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Kinderärzte verzweifelt gesucht: Auch in der Region gibt's Engpässe bei der Versorgung

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Einen Praxis-Nachfolger zu finden, wenn ein Arzt in Ruhestand geht, wird immer schwieriger. Eltern müssen teils weite Anfahrtswege in Kauf nehmen, wie ein Fall aus Gundelsheim zeigt.

Die Situation scheint paradox: Die Zahl der Kinder- und Jugendärzte im Land hat laut Kassenärztlicher Vereinigung (KVBW) in den vergangenen fünf Jahren um rund zehn Prozent zugenommen. Gleichzeitig haben "wir wahrscheinlich sogar Versorgungskapazitäten verloren", sagt KV-Sprecher Kai Sonntag.

Ärzte arbeiten in Teilzeit oder als Angestellte, die Versorgungskapazitäten sinken dadurch

Der Grund: Mehr Ärztinnen und Ärzte arbeiteten in Teilzeit oder als Angestellte, statt wie früher in der eigenen Praxis. Gleichzeitig steige "der Behandlungsaufwand pro Kind", so Sonntag weiter: "All das führt dazu, dass wir Terminprobleme haben." Landesweit erreichten sie Rückmeldungen, dass Kinderarztpraxen voll seien und Eltern Schwierigkeiten hätten, mit ihren Kindern unterzukommen. Andererseits werde es für die KV immer schwieriger, Nachfolger zu finden, wenn ein Arzt oder eine Ärztin in Ruhestand geht, so Sonntag weiter.

 


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Das Problem zeigt sich auch in der Region. Familie Zabinski aus Gundelsheim muss 35 Kilometer bis nach Buchen zum Kinderarzt fahren - etliche Absagen hat die Familie von Kinderarztpraxen aus dem Landkreis Heilbronn und aus Mosbach erhalten. "Es wäre halt schön, wenn wir einen Kinderarzt in Gundelsheim hätten", sagt Jasmin Zabinski. Dr. Pierre Mahlik, Kinderarzt in Buchen, nahm die Tochter schließlich auf, "weil die Eltern verzweifelt waren", wie er sagt. Doch auch für ihn sei die Situation schwierig, so Mahlik. Ende vergangenen Jahres habe eine Praxis in Mosbach geschlossen - einen Nachfolger gibt es nicht.

Videosprechstunde als Lösung bei leichten Beschwerden

Kai Sonntag sagt: "Sicherlich werden Eltern bereit sein müssen, weitere Wege in Kauf zu nehmen. Das bedeutet also, den Suchradius zu erhöhen." Die Krankenkasse Barmer rät Versicherten, sich schon während der Schwangerschaft auf die Suche nach einer Kinderarztpraxis zu machen und sich dort auf die Warteliste setzen zu lassen. Ein weiterer Rat: Auch die Terminservicestelle der KV unter Telefon 116 117 oder die Krankenkassen helfen bei der Vermittlung von Terminen. Gerade bei leichten Beschwerden könne eine Videosprechstunde eine Lösung sein, so Barmer und KV.

Aus Sicht von Dr. Wolfgang Schober, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Heilbronn, ist der Engpass in der kinderärztlichen Versorgung nicht mehr nur ein Problem ländlicher Gebiete, sondern treffe zunehmend auch die Städte. Als einen Grund dafür sieht er die Kostenpolitik der Krankenkassen. "Das ist pure Mangelverwaltung", kritisiert Schober.

 


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Einfache Lösungen für die Misere gibt es nicht

KV-Sprecher Sonntag sagt, den einen Hebel, um die Misere zu beheben, gebe es nicht. Lösungsansätze sieht er in den Punkten Entbürokratisierung der ärztlichen Tätigkeit, mehr Digitalisierung und bessere Vergütung für nicht ärztliches Personal. Bei den Studienplätzen habe sich schon etwas getan, "aber es dauert lange, bis das wirksam wird".

Mehr Geld ins System zu pumpen, ist keine Lösung, sagt die Krankenkasse

Winfried Plötze, Barmer-Landesgeschäftsführer, fordert von der Politik, "dass die strukturellen Probleme angegangen werden und dass Geld nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern zielgerichtet eingesetzt wird". Die am 1. April in Kraft getretene Entbudgetierung in der kinderärztlichen Versorgung betreffe auch Kinder- und Jugendärzte in Regionen, in denen Eltern kein Problem hätten, eine Praxis zu finden. Plötze findet, gezielte Unterstützung wäre besser gewesen. "Die Politik sollte auch über neue Versorgungsstrukturen nachdenken und gemeinsam mit den Krankenkassen die sektorenübergreifende Versorgung angehen", fordert er. Immer mehr Geld ins System zu pumpen, werde das Problem nicht lösen. "Mit Geld können wir zusätzliches Engagement von Kinderärztinnen und -ärzten belohnen. Mehr Zeit für die kleinen Patientinnen und Patienten können wir nicht kaufen."

 


In Klinik ausweichen

"Eltern sollten wissen, dass Kinderärzte die Behandlung eines akut kranken Kindes nicht ablehnen dürfen", schreibt die Krankenkasse Barmer. Die Vorsorgeuntersuchung U3 könne auch in einer Kinderklinik durchgeführt werden, wenn kein Termin bei einem niedergelassenen Arzt zu bekommen ist. "Aber das löst natürlich nicht das Problem, eine generell betreuende Kinderarztpraxis zu finden, in der auch alle weiteren U-Untersuchungen und Impfungen durchgeführt werden." vbs

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