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Hausärzte-Mangel: Heilbronner Ärztesprecher fürchtet "soziale Unruhen"

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Martin Uellner zeichnet ein düsteres Bild der ärztlichen Versorgung in der nahen Zukunft. Bis zu 30 Prozent der Bürger haben in fünf Jahren keinen Hausarzt mehr, schätzt er.

Was tun gegen den Hausärztemangel? Foto: Marijan Murat/Symbol
Was tun gegen den Hausärztemangel? Foto: Marijan Murat/Symbol

Er sehe schwarz, was die hausärztliche Versorgung in einigen Jahren angeht, sagt der Heilbronner Ärztesprecher Martin Uellner vor dem Protesttag der Ärzte in Stuttgart am Mittwoch. Auch er wollte mit seinen 63 Jahren eigentlich schon im Ruhestand sein, arbeitet aber "auf unbestimmte Zeit" weiter, um die Versorgung in Böckingen zu sichern.

 

In Heilbronn gibt es 86 Hausärzte und damit zwei mehr als noch vor einigen Jahren, sagen Sie. Warum schlagen Sie trotzdem Alarm?

Martin Uellner: Die Zahlen sagen nichts aus. Wir haben zwar auf dem Papier mehr Ärzte, aber immer weniger Praxisinhaber. Und die angestellten Ärzte arbeiten in der Regel viel weniger Stunden als die Inhaber alten Schlags. In fünf Jahren wird sich die Anzahl der Praxen meiner Schätzung nach halbiert haben − mit etwa einem Drittel weniger Ärzten.


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Mit welchen Konsequenzen?

Martin Uellner
Foto: Archiv
Martin Uellner Foto: Archiv  Foto: Kunz

Uellner: Die Konsequenzen erlebe ich gerade in meiner Praxis. Weil eine Gemeinschaftspraxis in Böckingen geschlossen hat, habe ich in einem Quartal 300 neue Patienten aufgenommen. Die Leute stehen zum Teil weinend vor meiner Tür, weil sie Medikamente brauchen und keinen Arzt mehr haben. In fünf Jahren werden 25 bis 30 Prozent der Bürger in Heilbronn keinen Hausarzt mehr haben. Die stürmen die Kliniken. Das gibt soziale Unruhen.

 


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Was ist der Grund für die Misere?

Uellner: Es ist total unattraktiv geworden, sich als Hausarzt niederzulassen. Deshalb macht das keiner mehr. Sie haben steigende Kosten für Energie, beim Personal, beim medizinischen Bedarf. Aber dem steht keine Erhöhung der Honorare gegenüber. Und durch die deutlichen Gehaltssteigerungen für die Klinikärzte ist eine eigene Praxis noch unattraktiver geworden.

 


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Wo führt die Entwicklung Ihrer Meinung nach hin? Wird es in der Zukunft nur noch medizinische Versorgungszentren an Kliniken geben, wie in vielen anderen Ländern, aber keine niedergelassenen Ärzte mehr?

Uellner: Wenn ich das wüsste. Ich würde mir wünschen, dass planvoll gehandelt wird. Aber manchmal denke ich auch, dass die Gesundheitspolitiker keine Ahnung haben, wie schlecht es wirklich um das System steht. Es kann doch nicht im politischen Interesse sein, die ambulante Versorgung an die Wand zu fahren.


Mehr Ärzte, weniger Behandlungszeit

Das Durchschnittsalter der berufstätigen Ärzte im Land steigt. Fast jeder vierte Mediziner in Praxis oder Klinik ist laut einer Statistik der Landesärztekammer 60 Jahre und älter. Insgesamt hat die Zahl der Ärzte zugenommen, von 72 638 im Jahr 2021 auf 73 966 im Jahr 2022. Trotzdem gebe es immer mehr Probleme bei der Versorgung, so die LÄK. Ein Grund: Junge Ärzte wollten nicht mehr so viel arbeiten wie frühere Generationen. 

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