Ärger um Grundsteuer in Baden-Württemberg – Steuerzahlerbund spricht von Enteignung
Mit den ersten Bescheiden nimmt die Debatte um die Grundsteuer an Schärfe zu. Die Kritik am Bodenwertmodell in Baden-Württemberg reißt nicht ab.
Nachdem die Grundsteuerbescheide in Heilbronn und – teilweise fehlerhaft – in Neckarsulm verschickt worden sind, erreichen unsere Redaktion eine Flut an Zuschriften empörter Eigentümer: Teilweise müssen Besitzer älterer Eigenheime mit großen Grundstücken mehr als das Zehnfache bezahlen als bisher. Als Rentner müsse man sich überlegen, ob man sich das mühsam erarbeitete und ersparte Häusle mit Garten auf Dauer noch leisten könne, so die Meinung einiger Leser.
Steuerzahlerbund: Rentner werden gezwungen, ihr Grundstück zu verkaufen
Den Bund der Steuerzahler Baden-Württemberg erreichen „täglich Zuschriften, in denen Eigentümer einen sehr deutlichen Anstieg der Grundsteuerlast beklagen. Das fünf-, sechs-, oder siebenfache ist dabei keine Seltenheit. Auch zweistellige Anstiege wie das 13-fache in Heilbronn sind vereinzelt dabei.“
Landesvorsitzender Eike Möller berichtet, dass „viele Bürger das neue Grundsteuerrecht als Enteignung durch die Hintertüre empfinden“. Rentner oder Geringverdiener seien durch den deutlichen Anstieg ihrer Grundsteuerlast „im schlimmsten Fall dann tatsächlich gezwungen, ihr Grundstück nach vielen Jahrzehnten völlig ungeplant noch einmal zu verkaufen“.

Nur in Baden-Württemberg gibt es das reine Bodenwertmodell
Als einziges Bundesland hat sich Baden-Württemberg für das reine Bodenwertmodell entschieden. Die Art der Bebauung spielt keine Rolle mehr, es wird ausschließlich der Wert der Fläche als Berechnungsgrundlage herangezogen. Der Landes-Finanzgericht hat diesen Sonderweg bereits als verfassungsgemäß eingestuft.
Kritik gibt es dennoch: Würde auf dem gleichen Grundstück statt eines alten Einfamilienhauses ein modernes Zehnfamilienhaus stehen, änderte sich die Höhe der Grundsteuer nicht, nur der Betrag würde auf zehn Parteien umgelegt.
Umstrittene Grundsteuerreform: Abriss bestehender Häuser in Wohngebieten mit einkalkuliert?
„Erklärtes Ziel der Neuregelung der Landesgrundsteuer war die Förderung einer effizienten Bebauung“, stellt Eike Möller vom Bund der Steuerzahler klar. Man könne unterstellen, dass „auch der Abriss bestehender Häuser in Wohngebieten einkalkuliert wurde“.
Das Finanzministerium Baden-Württemberg weicht der Frage aus, ob mit der Reform gezielt größere Innenstadtgrundstücke „auf den Markt gebracht“ werden sollen. Man beabsichtige „keine strukturelle Erhöhung des Grundsteueraufkommens“, so Pressesprecher Sebastian Engelmann.
Grundsteuer-Modell in Baden-Württemberg anders als Bundesmodell
Die im Baden-Württembergischen Modell zugrunde liegenden Bodenrichtwerte seien von der Infrastruktur abhängig. „Denn diese grundstücksbezogenen Leistungen einer Gemeinde wirken sich in erster Linie auf den Wert des Grund und Bodens aus.“ Insofern sei es folgerichtig, dass die Bodenrichtwerte zur Erhebung der Grundsteuer herangezogen werden.
Im Bundesmodell, dem eine Mehrheit der Länder folgt, wird zusätzlich der „Ertragswert“ berücksichtigt und damit Alter und Art der Bebauung. Allerdings hatte der Bundesfinanzhof die „erheblichen Zweifel“ bei der Methodik der Wertermittlung bestätigt.
In Baden-Württemberg kann der Bodenwert bei einer Abweichung um 30 Prozent, beispielsweise weil das Grundstück nicht vollständig wirtschaftlich genutzt werden kann, mit einem selbst bezahlten Gutachten neu festgesetzt werden.




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