Fitness-Tipp: "Training muss nicht immer anstrengend sein"
Der Neckarsulmer Arzt und Triathlet Felix Vatlach-Schumann erklärt, für wen Pulsmesser Sinn machen und warum zu viel Training ein Problem ist.

Sind Pulsmesser ein unerlässliches Hilfsmittel, um erfolgreich zu trainieren? Diese Frage haben uns viele Leser gestellt. Der Neckarsulmer Orthopäde und Triathlet Felix Vatlach-Schumann erklärt, für wen die Geräte sinnvoll sind und unter welchen Bedingungen man darauf verzichten kann.
Trainieren Sie selbst mit Pulsmesser?
Felix Schumann: Ich habe früher als junger Triathlet die Anfänge der Pulsuhren mitbekommen. Unser Trainer in Schwaigern hat damals regelmäßig Uhren einer bekannten Marke ausgeteilt, wir Sportler haben aber häufig mit dem Ergebnis der Messung gehadert und auch versucht, das System auszutricksen (lacht). Beim Berg hochfahren mit den anderen ging es darum, in den Grenzbereich zu gehen, um den anderen zu zeigen wie toll man ist, für den Trainer sollte es aber so aussehen, als sei man die ganze Zeit im niedrigen Pulsbereich unterwegs gewesen. Dass auch langsames Training schnell macht, habe ich damals noch nicht verstanden.
Und heute: Mit Pulsuhr oder ohne?
Schumann: Man braucht nicht unbedingt eine Pulsuhr, um Sport zu machen, wenn man ein gutes Körpergefühl hat. Aber ich mache schon auch die Erfahrung, dass das Körpergefühl bei manchen nicht so entwickelt ist und sie zum Beispiel beim Joggen viel zu schnell losrennen. Dann ist man nach zehn Minuten schon wieder kaputt und hat keine Lust mehr. Da liegt in meinen Augen das Potenzial von Fitnessuhren. Und vielen macht es auch einfach Spaß, ihre Aktivität zu messen, aufzuzeichnen und dann mit anderen zu teilen.
Pulsuhren können also helfen, übermäßigen und ungesunden Trainingsehrgeiz zu kanalisieren?
Schumann: Ja, wenn man tatsächlich mit einem 100er- bis 110er-Puls läuft, wenn einem die Uhr das so vorgibt, dann hat man auch eher bis zum Schluss Spaß. Insofern kann eine Pulsuhr schon dabei helfen, weniger und damit gesünder zu trainieren - und auch effizienter, wenn man es dadurch schafft, das Training regelmäßig über einen längeren Zeitraum durchzuhalten. Nur so kommt es dann auch zu nachhaltigen Anpassungen beim Stoffwechsel und Herzkreislaufsystem. Eine Uhr erfasst auch, wann man besser eine Pause einlegen sollte.
Wie das?
Schumann: Die modernen Uhren können eine Art Frühwarnsystem sein. Sie errechnen automatisch wie hart eine Trainingseinheit war und zeichnen auch Schlafqualität und Ruheherzfrequenz auf. Und man bekommt morgens einen Wert, der die Erholung anzeigt. Die meisten Modelle bewerten dann die aktuelle Fitness und empfehlen eine konkrete Erholungszeit bis zum nächsten Training. Sind die Werte nicht gut, obwohl man sich noch ordentlich fühlt, hat man es vielleicht doch übertrieben oder eine Erkältung ist im Anmarsch und man geht lieber nicht trainieren. Das Prinzip funktioniert natürlich nur, wenn man sich auch wirklich an seinen elektronischen Coach hält.
Wie groß ist das Problem Übertraining?
Schumann: Das ist ein Problem. Ohne Ehrgeiz geht es nicht, aber der Ehrgeiz führt oft dazu, dass man nicht genug auf seinen Körper hört und zu ungeduldig ist. Laufen ist ein Ausdauersport, bei dem es um Anpassung über einen längeren Zeitraum geht. Das kann auch bedeuten, dass man am Anfang nur drei schnellere Spaziergänge pro Woche macht. Viele greifen auf nicht ausreichend individualisierte Trainingspläne zurück, nach denen sie sich richten und in denen dann zum Beispiel steht, dass sie dreimal pro Woche Training im Grundlagenausdauer-Bereich von 100 bis 120 Schlägen machen sollen und zusätzlich eine schnelle Intervalleinheit. Das ist im Leistungssport ein wichtiger Trainingsbaustein aber stellt auch hohe Anforderungen an den Bewegungsapparat und kann bei Anfängern kontraproduktiv sein. Zunächst sollte es darum gehen, sich an die Reizdichte zu gewöhnen, sein Tempo zu finden und Spaß an der Bewegung zu entwickeln.
Sie selbst machen Yoga- oder Meditationseinheiten zwischendurch.
Schumann: Das Potenzial dieser Trainingsform habe ich leider erst nach meiner aktiven Sportlerkarriere entdeckt. Heute weiß ich, dass es viel besser ist, zehn Minuten auf die Faszienrolle zu gehen und danach noch Yoga zu machen, als sich zwanghaft zum Laufen zu quälen, wenn die Beine schwer sind und man so gar keine Lust hat. Am meisten frustrieren einen doch Läufe in der Mittagspause, zu denen man sich zwingen muss und die man mit vollem Magen macht, weil man ja auch etwas essen muss. Yoga kann man einfach morgens oder abends zu Hause machen. Gerade Ausdauersportlern fehlt es oft an Beweglichkeit und Körpergefühl. Entspannungstechniken haben mittlerweile auch im Profisport einen festen Platz. Auch dass Training nicht immer anstrengend sein muss, ist eine wichtige Lektion.
Was ist mit den Menschen, die mit den ganzen Zahlen der Pulsuhren nichts anfangen können?
Schumann: Wenn man ein Tempo wählt, bei dem man sich gut unterhalten kann und darauf achtet, wirklich nur Sport zu machen, wenn man fit ist, geht es auch ohne Hightech. Man kann aber zum Beispiel ein Trainingstagebuch führen und seine Einheiten bewerten. Wenn man sieht, dass man einige Tage hintereinander niedrige Werte vergeben hat, ist vielleicht Zeit für eine Pause.
Haben Sie einen weiteren Rat für Neu-Sportler?
Schumann: Wer mit Mitte 40 nach jahrelanger Abstinenz in den Sport einsteigen möchte, sollte auf jeden Fall vorher zum Kardiologen und sich durchchecken lassen. Auch die Anbindung an eine Gruppe ist ratsam, möglichst mit einem Coach, der einen unterstützt.
Zur Person

Dr. Felix Vatlach-Schumann (40) ist Orthopäde und Unfallchirurg in der Praxis Medicross in Neckarsulm. Er hat als Triathlet an Welt- und Europameisterschaften teilgenommen.




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