Nach Krankenhaus-Schließung: Gesundheitszentren lindern Ärztemangel nicht
Vor allem bei der Zahl der Fachpraxen schneiden Städte besser als der ländliche Raum ab. Wir erklären die Herausforderungen bei der Ärzteversorgung an den Beispielen Möckmühl und Brackenheim.

Wer im Jagsttal einen Spezialisten braucht, nimmt weite Wege auf sich. Nicht selten suchen Patienten Arztpraxen in Mosbach, Bad Mergentheim oder Öhringen auf, wie bei der 89. Lokaltour der Heilbronner Stimme in Möckmühl zum Thema Gesundheitsversorgung zu hören war. Die Botschaft ist auch bei Landrat Norbert Heuser angekommen: "Die Sicherstellung der hausärztlichen Versorgung im gesamten Landkreis und damit auch im Jagsttal ist eine der großen Herausforderungen."
Die Schließung des eigenen Krankenhauses vor drei Jahren wird von den Möckmühlern immer noch als schmerzlich empfunden. Im Plattenwald gebe es lange Wartezeiten, so die Kritik. Statt Richtung Heilbronn zu fahren, geht es dann auch mal zu den weiter entfernten Neckar-Odenwald-Kliniken in Buchen oder ins Hohenloher Krankenhaus.
SLK-Sprecher reagiert auf Kritik am Gesundheitszentrum Möckmühl
Die Kritik am Klinik-Nachfolger, dem Gesundheitszentrum Möckmühl, reißt nicht ab. Die SLK Kliniken werben mit "zeitgemäßer, ambulanter medizinischer Betreuung vor Ort". Die Erwartungen seien aber nicht erfüllt, Zusagen nicht eingehalten worden, hatte sich auch der Möckmühler Bürgermeister Ulrich Stammer zu Wort gemeldet. Eine Augenarztpraxis fehle dringend im ganzen Jagsttal, es hätten bereits zwei Optiker in der Stadt zugemacht, so Stammer. Auch eine Hautarztpraxis sei notwendig.
SLK-Sprecher Mathias Burkhardt reagiert auf die Kritik: "Der Trend, dass zahlreiche Erkrankungen heutzutage vermehrt ambulant behandelt werden, wird sich weiter verstärken. Und genau hierzu sind beide Gesundheitszentren wichtige Ankerpunkte für die Menschen vor Ort." In Möckmühl stehe ein hochmoderner OP-Saal zur Verfügung, den bei Bedarf niedergelassene Ärzte für Operationen nutzen können. Auch in Brackenheim seien ambulante OPs in der orthopädisch-chirurgischen Notfallpraxis möglich.
Mit einer Allgemeinpraxis zur hausärztlichen Versorgung, einem Kinderarzt, der orthopädisch-chirurgischen Praxis "Die Gelenkchirurgen", einer Frauenarztpraxis, dem ASB-Therapiezentrum sowie der Notfallpraxis an Wochenenden und Feiertagen sei man in Möckmühl gut aufgestellt, so Burkhardt. Ein Sanitätshaus sowie die DRK-Rettungswache sind im Hahnenäcker vertreten.
In Brackenheim ist die Versorgung mit Fachärzten besser als in Möckmühl

Besser als im mit Fachärzten unterversorgten Möckmühl scheint die Situation in Brackenheim zu sein. Bei 30 Ärzten und Ärztinnen sind auch alle wichtigen Fachdisziplinen vertreten. Allerdings nicht im Gesundheitszentrum. Hier sind noch freie Flächen vorhanden. Außer einer orthopädisch-chirurgischen Gemeinschaftspraxis gibt es dort keine weiteren Arztpraxen.
Mit 1715 Einwohnern je Hausarzt liegt das Heilbronner Land hinter Hohenlohe (1595). Ein großes Problem ist der Nachwuchs: Mehr als die Hälfte der rund 200 Hausärzte sind älter als 55 Jahre. Die Suche nach Nachfolgern ist schwierig: Bei den Hausärzten ist der Anteil der angestellten Ärztinnen und Ärzte in den letzten zehn Jahren von 24 auf 31 Prozent gestiegen.
Ärzteversorgung in Heilbronn und der Region
Junge Ärztinnen und Ärzte scheuen vor allem das unternehmerische Risiko einer Selbstständigkeit. Ebenso wird die überbordende Bürokratie als Hemmschuh für die Niederlassung genannt. Kai Sonntag von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg gibt den Versorgungsgrad für den ländlichen Mittelbereich Neckarsulm, zu dem auch das Jagsttal zählt, zum Stand März 2023 mit 84,6 Prozent an. "Bis zur 100-Prozent-Grenze würden 10,5 Ärztinnen und Ärzte fehlen, insgesamt gibt es 17 Niederlassungsmöglichkeiten."
Im Kraichgau werden Brackenheim und Eppingen zum Mittelbereich Heilbronn gezählt, der auch die Stadt Heilbronn mit einschließt. Deshalb ist der Versorgungsgrad mit 91,2 Prozent recht hoch. 20 Ärztinnen und Ärzte fehlen, insgesamt gebe es 41,5 Niederlassungsmöglichkeiten.
Augenärzte im Landkreis Heilbronn: Mangel oder nicht?
Laut dem Versorgungsbericht 2022 der Kassenärztlichen Vereinigung gibt es im Landkreis Heilbronn 16 Augenärzte. Damit gilt die Region als gut versorgt. Eine weitere Praxis-Eröffnung ist hier nicht möglich. Deutliche Lücken finden sich allerdings im nördlichen Landkreis: Zwischen Roigheim, Neuenstadt und Gundelsheim gibt es keine einzige Augenarztpraxis - dafür in Bad Friedrichshall zwei, in Neckarsulm gleich drei. Ähnlich ist es im Hohenlohekreis. Hier konzentrieren sich die Augenarztpraxen auf Öhringen und Künzelsau.


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