Schließung des Landliebe-Werks "ist Schweinerei": Gewerkschaftschef rügt Müller-Milch
Guido Zeitler, Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), wird in Bezug auf die Schließung des Landliebe-Werks in Heilbronn deutlich. Was er außerdem zum Knorr-Werk in der Stadt sagt.

Zum ersten Mal war Guido Zeitler, der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) zur Jahreshauptversammlung in die Region Heilbronn gekommen. Neben der drohenden Schließung des Landliebe-Werks beschäftigen ihn mehrere andere Themen.
Herr Zeitler, wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der Bundesregierung?
Guido Zeitler: Ich vergebe keine Schulnoten, ich gucke eher inhaltlich darauf. Und da sind wir zurzeit unzufrieden, dass unsere im Koalitionsvertrag verabredeten Themen nicht ins Parlament kommen - etwa bei Betriebsrätevergütung, europäischem Lieferkettengesetz oder Tariftreuegesetz.
Bei vielen Punkten liegen die Ampel-Parteien über Kreuz. Inwieweit können Sie das nachvollziehen?
Zeitler: Jeder versucht natürlich, sich zu profilieren, wir gehen langsam in die Vorphase des Wahlkampfs für die nächste Bundestagswahl. Politische Debatte ist etwas vollkommen Legitimes und man darf sich da auch streiten. Aber die Bürger erwarten auch zu Recht, dass am Ende und in einer angemessenen Zeit ein Ergebnis kommt.
Nun wird auch noch über das Bürgergeld diskutiert. Ist es tatsächlich zu hoch, sodass kaum einer mehr arbeiten will - etwa in der Gastronomie?
Zeitler: Die Gastronomie muss sich eher überlegen, ob sie noch eine attraktive Branche ist, wenn zwei Drittel der Beschäftigten unterhalb der Niedriglohn-Schwelle arbeiten. Das ist ein ganz klares Indiz dafür, dass diese Jobs nicht attraktiv sind. Wenn man jetzt das Bürgergeld noch unattraktiver macht, damit die Leute in schlecht bezahlte Jobs gehen, stehen dem die Kriterien zur Berechnung des Bürgergelds entgegen. Das ist eine Herangehensweise der Union, die ich nicht in Ordnung finde. Aus meiner Sicht ist das brandgefährlich, weil hilfebedürftige Menschen gegen andere gesellschaftliche Gruppen ausgespielt werden. Andere Optionen werden da komplett ausgeblendet, wie Erbschafts- oder Vermögenssteuer.
Wenn Unilever die Eissparte abstößt und Müller-Milch alle Friesland-Campina-Standorte schließt - wie interpretieren Sie dies?

Zeitler: Bei Unilever ist schon seit Jahren auffällig, dass sie die Renditeerwartungen der Investoren erfüllen wollen und ihr Geschäftsmodell daher permanent umbauen. Da war die Auseinandersetzung um Knorr in Heilbronn ein Beispiel. Jetzt wird dieselbe Auseinandersetzung in Auerbach geführt. Unilever verkauft seit vielen Jahren Geschäftsbereiche, wie jetzt eben die Eissparte. Damit wird Kasse gemacht für die Aktionäre. Der Fall Müller ist aber eine Schweinerei. Hier hat man immer gesagt, dass man in die Marke investieren will, aber den Standort meinte man offensichtlich nicht. Auch hier gehen wir in die Auseinandersetzung und werden den Kampf aufnehmen.
Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein?
Zeitler: Knorr hat gezeigt, dass sich dieser Kampf lohnen kann. Natürlich weiß ich auch, dass das ganz oft anders ausgeht, dass die Schließung vollzogen wird. Wir haben als
Gewerkschaft und Betriebsräte kein Mitbestimmungsrecht, das ist eine unternehmerische Entscheidung. Wir können aber öffentlichen Druck herstellen und Alternativkonzepte wie bei Knorr aufzeigen - dass dieses Werk eine Perspektive haben kann, wenn man an Stellschrauben dreht, was wir auch mittragen. Das hat bei Knorr funktioniert. Bei Müller Milch werden wir sehen. Wir werden Verhandlungen einfordern, wir werden einen Verkauf ins Gespräch führen. Da wird sich dann herausstellen, ob Müller bloß die Marke mitnehmen will und Marktbereinigung anstrebt.
Wie stehen Sie zu den Empfehlungen des Bürgerrats Ernährung? Fleisch- und Eierverarbeiter müssten da doch Zukunftsangst haben
Zeitler: Ich finde es grundsätzlich gut, dass Ernährung gesellschaftlich breiter diskutiert wird. Das Thema geht uns alle an, und bislang wurde das eher von einzelnen
Interessengruppen geführt. Davor warne ich. Menschen vorzuhalten, dass sie dämlich sind, weil sie sich nach Expertenmeinung falsch ernähren, finde ich schwierig. Man kann sicher kontrovers um jeden einzelnen Punkt der Bürgerrats-Empfehlungen diskutieren. Ich persönlich finde etwa eine Altersgrenze für die Abgabe von Energydrinks sinnvoll. Es besteht auch große Einigkeit, dass das Tierwohl verbessert werden muss. In Sachen Tierwohl-Abgabe muss man aber diskutieren, wer den Bauern helfen soll, die Ställe umzubauen: der Verbraucher oder nur die Besserverdienenden? Ich meine, das müsste man eher steuerpolitisch oder mit direkter Unterstützung des Staates als über Verbraucherabgaben finanzieren. Denn diejenigen, die wenig haben, sind von neuen Abgaben stärker betroffen.
Zur Person: Guido Zeitler
Guido Zeitler (52) ist Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Er trat während seiner Lehre zum Hotelfachmann in Berlin der Gewerkschaft bei und startete 1999 bei der NGG Bayern eine Ausbildung zum Gewerkschaftssekretär. 2002 wurde er Sekretär in der Region München und 2007 Referatsleiter für das Hotel- und Gaststättengewerbe in der NGG-Hauptverwaltung in Hamburg. 2017 wurde er zum stellvertretenden Gewerkschaftsvorsitzenden gewählt, seit 2018 ist er Vorsitzender der Gewerkschaft.