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Schließung rückt näher
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Audi-Werk in Brüssel auf der Kippe – "Q8 E-Tron ist praktisch unverkäuflich geworden"

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Zu hohe Lohn- und Logistikkosten, kein neues Modell in Sicht: Für das Audi-Werk in Brüssel zeichnet sich keine Lösung ab. Findet sich kein Käufer, bleibt wohl nur noch die Schließung.

Die ungünstige Lage, links sieht man die Bahnschienen, macht eine Erweiterung des Audi-Werks in Brüssel quasi unmöglich.
Die ungünstige Lage, links sieht man die Bahnschienen, macht eine Erweiterung des Audi-Werks in Brüssel quasi unmöglich.  Foto: Audi

An diesem Montag (26. August) sollte nach einer mehrwöchigen Pause  die Produktion des Elektromodells Q8 E-Tron im Audi-Werk Brüssel ursprünglich wieder starten Doch daraus wurde nichts. Derzeit ist ungewiss, wann die Bänder wieder anlaufen. Wie es generell mit dem belgischen Standort des Autobauers weitergeht, ist ebenfalls noch nicht sicher, doch eine Schließung wird immer wahrscheinlicher. Auf dem Spiel stehen rund 3000 Arbeitsplätze.

Im Juli hatte Audi die Belegschaft darüber informiert, die vorzeitige Einstellung des Modells in Erwägung zu ziehen. Im ersten Halbjahr sind 13.600 Q8 E-Tron produziert worden. Dem Vernehmen nach rechnet man fürs Gesamtjahr mit etwas mehr als 20.000 Einheiten. Ausgelegt ist das Werk Brüssel auf maximal 150.000 Fahrzeuge jährlich. Schon jetzt ist der Betrieb nicht mehr wirtschaftlich. Daher laufen nun Gespräche zwischen Unternehmen, Betriebsrat und Gewerkschaften über die Zukunft.

Audi-Werk droht Schließung: Nachfolger wird in Mexiko gebaut

In Belgien gibt es die Besonderheit des sogenannten „Renault-Gesetzes“: Weil der französische Autohersteller 1990 ein Werk ohne Vorankündigung geschlossen hat, müssen in Belgien ansässige Unternehmen größere Umstrukturierungen oder Werksschließungen, die mit dem Abbau von Arbeitsplätzen verbunden sind, Schritt für Schritt mit der Arbeitnehmerseite in einem gemeinsamen Rat abklären.

Dieser Prozess läuft derzeit im Brüsseler Audi-Werk. Am vergangenen Donnerstag tagte dieser Unternehmensrat das erste Mal nach der Sommerpause, am Freitag fand eine Betriebsversammlung statt. Fest steht bereits, dass die Neuauflage des Q8 E-Tron ab 2026 im Audi-Werk Mexiko gebaut wird. Dort sind nicht nur die Lohnkosten niedriger als in Belgien. Audi hat von Mexiko aus auch einen leichteren Zugang zum US-Markt, auf dem der Hersteller künftig mit das größte Potenzial für das Fahrzeug sieht.

Warum sich der Q8 E-Tron schlecht verkauft

Aktuell leidet die Nachfrage des Q8 E-Tron unter der allgemeinen Schwäche von E-Autos. Ein weiterer Auslöser ist aber zudem ein anderes Audi-Modell. Zum Hintergrund: 2018 wurde das SUV-Modell E-Tron, heutiger Name Q8 E-Tron, als erstes reines E-Auto von Audi vorgestellt. Ursprünglich war nach Informationen der Heilbronner Stimme vorgesehen, das Modell ohne größere Änderungen nach etwa vier bis fünf Jahren auslaufen zu lassen. Denn klar war bereits zum Start seinerzeit, dass der neue Q6 E-Tron technisch alles besser können würde.

