Texon-Werk in Möckmühl schließt nach 152 Jahren – 80 Mitarbeiter betroffen
Der Papierverarbeiter Texon will den Betrieb im April nächsten Jahres einstellen. 80 Beschäftigte sind betroffen. Für die Entscheidung werden mehrere Gründe angegeben.

Die Papierfabrik von Texon im Seckachtal nördlich von Möckmühl soll geschlossen werden. Das teilte ein Sprecher des Mutterkonzerns, der britischen Coats Group, mit. Dadurch verlieren 80 Beschäftigte ihren Arbeitsplatz und ein Traditionsbetrieb wird abgewickelt – Papier wurde an dieser Stelle seit 1873 hergestellt.
Texon hatte den Standort in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten auf die Herstellung von Spezialpapier beziehungsweise Zelluloseprodukte als Lederersatz spezialisiert: Hergestellt werden hier im Schwerpunkt Komponenten für Schuhsohlen, Einlegesohlen, aber auch Etiketten, wie sie am Hosenbund von Jeans zu finden sind. Was in Möckmühl hergestellt wird, geht an Firmen wie Ikea, Doc Martens, Calvin Klein und an die französische Edelmarke Louis Vuitton.
Texon-Werk in Möckmühl schließt: Auslastung seit vielen Monaten bei nur noch 50 Prozent
Diese Spezialisierung dürfte dem Standort aber nun zum Verhängnis werden. „Der Zellulosemarkt operiert seit einigen Jahren in einem volatilen Umfeld“, berichtet der Sprecher weiter. Mittlerweile seien eine Reihe alternativer Technologien auf dem Markt eingeführt. „Zusätzlich üben externe Faktoren wie Inflation, Herausforderungen in der Lieferkette und Energiekosten erheblichen Druck auf das Geschäft aus.“ Die Folge: Seit 18 Monaten liegt die Auslastung des Werks nur noch bei etwa 50 Prozent.
Nun zieht die Konzernmutter die Notbremse: Sie hat angekündigt, in einen Konsultationsprozess mit dem Betriebsrat des Werks einzutreten, um den Produktionsstandort Möckmühl Ende April kommenden Jahres zu schließen. „Diese Entscheidung wurde nicht leichtfertig getroffen“, teilt sie mit. „Sie ist das Ergebnis einer tiefgehenden Analyse des lokalen Betriebs.“ Coats sei sich der Folgen dieser Entscheidung für die betroffenen, langjährigen und loyalen Mitarbeiter und deren Familien sowie der Gemeinschaft vor Ort bewusst und wolle die Mitarbeiter in den kommenden Wochen und Monaten unterstützen. „In enger Zusammenarbeit mit dem lokalen Betriebsrat wird Coats einen Sozialplan entwickeln, um die Auswirkungen abzumildern“, wird versprochen. Alle anderen Standorte von Coats Footwear seien von dieser Entscheidung nicht betroffen. „Das Unternehmen wird weiterhin im Zellulosemarkt tätig bleiben.“
Eine Sprecherin der Gewerkschaft IGBCE kündigte an, dass sie ihre Mitglieder im Unternehmen und im Betriebsrat unterstützen werde.
Manche Maschinen sind gut 50 Jahre alt

Dass in der Fabrik an der Seckach ein gewisser Investitionsstau besteht, war bereits im vergangenen Jahr deutlich geworden, als unsere Zeitung im Zuge der Reportagereihe „24 Stunden – 24 Orte – 24 Geschichten“ zu Besuch war. Die sogenannte Trockengruppe, in der der zuvor hergestellte Brei aus Wasser, Altpapier, Zellstoff und Latex verarbeitungsfähig gemacht wird, ist gut 50 Jahre alt, berichtete der Werkleiter damals. „Es ist eines der letzten Museen, das noch produziert“, ließ er sich zitieren.
Doch die Produktion ist energieintensiv: 35 Millionen Kilowatt Strom benötigt Texon pro Jahr, nur ein geringer Anteil davon kommt aus dem eigenen kleinen Wasserkraftwerk. Zuletzt sei der Gewinn zurückgegangen, die Personalsituation sei angespannt gewesen.
Mehrere Stilllegungen und Stellenstreichungen in der Region
Die Schließung dieses Traditionsunternehmens reiht sich damit ein in mehrere Stilllegungen und Verlagerungen, die in diesem Jahr angekündigt oder sogar schon vollzogen wurden. So wird Müller Milch sein erst 2023 übernommenes Joghurtwerk in Heilbronn bis 2026 schließen. Schon zum Jahresende sollen im kleinen Schichtkäsewerk in Schefflenz die Lichter ausgehen. 420 Beschäftigte an beiden Standorten verlieren dadurch ihren Job.
Die dritte Insolvenz innerhalb weniger Jahre hat dem Präzisions-Metallverarbeiter Hofstetter in Schwaigern das Genick gebrochen: Das Unternehmen mit zuletzt etwa 40 Mitarbeitern wurde im September geschlossen.Massiven Stellenabbau musste derweil der Heilbronner Maschinenbauer Illig vornehmen, um einen neuen Investor zu finden: 200 der knapp 460 Beschäftigten mussten gehen. In kleinerem Umfang fielen außerdem Stellen durch den Verkauf der Lacksparte bei Haering in Untergruppenbach weg. Auch Kaco will Produktion aus Kirchardt verlagern, Details stehen aber noch nicht fest.

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