Richtig laufen: Dranbleiben ist beim Sport alles
Fast die Hälfte der Menschen im Land treibt wenig bis gar keinen Sport - mit teils fatalen Konsequenzen für Wohlbefinden und Gesundheit. Wie überwindet man die Trägheit? DHBW-Professor Dirk Schwarzer vom Campus Heilbronn hat Tipps für Aktivität im Alltag

Nur gut die Hälfte der Menschen in Baden-Württemberg treibt Sport. 19 Prozent sind überhaupt nicht aktiv, weitere 26 Prozent selten. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Techniker Krankenkasse (TK) zum Sport- und Bewegungsverhalten im Land. Die Tendenz ist beunruhigend: Laut den Erhebungen aus den Jahren 2013 und 2016 nimmt der Anteil der Nichtsportler inzwischen weiter zu. Vor sechs Jahren hatten sich noch lediglich zwölf Prozent der Befragten als solche geoutet.
Die bundesweiten Zahlen sind nicht besser. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) erreicht lediglich ein Viertel der Kinder und Jugendlichen und nur ein Fünftel der Erwachsenen die Empfehlungen zur Bewegung. Der jüngste WHO-Bericht zeigt zudem, dass 44 Prozent der Frauen und 40 Prozent der Männer über 18 Jahre aktiver werden müssten. Außerdem bewegen sich 88 Prozent der Mädchen und 80 Prozent der Jungen zu wenig. Die WHO empfiehlt für 5- bis 17-Jährige mindestens eine Stunde Bewegung am Tag, Erwachsene sollten demnach auf 150 bis 300 Minuten pro Woche kommen, wobei bereits strammes Gehen zu den Arten von Bewegung gehört, die helfen sollen.
Weniger Bewegung durch Arbeit im Homeoffice
Ein entscheidender Faktor für tägliche Bewegung ist laut TK das Arbeitsleben. Seit Beginn der Pandemie gehöre für viele Beschäftigte das Homeoffice zum Alltag: 47 Prozent der Befragten gaben demnach an, dass sie in den vergangenen zwei Jahren zumindest zeitweise von zu Hause aus gearbeitet haben. Mehr als die Hälfte davon bewegt sich im Homeoffice weniger als am Arbeitsplatz (58 Prozent). TK-Landeschefin Nadia Mussa sagt: "Laut unserer Umfrage fehlt es an Motivation, Zeit und Ideen für mehr Bewegung während der Arbeit zu Hause. Vor allem fehlt aber der Arbeitsweg, ob zu Fuß oder per Rad, als natürliche Aktivität im Alltag."
In unserer heute zu Ende gehenden Serie haben wir in den vergangenen Wochen Sportler, Ärzte und Therapeuten nach ihren persönlichen Fitness-Tipps gefragt. Ein wichtiger Rat dabei stets: einfach machen − und zwar regelmäßig: rausgehen, aktiv sein, auch wenn die Lust fehlt und das Wetter schlecht ist. Professor Dirk Schwarzer vom Studiengang Sportmanagement der DHBW in Heilbronn hat weitere Tipps, um die Motivation hochzuhalten:
Absicht formulieren: Man sollte sich selbst klar machen, welchen Nutzen es bringt, wenn man sich mehr bewegt. Ein Ziel könne es zum Beispiel sein, Schmerzen durch Gesundheitssport zu reduzieren.
Ziel in Teilziele zerlegen: Radfahrer, die eine schwierige Bergetappe vor sich haben, denken häufig nur bis zur nächsten Kurve. Wenn sie die geschafft haben, peilen sie das nächste Zwischenziel an − und so weiter. Ähnlich können Sport-Anfänger das angehen: Zunächst drei Kilometer walken statt sich gleich voll zu verausgaben, aber das täglich, um in eine Routine zu kommen.
Es sich leicht machen: Schuhe und Sportkleidung am Vorabend bereitlegen, so dass man morgens gar nicht anders kann, als hineinzuschlüpfen und vor die Tür zu gehen.
Sich verabreden: Wer zum Joggen verabredet ist oder in einer Gruppe trainiert, überwindet sich im Zweifel leichter dazu, auch bei widrigen Bedingungen loszulaufen.
Technische Hilfsmittel: Manche Menschen befassen sich gern mit Daten. Ihnen helfen womöglich sogenannte Wearables oder andere Fitness-Tracker, die gelaufene Kilometer, den Puls und andere Daten anzeigen und aufzeichnen. So kann man eigene Ziele und mögliche Leistungssteigerungen auch gut nachverfolgen. Dirk Schwarzer rät jedoch dazu, das in Maßen zu tun. Ein Wettlauf gegen die Uhr, bei dem man die Natur nicht mehr wahrnehme, sei nicht sinnvoll.
Flexibel sein: Man hat keine langen Zeitfenster für Sport zur Verfügung? "Bleiben Sie flexibel", rät Schwarzer. Kurze, aber regelmäßige Gymnastikeinheiten im eigenen Keller oder Wohnzimmer seien besser als nichts. Auch die tägliche Radfahrt zum Arbeitsplatz hilft, das Bewegungspensum zu erreichen.
Visualisierung und Selbstgespräche: Diese Methoden kommen im Spitzensport zum Einsatz, können aber auch Breitensportlern helfen. Man könne sich zum Beispiel vorstellen, was für ein gutes Gefühl es sei, wenn man nach einem Lauf nach Hause komme und ohne schlechtes Gewissen nach dem Duschen frühstücke, sagt Schwarzer. Bei motivierenden Selbstgesprächen gehe es darum, sich selbst in seinem Tun zu bestärken so wie das ein guter Coach tun würde und sich zum Beispiel zu sagen: "Beim letzten Mal habe ich es schon ziemlich gut geschafft, heute sind bestimmt noch zwei Minuten mehr drin."





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