umfangreiches Genehmigungsverfahren mit Nachweis der Wirtschaftlichkeit“.