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Dieter Schwarz: Der bekannte Unbekannte

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Lidl-Gründer, Unternehmer-Persönlichkeit, Visionär und Baumeister seiner Heimatstadt: Das Porträt von Stimme-Chefredakteur Uwe Ralf Heer zum 85. Geburtstag von Dieter Schwarz zeigt, wie der Unternehmer tickt.


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Es gibt Wünsche, die auch einem wunschlos Glücklichen nicht erfüllt werden können. „Hängt den Geburtstag nicht so hoch“, sagte Dieter Schwarz kurz vor seinem 85. Geburtstag am 24. September 2024. Dem Wunsch kamen wohl die wenigsten nach. Dennoch: Die offizielle Feier des Lidl-Gründers und Heilbronner Ehrenbürgers fand im kleinen Kreis statt. Auf der Einladung stand knapp: keine Geschenke, keine Reden. Einer, der öffentliche Auftritte meidet, lehnt selbstredend jede große Huldigung ab.

Verschwiegenheit zeichnet Dieter Schwarz aus

Das war vor sechs Jahren nicht anders. Damals fiel das Fest von Dieter Schwarz in der Aula seines Bildungscampus’ noch ein klein wenig größer aus als heute. Dafür nicht weniger verschwiegen und hinter verschlossenen Türen. Aber ganz konnte er sich den Festivitäten nicht entziehen. Heilbronns Oberbürgermeister Harry Mergel grübelte diesmal lange darüber nach, was man einem Mann, der keine Geschenke möchte, schenken kann. Ehrenbürger ist er ja schon. Da bleibt nicht mehr viel. Und dass Dieter Schwarz nach ihm benannte Straßen oder Plätze ablehnt, dürfte nicht überraschen. Was sich Mergel dennoch für den 85. Geburtstag ausgedacht hatte, blieb Geheimsache. Irgendwie passend.

Dieter Schwarz hat den Discounter Lidl zu einem der erfolgreichsten Handelsunternehmen Deutschlands gemacht.
Dieter Schwarz hat den Discounter Lidl zu einem der erfolgreichsten Handelsunternehmen Deutschlands gemacht.  Foto: Hendrik Schmidt

Dieter Schwarz baut Heilbronn zur Wissensstadt um

Zumal sich der Jubilar, der verschwiegen in einem ganz normalen Haus am Rande der Heilbronner Innenstadt lebt, die schönsten Geschenke selbst macht. Natürlich all das, was sein Handelsunternehmen weltweit mit Lidl oder Kaufland zu einer Top-Marke macht. Zumal seine Schwarz-Gruppe unter anderem mit Schwarz Digits jetzt auch ein digitales Weltunternehmen geworden ist. Und mit Prezero auch auf dem Abfall- und Recyclingmarkt nachhaltige Zeichen setzt. Das ist aber nur ein Teil seines Wirkens. Seit Jahren krempelt er Heilbronn mit seiner Schwarz-Stiftung zur Wissensstadt um. Baut Schulen, wie die Josef-Schwarz-Schule im Neckarbogen. Es war der bis dato teuerste, größte und modernste Schulbau Deutschlands.

Die Sparte Schwarz-Digits wird sich auf dem riesigen Campus in Bad Friedrichshall ansiedeln.
Die Sparte Schwarz-Digits wird sich auf dem riesigen Campus in Bad Friedrichshall ansiedeln.  Foto: Seidel, Ralf

Heilbronn wird dank Dieter Schwarz zum Zentrum für Künstliche Intelligenz

Er lockt zudem Universitäten von Weltrang auf seinen Bildungscampus rund um den Heilbronner Europaplatz.Schon bald werden rund 20.000 junge Menschen am Neckar unter modernsten Voraussetzungen und mitgrößtmöglicher finanzieller Unterstützung studieren. Der Bildungscampus sucht mit all den Hochschulen und Universitäten sowie der Programmierschule 42 oder den Campus Founders seinesgleichen. Und klar: Der europaweit größte Park für Künstliche Intelligenz, der Ipai, entsteht natürlich auch in Schwarz’ Heimatstadt. Mit 5000 Topkräften aus aller Welt und mit einer Finanzspritze in dreistelliger Millionenhöhe seiner Stiftung, in der man über Summen grundsätzlich nicht spricht.