Doch der ursprünglich für 2021 geplante Start wurde wegen Softwareprobleme immer weiter nach hinten geschoben, die Weltpremiere fand schlussendlich erst im März 2024 statt. Nur aufgrund dieser Verzögerungen bekam der E-Tron außerplanmäßig eine Modellauffrischung und wurde in Q8 E-Tron umbenannt. „Der Q6 E-Tron kann alles besser als Q8 E-Tron – und der ist damit praktisch unverkäuflich geworden“, sagt ein Audi-Verkäufer aus dem Großraum Stuttgart, der anonym bleiben möchte. „Zumal der Grundpreis für den Q8 E-Tron auch noch 12.400 Euro über dem des Q6 E-Tron liegt.“


Lohn- und Logistikkosten sind zu hoch

Um die Problematik weiß man natürlich bei Audi nur zu gut. Seit Jahren wird ergebnislos versucht, ein anderes Modell für das Werk in Brüssel zu finden. Der Standort in Belgien gilt schon immer als Problemfall. Brüssel war zunächst ein VW-Werk, 2007 musste es Audi gegen immense interne Widerstände übernehmen. Der dort gefertigte Kleinwagen A1 war unseren Informationen zufolge nie rentabel. Sowohl die Lohn- als auch die Logistikkosten sind dort sehr hoch. Das schreckt potenzielle Investoren, die Audi derzeit sucht, ab.

Aufgrund seiner Lage direkt an den Bahngleisen kann das Werksgelände nicht erweitert werden. Und da es in Brüssel kein Presswerk gibt, müssen große Karosserieteile von anderen Werken angeliefert werden – was zusätzlich die Logistikkosten erhöht. Ein möglicher Käufer würde einen zweiten Standort benötigen, um dort Karosserieteile herzustellen.

Ende 2022 ist die Produktion des Q8 E-Tron gestartet. Die Nachfrage für das E-Auto ist massiv eingebrochen.
Ende 2022 ist die Produktion des Q8 E-Tron gestartet. Die Nachfrage für das E-Auto ist massiv eingebrochen.  Foto: Audi

Kein Alternativmodell in Sicht

 In Audis Firmenzentrale Ingolstadt betont man, dass alles nach wie vor offen sei. Ein anderes Modell an den Standort Brüssel zu bringen sei keine Option mehr, berichten Insider. Das Werk auf eine Batteriefertigung für andere Standorte umzurüsten, scheint ebenfalls immer unwahrscheinlicher. In Ingolstadt gibt es bereits eine eigene Batteriefertigung. 2026 soll nach Informationen der Heilbronner Stimme zudem eine Batteriefertigung am Standort Böllinger Höfe in Heilbronn angesiedelt werden. Sie soll das Werk Neckarsulm mit Akkus versorgen – dort werden ab 2027 zwei vollelektrische Modelle als Nachfolger des heutigen A8 gefertigt.

Zudem fällt in den nächsten Wochen die Entscheidung darüber, ob am Standort Heilbronn ebenfalls ab 2027 ein vollelektrischer Sportwagen gefertigt werden soll.

Einmaliger Vorgang im VW-Konzern

Derzeit gibt es kaum eine Option, die für Brüssel spricht.. Gelingt eine Umstrukturierung nicht, steht der Standort vor dem Aus. Das Vorhaben ist heikel: Der VW-Konzern hat in seiner Geschichte noch nie ein Werk in Europa geschlossen. Zumal die Beschäftigungssicherung bei Audi bis Ende 2029 ausschließlich für die Beschäftigten an deutschen Standorten gilt. Damit würden die knapp 3000 Beschäftigten in Brüssel ihren Job verlieren.

Jetzt geht es darum, diesen Prozess gemeinsam mit allen Beteiligten konstruktiv und transparent zu gestalten und tragfähige Lösungen im Sinne aller zu diskutieren", sagt Audis Produktionsvorstand Gerd Walker. "Denn wir stehen klar zu der Verantwortung, die wir für unsere Mitarbeitenden tragen, weltweit an allen Standorten.“ 

 

 

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