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Schärfe bis zum Erbrechen: Wie "Hot Chips" dem Körper schaden

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In zwei Fällen endete die "Hot Chip Challenge" bereits in der Notaufnahme der SLK-Kliniken in Heilbronn. Deshalb wurden die ultrascharfen Tortillas in Baden-Württemberg nun verboten. Was zu viel Schärfe im Körper anrichtet.

Bei der Hot Chip Challenge essen Jugendliche einen extrem scharfen Tortilla-Chip (kleines Foto) und stellen Videos davon ins Internet. In zwei Fällen endete die Mutprobe in der Notaufnahme der SLK-Kliniken (großes Foto). 
Bei der Hot Chip Challenge essen Jugendliche einen extrem scharfen Tortilla-Chip (kleines Foto) und stellen Videos davon ins Internet. In zwei Fällen endete die Mutprobe in der Notaufnahme der SLK-Kliniken (großes Foto).   Foto: Donauer (kleines Foto), HSt-Archiv (großes Foto), Montage: Stimme.de

Es funktioniert immer nach demselben Prinzip: Bei der "Hot Chip Challenge" essen Jugendliche einen extrem scharfen Tortilla-Chip und werden dabei gefilmt.

So wie Tim (Name geändert). Er steht vor dem Wollhaus in Heilbronn und isst den Chip. Der Snack bekommt ihm sichtlich nicht gut: Er atmet schwer, bekommt Schweißausbrüche und muss sich hinsetzen. Er läuft rot an, trinkt und isst, bis er schließlich brechen muss.

Währenddessen lachen seine Freunde im Hintergrund. Das Video haben die Betreiber der Automaten aufgenommen, über die der scharfe Chip verkauft wird. Inzwischen ist es gelöscht.


Videos bei Tiktok zeigen "Hot Chip Challenge" in Heilbronn

Ein weiteres Video auf einem anderen Kanal zeigt einen jungen Mann, der den Chip isst. Er muss sofort brechen, hält sich den Bauch, trinkt Milch und isst, um gegen die Schärfe anzukommen. "So, er hats geschafft, keine Reaktion gezeigt", sagt der, der mit dem Handy filmt. Die Umstehenden lachen. 

Es gibt jedoch genauso Videos, in denen Jugendliche die Schärfe des Chips scheinbar unbeschadet wegstecken. In dutzenden Beiträgen wird geschwitzt und geflucht, nachdem der Chip gegessen wurde, sichtbare Schäden bleiben aber aus.

 

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Stadt Heilbronn setzt Verkaufsverbot von "Hot Chips" durch

Das Verbraucherministerium in Baden-Württemberg hat den Verkauf der Chips als Vorsichtsmaßnahme dennoch verboten. Die Stadt Heilbronn reagierte noch im Laufe des Tages, kontrollierte Betriebe und setzte das Verbot durch. Auch Bayern ist am Freitag nachgezogen und hat den Verkauf des Produkts verboten.

Doch was genau richtet enorme Schärfe im Körper an? Für die Schärfe von Chilis sind sogenannte Capsaicinoide verantwortlich, darunter fällt auch das Capsaicin. Laut dem Landeszentrum für Ernährung Baden-Württemberg erregt es "die Nerven in der Mundschleimhaut, die für die Wahrnehmung von Wärme- und Schmerzreizen verantwortlich sind“. Schärfe ist damit keine Geschmacksart wie salzig, süß, bitter oder sauer, sondern eine Schmerzreaktion.


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Schärfe ist kein Geschmack, sondern ein Schmerzreiz

Einerseits werden durch den Schmerzreiz Endorphine ausgeschüttet. Deshalb sagt man Chili und anderen scharfen Gewürzen nach, dass sie glücklich machen. Andererseits kann das Capsaicin zu Hitzewallungen und Schweißbildung führen und damit den Körper kühlen. Es regt in geringen Mengen außerdem die Verdauung an und hat gefäßerweiternde Wirkung, was zu einer verbesserten Durchblutung führt.


Übertreibt man es jedoch mit der Schärfe, drohen gesundheitliche Beeinträchtigungen wie Bluthochdruck, Erbrechen oder Schleimhautreizungen. Besonders für Kinder oder Schwangere kann das gefährlich werden.

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät Verbrauchern davon ab, große Mengen extrem scharfer Chiliprodukte zu sich zu nehmen. Wichtig ist auch, bei der Zubereitung von Chilis Handschuhe zu tragen oder sich danach gründlich die Hände zu waschen, denn Capsaicinoide reizen die Augen.

4,5 Liter Wasser sind nötig, um 1 Milliliter Tabasco zu neutralisieren

Gemessen wird die Schärfe von Chilis oder Chiliprodukten mit der Einheit Scoville (Scoville Heat Units, SHU). Sie gibt an, wie viel Milliliter Wasser man benötigt, um die Konzentration so zu verdünnen, dass sie gerade noch scharf schmeckt.

Während Gemüsepaprika mit 0 bis 10 Scoville bewertet sind, enthält Tabascosauce 2500 bis 8500 Scoville. Laut dem Landeszentrum für Ernährung würde man 4,5 Liter Wasser benötigen, um 1 Milliliter Tabasco-Sauce (4500 SHU) zu neutralisieren.

Wie scharf genau der "Hot Chip" ist, ist kaum zu ermitteln

Der für die "Hot Chip Challenge" verantwortliche Chip ist jedoch um ein Vielfaches schärfer. Wie scharf genau, ist jedoch kaum zu ermitteln. Der Hersteller gibt nicht an, wie scharf der Chip ist und ist dazu auch nicht verpflichtet.

Bekannt ist lediglich, dass das Produkt mit einem Pulver aus Carolina-Reaper-Chili gewürzt ist. Diese Chilisorte kommt auf 1,6 bis 2 Millionen Scoville und gehört damit zu den schärften Schoten der Welt. Reines Capsaicin ist etwa 16 Millionen Scoville scharf. Allerdings wird für den Chip noch eine zweite Chilisorte verwendet und die Umrechnung von Scoville in Capsaicin ist mit Unsicherheiten behaftet.

Schärfegrad der Hot Chips schwankt extrem

Katharina Holste von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat sich genauer mit dem Produkt befasst. Fest steht für sie: "Es hat sich durch Untersuchungen herausgestellt, dass der Schärfegrad der einzelnen Packungen extrem schwankt." Die Untersuchungsergebnisse der bayerischen Behörden sind bisher jedoch nicht öffentlich.

Außerdem kommt es bei Schärfe auf die Konzentration an. Das BfR hält rund 5 Milligramm Capsaicin pro Kilo Körpergewicht für die maximal verträgliche Dosis. Ein 70 Kilo schwerer Erwachsener käme damit auf 350 Milligramm Capsaicin für eine Mahlzeit.

Verbraucherzentrale warnt vor extrem scharfen Lebensmitteln

Es mache laut Holste jedoch einen großen Unterschied, ob eine solche Menge in einem Gericht steckt oder wie bei der Hot Chip Challenge auf einmal gegessen wird. Wäre der Hot Chip in etwa so scharf wie eine Carolina-Reaper-Chili, wäre er um ein Vielfaches schärfer als die vom BfR empfohlene Maximaldosis.

Die Verbraucherzentrale warnt deshalb vor dem Produkt und rät davon ab, es zu essen. Zudem müssten Kinder unbedingt vor solchen Lebensmitteln, darunter scharfe Soßen, geschützt werden, etwa durch spezielle Verschlüsse.

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