Fest steht: Das Heilbronn von heute wäre nicht das Heilbronn von heute ohne Dieter Schwarz. Wer das Positive gerne annimmt und damit prahlt, muss auch mitspielen. Alles andere wäre töricht – und Heilbronns Verwaltung und Gemeinderat spielen mit. Schwer genug, mit dem Tempo der Stiftung Schritt zu halten. Man muss sich anschauen, wenn ein Großprojekt nach dem anderen angekündigt wird. Und das wird so weitergehen. Ob futuristisches Hochhaus oder Flächen für Studenten: Keine Großentscheidung fällt ohne Dieter Schwarz, seine Projekte werden bei entsprechenden internationalen Architektenwettbewerben präsentiert.

Dieter Schwarz hat den Bildungscampus in Heilbronn in den vergangenen Jahren kräftig ausgebaut.
Dieter Schwarz hat den Bildungscampus in Heilbronn in den vergangenen Jahren kräftig ausgebaut.  Foto: Seidel\, Ralf

Kein Wunder, dass Heilbronns Oberbürgermeister seinem Gönner alles Gute wünscht: „Heilbronn wünscht seinem Ehrenbürger Vitalität und Schaffenskraft, sowie einen weiterhin ausgeprägten Hang zum Lokalpatriotismus. Möge es ihm bei bester Gesundheit noch lange vergönnt sein, die angenehmen Seiten des Lebens – Kultur, Reisen und Freundschaften pflegen – gemeinsam mit seiner Frau Franziska zu genießen.“

Eine geheime Chronik gibt Auskunft über den Lebensweg von Dieter Schwarz

Um zu verstehen, was Dieter Schwarz über Jahrzehnte aufgebaut hat und was die Grundlage für sein aktuelles Wirken ist, muss man zurückblättern. Im wahrsten Sinne des Wortes. In zwei umfangreichen Chronik-Bänden, die der ehemalige stellvertretende Chefredakteur der Heilbronner Stimme, Uwe Jacobi, als Pensionär gemeinsam mit Dieter Schwarz erstellt hat. Die beiden Bücher gibt es selbstredend nicht zu kaufen. Und nur wenige Menschen haben Exemplare davon in ihrem Bücherschrank. Manch einer darf immerhin mal durchblättern. Dazu muss man sich dann aber an den Ort begeben, an dem Dieter Schwarz auch heute noch regelmäßig arbeitet. Es geht über eine Klinkertreppe, die an einen Schulbau aus den 1970er Jahren erinnert, in den ersten Stock eines Gebäudes. Dort arbeiten Mitarbeiterinnen, die Dieter Schwarz schon lange begleiten.

Vorbei geht es an einem Raum, in dem ein stattlicher Schreibtisch steht. Auch ein eher historisches Exemplar. Nichts hier wirkt wie ein nüchtern-durchgestyltes Manager-Büro. Dieter Schwarz selbst arbeitet im Zimmer daneben an einem langen Konferenztisch. Mit einem PC vor sich, daneben das Telefon und auf der Glasplatte Aktenmappen über Vorhaben, die ihm am Herzen liegen. An der Wand keine teuren Gemälde, sondern Fotocollagen der Familie. Mit seinen beiden Töchtern und Enkeln. Keiner von ihnen wird den Konzern jemals übernehmen. Er muss lächeln, wenn es anderslautende Vermutungen gibt. Von Menschen, die nie mit ihm gesprochen haben – oder sprechen konnten.

Termine trägt Dieter Schwarz per Hand in seinen Kalender ein

Sein Vermächtnis ist in komplizierten Stiftungen, die außer ihm wohl  wenige durchschauen, geregelt. Dieter Schwarz gibt keine Interviews. Alle Versuche zwecklos. Mit einer Ausnahme. Im ersten OB-Wahlkampf von Harry Mergel unterstützte er diesen öffentlich. Die Aufregung war groß. Per Fax antwortete Schwarz damals auf die Fragen der Heilbronner Stimme und erklärte sich direkt. Es sollte einmalig bleiben. Trotz aller Digitalisierung bleibt er sich übrigens bis heute treu – alle seine Termine werden akribisch per Hand in einem kleinen Papier-Kalender eingetragen.

