Aufruhr und Proteste in der Gesundheitsbranche: Das fordert der SLK-Chef
In dieser Woche gehen eine Reihe von Verbänden gegen die Gesundheitspolitik in Stellung. Krankenhäuser brauchen eine schnelle finanzielle Hilfe. Was SLK-Chef Thomas Weber außerdem fordert.

Im Gesundheitswesen brodelt es. Während in Berlin die Planungen für die angekündigte Krankenhausreform laufen, verschaffen sich immer mehr Interessengruppen mit öffentlichen Kundgebungen und medienwirksamen Aktionen Gehör. Es geht um viel Geld.
In der vergangenen Woche waren es die Apotheker, die mit einer eintägigen Schließung auf die aus ihrer Sicht prekäre Lage in der Branche aufmerksam machten - Kostensteigerungen bei gleichbleibenden Honoraren, ein Apothekensterben, die anhaltenden Engpässe bei Medikamenten.
In dieser Woche gehen gleich mehrere Gruppen auf die Barrikaden: Am Dienstag macht die Deutsche Krankenhausgesellschaft DKG unter der Überschrift "Alarmstufe Rot - Krankenhäuser in Not" darauf aufmerksam, dass "vor einer Krankenhausreform unbedingt eine finanzielle Stabilisierung der Krankenhäuser erfolgen muss". Am Mittwoch plant der fachübergreifende Ärzteverband Medi Baden-Württemberg gemeinsam mit weiteren Berufsverbänden eine Protestaktion für die niedergelassene Ärzteschaft und Psychotherapeuten auf dem Stuttgarter Schlossplatz. Grund des Protests sind laut Mitteilung die "Fehlentscheidungen der Berliner Gesundheitspolitik". Sie gefährdeten "die ambulante Versorgung nachhaltig", so Medi.
Kommunale Krankenhäuser haben medizinischen Versorgungsauftrag
Der Auffassung mancher Beobachter, die Aktionen dienten vor allem dem Ziel, vor den Entscheidungen zur Krankenhausreform Druck auf die Verantwortlichen aufzubauen, um sich einen möglichst großen Anteil der neu zu verteilenden Gelder im Gesundheitswesen zu sichern, widerspricht SLK-Chef Thomas Weber vehement. Für Krankenhäuser in kommunaler Trägerschaft wie SLK mit dem medizinischen Versorgungsauftrag für die Bevölkerung sei das definitiv falsch, sagt Weber: "Alle Gelder, die wir erwirtschaften, werden für die Versorgung der Patienten eingesetzt." Da sei es doch nur legitim zu erwarten, dass die Gesellschaft genügend Gelder zur Verfügung stelle - doch das sei nicht der Fall.
Für 2023 rechnet der SLK-Verbund erstmals seit vielen Jahren mit einem Defizit - nach Schätzung könnte es sich auf etwa 5 Millionen Euro belaufen, falls es keine weiteren Ausgleichsmaßnahmen gibt, so Weber. Er fürchtet, wie auch die DKG, dass viele Krankenhäuser in die Insolvenz rutschen. Der jüngste Krankenhaus-Rating-Report habe gerade erst festgestellt, dass 2024 etwa 80 Prozent aller Kliniken mit Verlusten rechneten und einige dadurch auch von Schließungen bedroht seien. "Das ist dann ein kalter Strukturwandel. Diese Krankenhäuser brauchen mit der Reform nicht mehr reformiert werden, wenn sie nicht mehr da sind", so Weber bei einem Pressegespräch.
Geld wird nur umverteilt
Die Gründe für die Entwicklung laut dem Geschäftsführer: Während die Kosten für Krankenhäuser, zum Beispiel für Energie und durch hohe Tarifabschlüsse, weiter steigen, fehlt die Gegenfinanzierung. Auch das Land komme schon seit Jahren seiner Pflicht nicht nach, Investitionen für Krankenhäuser auskömmlich zu finanzieren - die Gesellschafter Stadt und Landkreis Heilbronn selbst investierten 250 Millionen Euro für die beiden SLK-Neubauten.
Ein weiterer Punkt seien bereits jetzt laufende Umverteilungsmaßnahmen, so Weber: Die Kinderkliniken seien zu Recht mit 300 Millionen Euro unterstützt worden, sagt er, das Geld sei den Krankenhäusern aber abgezogen worden - zusätzlich profitierten kleine Kinderkliniken zulasten der großen Häuser wie der SLK-Kinderklinik. "Wir sind also doppelt bestraft worden."
Weber sagt: Eine Finanzierungsreform müsse vor einer Strukturreform für die Krankenhäuser kommen. "Sonst fährt man das System an die Wand."
Die Zahl der Krankenhäuser muss sinken, darin sind sich alle einig
Grundsätzlich einig sind die Krankenhaus-Vertreter mit dem politischen Ziel, die Anzahl der Einrichtungen in Deutschland zu reduzieren. Nur so könne "die Qualität der Versorgung aufrechterhalten werden", sagt Weber. Die DKG erwartet die Schließung von bis zu einem Fünftel der Kliniken in Deutschland. "Auch wir als Krankenhäuser haben längst akzeptiert, dass wir Standorte zusammenlegen, umgestalten oder schließen müssen", sagte DKG-Chef Gerald Gaß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er gehe davon aus, dass es innerhalb von zehn Jahren bis zu 20 Prozent weniger Klinikstandorte geben wird als heute. Das sei eine realistische Größenordnung, um eine gute Balance zwischen wohnortnaher Versorgung und Spezialisierung zu erreichen. Laut Statistischem Bundesamt gab es in Deutschland 2021 rund 1900 Kliniken, die Zahl sinkt seit Jahren langsam.
Der Strukturwandel will gut geplant sein
Allerdings müsse dieser Strukturwandel planvoll geschehen, so die Forderung - und zwar in der Hoheit der Länder, die die Gegebenheiten vor Ort kennen, sagt Weber: "Das Land muss den Mut haben zu definieren, welche Versorgungsstrukturen gebraucht werden." Der Bund müsse den Rahmen vorgeben. Gerald Gaß meint: Gerade für komplexere Eingriffe seien größere Einheiten nötig. "Wir werden auf absehbare Zeit gar nicht mehr das Personal haben, die bisherigen Strukturen unverändert aufrecht zu erhalten." Deshalb teile die Klinikbranche grundsätzlich die Ziele der Krankenhausreform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Nötig sei aber ein gut organisierter Transformationsprozess, mit gezielten Fusionen zu größeren Einheiten und einem Umbau kleinerer Kliniken zum Beispiel in Gesundheitszentren, die sich um die Pflege und kleinere ambulante Eingriffe kümmerten.
SLK hat diesen Teil der Hausaufgaben vor einigen Jahren schon angepackt. Die Beispiele Möckmühl und Brackenheim dienen bei Branchenkongressen häufig als Modelle für die Versorgung der Zukunft. Deshalb sieht Weber den Verbund auch in einer guten Position.
Was die Pläne für die Gesundheitsreform konkret für die Region bringen, weiß indes noch keiner. Thomas Weber sagt, er habe die Hoffnung, dass der Zeitplan so greife wie angekündigt und im Sommer ein erster Gesetzentwurf als Grundlage für eine Einschätzung vorliege. Im Moment "habe ich noch mehr Fragezeichen als vor einigen Monaten".





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