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Süßigkeiten, Lebensmittel und Vapes: Automatenshops spalten die Generationen

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Die Blechkästen erobern zum Ärger von Bürgern und Verwaltungen die Innenstädte, auch in Heilbronn. Die Automatenshops sprechen besonders eine jüngere Zielgruppe an, ältere Menschen fühlen sich oft gestört.

Aus Lebensmittel-Automaten erhalten Menschen 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche Lebensmittel oder Süßigkeiten.
Aus Lebensmittel-Automaten erhalten Menschen 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche Lebensmittel oder Süßigkeiten.  Foto: Pia Bayer (dpa)

Getränke- und Verpflegungsautomaten sind kein neues Phänomen. Kaffee, Cola, Bier, belegte Brötchen oder Schokoriegel haben schon Generationen vor uns aus Blechkästen gezogen. Später kamen Hofautomaten hinzu, die Äpfel, Eier, Kartoffeln, Zwiebeln, Dosenwurst, Käse und Wein vom Bauernhof anboten.

Doch seit einigen Monaten hat ein Trend Fahrt aufgenommen, der das Zeug dazu hat, unsere Innenstädte weiter zu verändern. Zuerst in Großstädten, bald aber auch in Stadtteilen und kleineren Orten, wurden regelrechte Automatenshops aus dem Boden gestampft, deren Angebote sich vor allem an junge Menschen wendet – 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Dort gibt es alkoholische und nichtalkoholische Kaltgetränke, Kaffee, Vapes, Tabakwaren, Snacks, Süßigkeiten, Chips und Takis zu kaufen. Und die vorwiegend junge Kundschaft nimmt die zielgruppengerecht aufgemachten Produkte trotz relativ hoher Preise derzeit dankend an.

„Wir haben durch die Corona-Pandemie ein größeres Vertrauen in Automaten bekommen“, erläutert Christian Buer, Dekan der Fakultät für Wirtschaft 2 an der Hochschule Heilbronn. Der anhaltende Mitarbeitermangel im Service und die Preissensibilität der Bürger hätten diesen Trend verstärkt. „Mit Automatenräumen ist zudem auf einer kleinen Fläche eine recht hohe Einnahme zu erzielen“, stellt Buer fest. Deshalb fänden angesichts bestehender Leerstände insbesondere kleinere Geschäfte in sehr guten Lauflagen mit Automaten eine Nutzung rund um die Uhr. Dieser Trend wird sich weltweit fortsetzen, sagen Experten. Der globale Markt für moderne Verkaufsautomaten wurde 2021 auf 6,5 Milliarden US-Dollar geschätzt. Bis 2029 prognostizieren Marktbeobachter einen Umsatz von 7,4 Milliarden Doller – ein Wachstum von 14,3 Prozent.

Bürger in Ärger: Automaten überfluten die Innenstädte

Diese Entwicklung stellt vor allem die regionalen Stadtplaner vor große Herausforderungen. Denn attraktiv findet die neuen Automatenshops, wenn überhaupt, die Generation Z, also die heute 12 bis 27-Jährigen. Die Älteren stören sich regelrecht an der Automatenwelt. „Diese Entwicklung entspricht keinesfalls den Vorstellungen der Stadt von einem attraktiven Einzelhandel“, betont die Heilbronner Pressesprecherin Claudia Küpper. Doch eingreifen kann eine Verwaltung nur auf öffentlichen Flächen, „wo das Aufstellen von Verkaufsautomaten strikt untersagt wird“, wie Küpper betont. Auf privaten Flächen habe die Stadt aber wenig Handhabe. „Automaten könnten lediglich auf kritische Inhalte wie alkoholische Getränke oder die mittlerweile verbotenen Hot-Chips kontrolliert werden“, macht die Pressesprecherin klar.


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„Eine Stadt darf nicht in einzelnen Befindlichkeiten der heute lebenden Babyboomer und Generation X denken“, die diese Automatenshops stören. betont dagegen Christian Buer. Der Hochschulprofessor fordert daher „unternehmerisches langfristiges Handeln“. Dies bedeute: „Nicht der kapitalistisch getriebene Ansatz bekommt eine Fläche, sondern der, der einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, um eine Stadt lebenswert zu machen“, sagt Buer. Allerdings hat eine Stadt auch nur bedingt einen Einfluss darauf, wem Vermieter ihre Flächen anbieten. Dies zeigt sich in Heilbronn auch in guten Lagen wie beim ehemaligen Pelzhaus Barth in der Allee, wo vor wenigen Monaten ein großer E-Kiosk Einzug gehalten hat. Bleibt die Frage, wem die Automatenshops Konkurrenz machen. Ein Verlierer dürften die städtischen Tankstellen sein, mit denen die Automatenshops bei Preisen, Angeboten und Öffnungszeiten konkurrieren.

Automaten-Explosion: Leiden Gastronomie oder Einzelhandel?

„Das Angebot in der Gastronomie mit ihrer Vielfalt und Qualität kann der Automat dagegen nicht ersetzen. Da mache ich mir überhaupt keine Sorgen“, betont Thomas Aurich. „Aber dieser Wildwuchs im öffentlichen Raum darf nicht passieren“, kritisiert der Stadtverbandsvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands. Ihn störe auch weniger ein gut gemachtes Angebot mit Steak-, Gemüse- und Pastaautomaten, wie er es in Nürnberg erlebt habe. Was Aurich stört, ist der generelle Trend hin zu Essen- und Trinken-To-Go. „Wenn alles im Laufen passiert, haben wir eine immer hektischere Gesellschaft. Das ist keine gute Entwicklung, ist sich der Verbandsvorsitzende sicher. 

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