Von den Anfängen des Handelsgeschäftes erfährt man viel Erhellendes in der zweibändigen Chronik. Beginnend mit seinem Vater Josef Schwarz, der den Grundstein legte. Ein Mann, der während der Nazi-Herrschaft jüdischen Mitarbeitern half und es ablehnte, in die NSDAP einzutreten. Der nach dem Krieg im zerbombten Heilbronn oft genug vor dem Aus stand, ehe die ersten Schritte für das Handelsimperium gelegt wurden. Von Dieter Schwarz, der aus einem Amerika-Aufenthalt Discounter-Ideen mitbrachte. Und dann in die Geschäftsleitung eintrat. Startgehalt: 1000 Mark. Damals viel Geld, wie er lächelnd anmerkt. Alles Weitere ist bekannt. Wie er von einem Lehrer in Leingarten das Recht erwirkte, dessen Nachnamen als Firmennamen zu benutzen: Lidl.

Dieter Schwarz: Der Zahlenmensch trifft auch Bauchentscheidungen

Visionär ist er nicht nur heute in Sachen Bildung, er war es immer in seinem Handelsunternehmen. Beispielsweise mit der neuartigen Integration von Fleischtheken sowie den daraus folgenden Fleischwerken. Weitere Etappen folgten. Ein Meilenstein war das frühzeitige Erkennen der Chancen, die die deutsche Wiedervereinigung bot. Mit großen Zelten startete er nach der Wende und setzte im Osten markante Zeichen.

Vieles sind Detail-, manches auch Bauchentscheidungen. Bis heute. Wenn es um Farbgestaltungen in Neubauten geht, wenn ihm Anzeigenkampagnen missfallen und gestoppt werden oder wenn wichtige Personalentscheidungen getroffen werden. Das war auch so bei der Ablösung seines Top-Managers Klaus Gehrig, der alle Fäden der Schwarz-Gruppe in den Händen hielt. An einem bestimmten Punkt sagte Dieter Schwarz: Stopp. Mit über 80 Jahren leitete er erneut operativ sein Unternehmen und setzte danach Gerd Chrzanowski als neuen starken Mann ein. Auch ein langjähriges Eigengewächs der Gruppe, das das Unternehmen in die neue, erfolgreiche und vor allem digitale Zeit führt.

Dem Erfolg ordnet Dieter Schwarz alles unter

Doch der Inhaber, wie Dieter Schwarz von allen Mitarbeitern genannt wird, ist irgendwie immer mit dabei. So kann eine seiner Entscheidungen auch mal einen hochrangigen Manager treffen, der über Nacht seinen Job los ist. „Wenn der Inhaber Bauch hat, hat er Bauch“, sagt dieser nach seiner Demission. Spontane Entscheidungen – früher und heute. Über allem steht der Erfolg. Und mit seinen Bauchentscheidungen lag der Mann der Zahlen, der heute noch mit seinem phänomenalen Gedächtnis und seiner Kombinationsgabe beeindruckt, schließlich in der Mehrzahl richtig. Mittlerweile nimmt er selbst die Ranglisten der reichsten Menschen Deutschlands oder der Welt gelassen hin. Ob er nun mal der Reichste war oder ist, das ist kein Thema mehr. Zumal er ja immer versichert, dass all die dort aufgelisteten Milliarden nicht auf seinem Konto liegen, sondern in Stiftungen stecken.

Dieter Schwarz genießt sein Leben in Heilbronn

Daneben genießt er sein stilles Wirken in Heilbronn. Dieter Schwarz kann mit seiner Frau Franziska, die an vielen Entscheidungen beteiligt ist und zahlreiche Projekte selbst maßgeblich mit Ideen begleitet, auf den Wochenmarkt, ins Konzert der gemütlich in ein Restaurant gehen. Oder unerkannt in eine Besenwirtschaft. Längst fördert er nicht nur Kunst und Kultur, er unterstützt medizinische Forschung, Start-up-Ideen, ja selbst den lokalen Sport. Er genießt es, live dabei zu sein, ohne dass er von der Masse erkannt wird. Und er ist mit 85 fitter als viele 40-Jährige – regelmäßiger Sport steht als Termin in seinem Papierkalender mit dem Ledereinband.

Vielleicht sind all das Dinge, die am Ende wunschlos glücklich machen. Auch wenn ihm nicht jeder Wunsch erfüllt werden kann. Schon gar nicht der, man möge seinen Geburtstag nicht hochhängen. Bei jemandem, der ganz oben angekommen ist, ist das nun wahrlich nicht möglich.

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